Erschienen in Gazette Zehlendorf Februar 2022
Seit 2017 entwickelt die Bio-Stadt-Berlin eine nachhaltig und regional gedachte Ernährungsstrategie. Im Bio-Städte-Netzwerk wird sie von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vertreten. Im Rahmen dieser Kampagne startete 2021 auch die Pilotphase des Grundschul-Projektes für kleine Lebensmittel-Detektive der dritten und vierten Klassen „Meinem Schulessen auf der Spur“. Es soll den Schülern Wert und Herkunft von Lebensmitteln entlang der regionalen Wertschöpfungskette spielerisch näherbringen und zeigen, welchen Weg Bio-Lebensmittel zurücklegen, bevor sie in der Schulkantine als leckeres Mittagessen auf den Tellern landen. Es soll aber auch deutlich machen, was mit den Essensresten passiert, wenn wieder einmal die Augen größer waren als der Magen. Das Projekt, das gefördert wird durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN), beinhaltet Tagesexkursionen, interaktive Unterrichtsmaterialien und ist für teilnehmende Schulklassen kostenlos. Realisierungspartner des Projektes sind der Verein RESTLOS GLÜCKLICH (siehe Gazette 5/20) und die Sarah Wiener Stiftung. Damit die Schüler Neugier und Wertschätzung für ökologisch produzierte Lebensmittel sowie die dahinterstehenden Menschen, Arbeitsgänge und eingesetzten Ressourcen entwickeln können, ist es wichtig, die einzelnen Stationen der regionalen Wertschöpfungskette für ausgewählte Bio-Lebensmittel ihres Schulessens genauer kennenzulernen. Dazu zählen erzeugende und verarbeitende Biobetriebe, biokontrollierter Großhandel, biokontrollierter Catering-Betrieb und Entsorgungsbetrieb.
Nach erfolgreicher Pilot-Phase des Jahres 2021 läuft das Projekt auch 2022 weiter. Dazu erklärt Franziska Bock, Projektkoordinatorin beim RESTLOS GLÜCKLICH e. V.: „2021 haben wir mit der Sarah Wiener Stiftung fast 40 Exkursionen mit rund 800 Kindern durchgeführt, und für 2022 sind für den Zeitraum von April bis Oktober weitere 40 geplant. Generell würden wir uns wünschen, dass das Projekt auch nach 2022 nicht endet, das wird sich wahrscheinlich im Laufe des Jahres entscheiden. “
Mit einem reichhaltigen Paket verschiedener Unterrichtsmaterialien leistet der Verein wertvolle Unterstützung, um Schülern das nötige Rüstzeug für eine nachhaltige Erkundung der einzelnen Stationen der Wertschöpfungskette mitzugeben. Insgesamt sind rund 80 Tagesexkursionen vorgesehen, mit denen etwa 2.000 teilnehmende Grundschulkinder erreicht werden sollen. Der gemeinnützige Berliner Verein RESTLOS GLÜCKLICH bietet Bildungsprojekte, Mitmachaktionen und Teamevents an, bei denen gerettete Lebensmittel verarbeitet werden. Er führte 2021 von den insgesamt 40 Tagesexkursionen 17 zu den Stationen biokontrollierter Großhandel, biokontrollierter Catering-Betrieb und zum Entsorgungsbetrieb durch.
An seiner Projektseite weiß RESTLOS GLÜCKLICH, die ebenfalls gemeinnützige Sarah Wiener Stiftung, die mit ihrer Stiftungsarbeit Kindern jeglicher Herkunft praktische Ernährungsbildung bietet, indem sie sie für ausgewogene Ernährung und einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln fit macht. Bei dem Projekt „Meinem Schulessen auf der Spur“ verantwortet sie die ersten beiden regionalen Wertschöpfungs-Stationen von Bio-Lebensmittel: Erzeugende und verarbeitende Bio-Betriebe mit Schwerpunkt Milch und Getreide.
Hautnah konnten die teilnehmenden Kinder 2021 in jeweils vierstündiger Exkursion die Herkunft und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln miterleben und im Ökodorf Brodowin, beim Biobauernhof Blankenfelde, dem Milchviehbetrieb Pöhl und beim Märkischen Landbrot kräftig mit anpacken: Kälbchen durften da getränkt werden, sie lernten Kühemelken und -füttern oder welche Getreide es gibt und wie sie gemahlen werden. Schließlich durften die Schüler selbst Brötchen daraus backen.
Digitales Informationsmaterial gab‘s dazu. 22 Tagesexkursionen der insgesamt fast 40 bot die Sarah Wiener Stiftung an. Sara Wolff, Projektleiterin der Sarah Wiener Stiftung, erklärt, man habe beobachtet, dass die meisten Schüler wenig Wissen zu Herkunft und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln haben, jedoch mit viel Freude, Wissbegierde und Neugier an die für sie fremden Arbeiten herantreten. – Viele Kinder sehen beim Bauernhof-Besuch zum ersten Mal eine echte Kuh. Positives Ergebnis: Der Wille der teilnehmenden Schüler nach der Exkursion, zukünftig weniger Essen wegzuwerfen und darauf zu achten, woher das Schulessen kommt. Sara Wolff betont: „Die SchülerInnen sehen in unserem Projekt eine direkte Verbindung zwischen dem, was sie in der Kantine ihrer Schule essen und der Herkunft des Lebensmittels – das führt zu AHA-Effekten und prägt sich ein.“ Die Sarah Wiener Stiftung lobt den wohlüberlegten Rahmen dieses sensibilisierenden und wirkungsvollen Projektes, kann sich aber für ein Anschlussprojekt vorstellen, ihr Bildungsangebot auf die Bereiche Obst und Gemüse und damit ihr bestehendes Netzwerk der Bio-Betriebe auszubauen. Wunsch der Stiftung ist es, nach den ersten zwei Projektjahren in einem Anschlussprojekt überregional wirken und Schüler mit Tagesexkursionen in ganz Deutschland erreichen zu können. – Die Realisierung jedoch sei von Fördermitteln abhängig.
Projekte, die Wertschätzung von Lebensmitteln im Fokus haben, sowie Betriebe, die dies unterstützen, gibt es inzwischen einige. Einer von ihnen ist die GREENs Unlimited Berlin GmbH, die als Berliner Schulcaterer und als Beteiligte des Projektes „Meinem Schulessen auf der Spur“ den Schülern den Einblick in den Produktionsprozess einer Großküche gewährt. In dreistündigen Exkursionen lernen 20-25 Kinder riesige Kochtöpfe und die Einrichtung einer Großküche kennen, und verfolgen anhand eines Lebensmittels den Weg von der Anlieferung bis zur Entsorgung der zurückkommenden Reste. Beeindruckend für die Kinder sind da immer wieder die Riesenschöpfkellen, die mancher der Schüler kaum anzuheben vermag und die Erfahrung, dass Menschen, die in einer Großküche arbeiten, tagtäglich eine enorme Leistung erbringen. Gemeinsam wird während der Exkursion ein Mittagssnack vorbereitet und dabei mit Hilfe der Ernährungspyramide die richtige Zusammensetzung des Speiseplanes erörtert. Das gesunde Ergebnis sind lachende Brotgesichter mit Frischkäse und viel Gemüse, die schnell verputzt sind. „Wir können als Cateringunternehmen mit der Projektarbeit neben der Bereitstellung des Essens auch einen Teil zur Ernährungsbildung beitragen“, betont Alexandra Renner-Roman, Geschäftsführerin des Cateringunternehmens.
Der Unternehmensverbund der Firmen GREENs Unlimited Berlin GmbH, Schildkröte GmbH und Handfest gGmbH arbeitet an verschiedenen Projekten mit, um neben der gesundheitsfördernden Versorgung von Kindern und Jugendlichen auch seine Verantwortung für den Klimaschutz wahrzunehmen. „Wir sind uns der planetaren Grenzen bewusst und wollen durch die Teilnahme an Projekten wie „Wo kommt das Essen her?“ oder „Meinem Schulessen auf der Spur“ dazu beitragen, dass Wertschöpfungsketten sichtbar gemacht werden“, sagt Frau Renner-Roman.
Doch um Lebensmittel richtig wertschätzen zu lernen, sollte man auch den Weg und die wichtige Aufgabe des Bioabfalls aus Berliner Haushalten kennen. Einblick geben da die regelmäßigen Exkursionen zur Berliner Stadtreinigung (BSR), wo die Schüler immer mit viel Begeisterung und Interesse bei der Sache sind. Angela Sonnenschein, Ansprechpartnerin für das BSR-Projekt „Outdoor-Klassenzimmer“, erklärt: „Die BSR ist zwar nicht in der Resteverwertung von Schulessen aktiv, wir holen aber den Bioabfall der Berliner Haushalte ab – und machen in unserer Biovergärungsanlage Ruhleben daraus Bio-Erdgas, mit dem wir die Hälfte der BSR-Müllfahrzeugflotte betanken. Auch deshalb ist es uns wichtig, schon Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit Biogut zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund haben wir uns gerne am Projekt von Restlos Glücklich e. V. beteiligt. Im Rahmen eines ‚Outdoor-Klassenzimmers‘ haben wir den Schülerinnen und Schülern die Themen Abfallvermeidung, Mülltrennung und Stoffkreisläufe nahegebracht. Die Kinder haben sich u. a. beim Bau einer ‚Regenwurm-Forscherstation‘ mit organischen Küchen- und Gartenabfällen beschäftigt. Auf praktische und interaktive Weise haben sie dabei den Kreislauf des Bioabfalls kennengelernt und erfahren, wie Kompost entsteht…Und unter den Bedingungen der Corona-Pandemie hat sich natürlich auch das Konzept des ‚Outdoor-Klassenzimmers‘ bewährt. Umweltbildung durch praktisches Erleben ist der BSR wichtig. Deshalb wollen wir uns auch weiterhin an entsprechenden Projekten beteiligen. Umweltbewusstes Verhalten schon im Kindesalter ist eine wesentliche Grundlage dafür, unser aller Zukunft lebenswert zu gestalten.“
Jacqueline Lorenz
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