Gazette Verbrauchermagazin

Nach der Wahl: Was müssen Senat und Bezirk tun, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf November 2021

Wie kann dem Problem, dass es zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt, entgegen getreten werden? In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Vorneweg, es gibt nicht die eine Lösung, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen. Bezahlbarer Wohnraum kann auch nicht nur im Bestand gesichert werden, vielmehr muss zusätzlich neuer Wohnraum gebaut werden. Allerdings nicht durch den Bau von Eigentumswohnungen, die sich Berliner:innen nicht leisten können, sondern mit Mietwohnungen, deren Miete 11 Euro nicht übersteigt. Selbstverständlich ohne dabei den preisgebundenen Wohnungsbau zu vernachlässigen. Dazu muss die Bauordnung für Berlin auf Senatsebene in den Bereichen korrigiert werden, die eine Verteuerung und ein Verlangsamen des Bauens verursachen. Weiter muss der Senat eine Möglichkeit schaffen, dass kein Bauvorhaben ohne preisgebundenen Wohnanteil errichtet werden kann. Im Bezirk muss die Bearbeitung der Anfrage durch einen Investor zeitnah und ergebnisorientiert durchgeführt werden. Wir müssen darüber hinaus höher bauen können als bisher und auch eine Bebauung an ungewöhnlichen Orten (wie auf einem Regerückhaltebecken) ermöglichen. Der Milieuschutz muss bis zur Entlastung des Marktes möglichst flächendeckend Mieter:innen schützen. Im Bezirk darf die Verwaltung nicht alleingelassen werden, sondern muss durch eine engagierte und entscheidungsfreudige politische Führung unterstützt werden.

Wolfgang Tillinger

CDU-Fraktion

Die Herausforderungen auf dem Gebiet der Wohnungspolitik bleiben in Berlin nach der Wahl leider dieselben wie vor der Wahl; der rot-rot-grüne Senat und das rot-grün-rote Bezirksamt haben es in den vergangenen fünf Jahren noch nicht einmal im Ansatz geschafft, dieses drängendste der vielen Probleme Berlins zu lösen oder zumindest zu entschärfen. Auf einem derart überhitzten Markt, wie es der Berliner Wohnungsmarkt ist, kann eine nachhaltige Lösung nur sein, das Angebot zu vergrößern und somit der immer weiterwachsenden Nachfrage nachzukommen. Doch dies geschieht nicht; Baugenehmigungsverfahren werden unnötig in die Länge gezogen, Bebauungspläne nicht oder erst nach vielen Jahren Verzögerung aufgestellt, Potentialflächen für den Wohnungsbau nicht aktiviert. Durch ideologische Himmelfahrtskommandos wie dem sog. „Mietendeckel“ wurden und werden Zeit und Geld der Verwaltung verpulvert und bauwillige Investoren aus der Stadt gejagt. Es müssen also Wohnungen gebaut werden und dies in allen benötigten Mietpreissegmenten; genauso wichtig wie der soziale Wohnungsbau, der in Berlin und in unserem Bezirk nur mehr als schleppend vorankommt, ist dabei gerade auch die Schaffung von Wohnraum für Familien mit mittleren Einkommen.

Christoph Brzezinski

B‘90/Grünen-Fraktion

Der Erfolg des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungskonzerne verdeutlicht eindringlich die Angst der Mieter*innen, ihre Wohnung zu verlieren. Zu spät wurde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verboten. Es scheint, als wollen die Investoren die Hürden des Milieuschutzes einfach aussitzen. Von daher braucht es einen Berliner Mietenschutzschirm zu einer neuen Gemeinwohlorientierung. Dafür sollen 3 Jahre die Mieten nicht erhöht werden. Dividenden und Gewinne sollen nicht mehr ausgeschüttet, sondern reinvestiert werden. Jede zweite Wohnung soll an Personen mit WBS vermietet werden. Die neue Miete darf höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete betragen. So soll ein breites Bündnis aus öffentlichen und privaten Vermieter*innen entstehen, die besonders gefördert werden, wenn sie die Bedingungen einhalten. So soll auch eine energetische Modernisierung mit höchstens 1,5 Euro pro m² umgelegt werden, wobei die Miete aber nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens der Mieter*innen betragen darf. Gegen Spekulation und Geldwäsche sind effektive Regelungen auf Bundesebene zu treffen. Zur Umsetzung des Volksentscheids soll ein Expertengremium Empfehlungen erarbeiten.

Ansgar Gusy

FDP-Fraktion

Rot-Grün-Rot verzögert und blockiert systematisch den Neubau von Wohnungen. Milieuschutzgebiete, Zweckentfremdungsverbote oder der bezirkliche Vorkauf von Immobilien schaffen weder neuen Wohnraum, noch eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. Im Gegensatz dazu bedeutet jede neue Wohnung einen Schritt dahin, dass Wohnen in unserem Bezirk kostengünstiger wird. Planen und Bauen sind komplexe Vorgänge. Die Patentlösung für kostengünstiges Bauen gibt es nicht. Eine Vielzahl von Maßnahmen ist erforderlich, um die Baukosten, die sich maßgeblich auf die Miete auswirken, zu reduzieren. Es ist notwendig, bestehende Potentialflächen ausfindig und diese bebaubar zu machen. Ein Baulückenkataster ist überfällig, ebenso die Bebauung von Brachflächen – z. B. der Westkreuzbrache – oder der Ausbau ungenutzter Dachflächen. Auch der Bau von Hochhäusern darf nicht ausgeschlossen werden. Eine sozial ausgewogene Mischung von der Sozial- über die Genossenschafts- bis zur Eigentumswohnung ist erforderlich, um Durchmischungen zu erhalten. Dafür muss der Bodenspekulation entgegengewirkt werden, Baugenehmigungen sollen zu Bauverpflichtungen führen.

Johannes Heyne

AfD-Fraktion

Der Senat müsste den Baunutzungsplan von 1958/60 im ehemaligen West-Berlin ersatzlos aufheben, um eine höhere Nachverdichtung im Bestand zu ermöglichen. Weiterhin müsste sich der Senat dafür einsetzen, dass die Grunderwerbs- und die Grundsteuer abgeschafft oder zumindest deutlich gesenkt werden, damit die Bau- und Wohnnebenkosten spürbar sinken. Ebenfalls müsste sich der Senat dafür einsetzen, dass durch Senkung der Anforderungen für Wohnungsneubau im neuen Gebäudeenergiegesetz die Baukosten spürbar gesenkt werden. Schließlich müsste der Senat über 15.000 Ausreisepflichtige repatriieren, um den Preisdruck auf dem Wohnungsmarkt zu senken. Das Bezirksamt muss Bebauungsplan- und Baugenehmigungsverfahren deutlich beschleunigen, auch durch entsprechende personelle Verstärkung, um in kürzerer Zeit den Bau von mehr Wohnraum zu ermöglichen. Weiterhin dürfen vom Bezirksamt für den Wohnungsneubau geeignete Flächen nicht weiterhin mit fadenscheinigen Argumenten blockiert werden wie z. B. am Westkreuz. Schließlich muss das Bezirksamt sowohl die unselige Praxis der Ausübung des Vorkaufsrechts als auch der Ausweisung von immer mehr Milieuschutzgebieten aufgeben, denn dies verhindert das Interesse am Wohnungsneubau für private Investoren.

Markus Bolsch

Linksfraktion

Stadtentwicklung, Mieten und Wohnen bleiben ein Top-Thema in Berlin und in Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch nach der Wahl gilt: es braucht einen Mix aus verschiedenen Instrumenten, um die Mieter*innen in unserer Stadt zu schützen. Denn Wohnen ist keine Ware! Wir wollen Mieter*innen schützen, mit der Ausweisung neuer Milieuschutzgebiete, der Nutzung von Vorkaufsrechten und vielen anderen Instrumenten. Wir wollen alle Register ziehen! Mietrecht ist Bundesrecht – doch leider ist von der künftigen Ampel-Koalition im Bund kaum eine Verbesserung des Mietrechts zu erwarten. Wir wollen den Wohnraum neu bauen, der auch tatsächlich gebaut wird – das sind vor allem Sozialwohnungen und preiswerte Wohnungen. Luxuswohnungen hat unser Bezirk ausreichend! In Charlottenburg-Wilmersdorf wurden in den letzten fünf Jahren nur drei (!) Sozialwohnungen gebaut und knapp 5000 teurere Wohnungen. Dieses Missverhältnis muss dringend umgedreht werden. Beeindruckende 57 Prozent der Berliner*innen haben dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zugestimmt. Dieses Votum muss respektiert werden und die kommende Landesregierung den Volksentscheid umsetzen. Dafür stehen wir konsequent ein! Wie soll das gehen? Mit progressiven Mehrheiten im Bezirk und in Berlin und mit einer starken Mietenbewegung, mit der wir auch in den kommenden Jahren eng zusammenarbeiten werden.

Niklas Schenker

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