Erschienen in Lichterfelde West Journal Dezember/Januar 2021
Als der Umzugswagen der Familie Liebknecht im Jahr 1913 vor der Hortensienstraße hielt, war Karl Liebknecht für die SPD Mitglied des Reichstags und frisch mit seiner zweiten Frau Sophie, geborene Ryss, verheiratet. Das Ehepaar und die drei Kinder aus der ersten Ehe des Politikers hatten vorher in Alt-Moabit gewohnt, vielleicht hofften sie in dem aufstrebenden Vorort der Berliner Enge zu entkommen. 1914 lehnte Liebknecht als einziger Abgeordneter die Bewilligung neuer Kriegskredite ab. 1915 wurde er als Soldat eingezogen und 1916 begann er, gemeinsam mit Rosa Luxemburg die Spartakusbriefe herauszugeben. Der Spartakusbund hatte sich zum Ziel gesetzt, mittels einer Revolution Imperialismus, Kapitalismus und Militarismus zu beenden.
Näheres ist über die Zeit in Lichterfelde leider nicht bekannt. Lediglich, dass sie kurz war. Bereits 1917 wohnte Sophie Liebknecht mit den Kindern in der Steglitzer Bismarckstraße 76. Von Karl Liebknecht ist zu der Zeit kein Eintrag im Berliner Adressbuch zu finden. Kein Wunder, denn er wurde am 28. Juni 1916 wegen Hochverrats zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein Reichstagsmandat verlor er. 1918 wurde er begnadigt. Die Zeit im Zuchthaus hatte ihn nicht gebrochen – am 9. November 1918 stand er an einem Fenster des Berliner Schlosses und rief die „freie sozialistische Republik Deutschland“ aus. Am 31. Dezember gehörte Liebknecht zu den Gründern der KPD. Die Mitglieder der jungen Partei nahmen am Januaraufstand teil, mit dem der „Rat der Volksbeauftragten“ um Friedrich Ebert unterstützt wurde. Daraufhin wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die sich bereits versteckt hielten, aus einer Wilmersdorfer Wohnung geholt und im Tiergarten ermordet.
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