Erschienen in Gazette Wilmersdorf Februar 2022
Die Klimakatastrophe steht vor der Tür und Covid-19 hält die Welt noch immer in Atem. Das Pflanzenreich unseres Planeten schien lange irgendwie selbstverständlich, nun ist alles anders. Vor allem in der Großstadt. Pflanzen und Blumen sind nicht ansteckend. Wir dürfen sie anschauen, anfassen, riechen, pflegen; sie nehmen uns gedanklich mit in den Park, aufs Land oder in die Ferne. Sie sind Verbündete, lindern unsere Schmerzen und erfreuen unsere Seele. Aber so anpassungsfähig wie sie sind, brauchen sie – genau wie wir – Lebensraum.
Die Pandemie führt uns globale Dimensionen vor: wir begreifen allmählich, dass die Vernichtung des Regenwaldes auch eine unmittelbare Bedrohung für uns darstellt, selbst wenn der Amazonas weit weg ist. Direkt vor unserer Haustür erleben wir den Schwund an Artenvielfalt, der wiederum mit der geschrumpften Biodiversität einhergeht. Das frühere unbeliebte Unkraut feiern wir als Wildkraut. Wir entdecken den Zauber von Gräsern, die vor kurzem noch Symbol einer vernachlässigten Brache waren und nun zu neuer Aufmerksamkeit erwachen. Wir machen uns Gedanken zu Nutz- und Zierpflanzen und ob diese Kategorisierung ihre Richtigkeit hat. Wir schauen uns die vermeintlich so robuste Natur an und stellen fest, wir zollen ihr Respekt und Anerkennung statt Raubbau mit ihr zu betreiben.
Pflanzen und Blumen zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der pflanzlichen Vielfalt unserer Erdkugel sein kann. Differenzierte künstlerische Denkansätze und Medien begleiten uns durch ein Panorama kostbarer Naturanschauungen. In Analogie an die Vielfalt unserer Pflanzenwelt sind die durchweg poetischen Arbeiten kontrastreich und dennoch harmonisch: vom gemalten häuslichen Blick aus dem Fenster bis zu intimen Bleistiftzeichnungen von Siedlungswildwuchs. Wir sehen eine trügerisch vitale tropische Pflanzenwelt und die kraftvolle Borkenlandschaft 100-jähriger Straßenpappeln. Es überwiegt jedoch die offenkundige Zartheit der Natur mit berührenden Trauerblumen, der kontemplativen Schönheit verwelkter Tulpen und beinahe nostalgischen Pflanzenselbstdrucken. Magisch bearbeitete Mikroaufnahmen von Kieselalgen teilen sich die Aufmerksamkeit mit Abstraktionen von Bambuspflanzen und Formsammlungen in Tusche. Wir spüren die Freiheit des Windes und die Einschränkungen der Isolation, wir erahnen den Duft getrockneter Blüten. Der Kunstraum wird für ein direktes Nachdenken über die Natur geöffnet.
In der Ausstellung werden die Werke – darunter Fotografien und Gemälde – von elf Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. Sie ist vom 13. Februar bis zum 3. April zu sehen. Die Öffnungszeiten der Kommunalen Galerie am Hohenzollerndamm 176 sind Di bis Fr 10 bis 17 Uhr, Mi 10 bis 19 Uhr, Sa und So 11 bis 17 Uhr. Hygieneregeln und weitere Informationen unter www.kommunalegalerie-berlin.de .
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