Erschienen in Gazette Zehlendorf November 2021
Das hier einmal internationale Künstler ausstellen würden, hatte Hermann Knobloch sich nicht träumen lassen, als er die Villa im englischen Landhausstil in Auftrag gab. Für ihn und seine Familie war das idyllisch am Waldsee gelegene Haus ein wunderbarer Wohnort, den sie sich dank ihrem Unternehmen „Knobloch & Rosemann Herrenbekleidung, Gummimäntel, Fabrikation von Webwaren Großhandel“ leisten konnten. 1922 zog die Familie ein, aber schon 1926 musste das luxuriöse Anwesen mit privater Tankstelle, Bootshaus und mehr aufgegeben werden, da das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten war. Der nächste bekannte Bewohner war Karl Melzer, von 1940 – 1945 Vizepräsident der Reichsfilmkammer. Er tauchte im Februar 1945 kurz vor Kriegsende unter.
Nach Kriegsende wurde das Haus vom Bezirksamt genutzt, das hier in Zehlendorf ansässige Künstler registrierte. Das Haus wurde zum Kulturort – bereits im Juni 1945 gaben die Berliner Philharmoniker ein Konzert im Garten des Hauses. Das Haus am Waldsee wurde 1946 zum Kulturhaus umgewidmet und ist seitdem Gastgeber für die Ausstellungen zahlreicher internationaler Künstler. Aber auch Theaterstücke auf der Freilichtbühne fanden hier statt. Ab 1946 war Karl Ludwig Skutsch künstlerischer Leiter des Hauses. Er holte zahlreiche namhafte Künstler nach Zehlendorf – darunter die „Berliner Neue Gruppe“ in der u. a. Renée Sintenis, Karl Schmidt Rotluff und Bernhard Heiliger Mitglieder waren. Bis zum plötzlichen Tod von Skutsch während einer Operation im Jahr 1958 wurden Grafiken von Picasso, chinesische Malerei und vieles andere gezeigt. Das Haus am Waldsee entwickelte sich unter seiner Regie schnell zum Magneten für Kunstliebhaber und Künstler.
Auf Skutsch folgten Eberhard Marx und Manfred de la Motte, die beide eigene Akzente im Haus setzten. Dann übernahm Thomas Kempas für die Zeit von 30 Jahren die Leitung. Er zeigte Werke von Andy Warhol, Henri Laurens, Walter Leistikow und anderen. Auch während der turbulenten Zeit der Wiedervereinigung gelang es ihm, das Haus am Waldsee trotz vieler neuer Ausstellungsorte im Focus der Besucher zu halten.
Von 2005 bis zum September dieses Jahres war Dr. Katja Blomberg Direktorin im Haus am Waldsee. Neben den Werken international bekannter, aber auch junger Künstler ging sie ungewöhnliche Wege. So wurden Zeichnungen syrischer Kinder ausgestellt, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Auch ein Skulpturenpark im großen Garten des Hauses ergänzte das Programm. Die aktuelle Ausstellung zeigt Werke von Tony Cragg von den frühen 1980er-Jahren bis heute. Gezeigt werden über 200 Handzeichnungen, Lithographien und Aquarelle des seit vier Jahrzehnten weltweit erfolgreichen Künstlers. Die Ausstellung wird bis zum 9. Januar 2022 gezeigt. Außerdem wurde das Haus am Waldsee, das im kommenden Jahr 100 Jahre alt wird, im vergangenen Jahr umfassend saniert und sieht von außen wieder so aus, wie in den 1920er-Jahren. Weitere Informationen unter www.hausamwaldsee.de .
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