Erschienen in Gazette Wilmersdorf November 2021
Wer zum Bürgeramt und der Kommunalen Galerie am Hohenzollerndamm möchte, passiert eine große Statue. Ein gediegener Herr mit Stirnglatze und Bart schaut kritisch auf das Schriftstück, dass er in der Hand hält. Der Jüngste ist er nicht mehr. Der kroatische Dichter Marco Marulic steht zwar erst seit dem Jahr 2000 – zur 30-Jahr-Feier der Partnerschaft mit Split – auf dem Platz. Doch geboren wurde der Dichter bereits im Jahr 1450, dem Jahr, in dem der Deutsche Johannes Gutenberg sich mit den Anfängen des Buchdrucks auseinandersetzte.
Der Sohn einer Adelsfamilie erlebte die Blütezeit seiner Heimatstadt Split. Diese fand zur Zeit der Renaissance und des Humanismus statt. Die Begabung von Marco Marulic zeigte sich früh, schon im Alter von 16 Jahren verfasste er die ersten Schriftstücke. Für seine Werke nutzte er in erster Linie Latein. Aber er übersetzte auch Werke von Petrarca und Dante in seine kroatische Landessprache. 1501 beendete er sein bedeutendes Werk „Judita“. Er behandelt dabei eine alttestamentarische Erzählung über die Bedrohung der Stadt Betulien durch die Assyrer. Dies war zu jener Zeit eine aktuelle Thematik, da Kroatien gerade von den Osmanen belagert wurde. Marco Marulic, der 1524 in Split starb, gilt als einer der bedeutendsten Intellektuellen während der Zeit der Renaissance. Er wandte westeuropäische Standards in der Dichtung Kroatiens an und brachte sie so auf europäisches Niveau.
Schon in den 1990er-Jahren wurden drei Skulpturen der Künstlerin Ludmila Seefried-Matejcová aufgestellt. Heute ist mit „Gedanken eines Mimen“ nur noch eine von ihnen vor Ort. Der Mime sitzt gedankenversunken auf einem Sockel. Eine Hand liegt auf dem Oberschenkel, die andere scheint – mit angewinkeltem Ellenbogen und ausgestrecktem Zeigefinger – in der Luft stehengeblieben zu sein. Wer weiß, worüber der Mime gerade sinniert…
Zwei weitere Werke der tschechischen Künstlerinnen sind leider schon seit 2015 nicht mehr vor Ort. Die beiden Bronzen „Walkman“ – eine in die Musik versunkene, sitzende junge Punkerin und die „Schlafende“ – die Punkerin nun auf dem Boden liegend, mit der Jacke über dem Kopf – wurden von der Künstlerin abgeholt. Die Figuren waren Leihgaben, die über 20 Jahre vor Ort standen. Lediglich „Gedanken eines Mimen“ wurde vom Bezirksamt gekauft.
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