Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau April 2018
Eine eiszeitlich geformte Landschaft mit Weihern, die vom Abschmelzen der zurückgelassenen Eisblöcke stammten – das ist ein typisches Bild auf der Hochfläche des Teltow. Auf so einer Landschaft erbaute die Stadt Schöneberg den Lindenhof. Der eiszeitliche Weiher inmitten der Siedlung verleiht ihr eine besondere Idylle.
Erste Pläne für den Bau einer neuen Wohnsiedlung auf dem Vorwerk „Lindenhof“ stellte die Verwaltung der Stadt Schöneberg schon 1912 an. Der Bau konnte aufgrund des Ersten Weltkriegs jedoch erst sechs Jahre später beginnen. Namhafte Architekten übernahmen die Planung – das Ledigenheim, in dem unverheiratete Arbeiter einen Platz fanden, stammte von Bruno Taut. Aufgrund von Kriegsschäden musste es allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen werden. Andere Häuser plante Martin Wagner. Die Außenanlagen entwarf Leberecht Migge. Anfangs baute man 127 Mehrfamilien- und 75 Einfamilienhäuser. Zu jeder Wohnung gehörte ein Garten, so dass die Bewohner sich selbst versorgen konnten. Auch Kinderbetreuung war Teil der Angebote im Lindenhof. Durch eine Kindertagesstätte ist dies bis heute aktuell, außerdem gibt es im Lindenhof eine Grundschule. 1921 gründeten Mieter die Genossenschaft „Siedlung Lindenhof e. V.“ Heute gehört die Siedlung Lindenhof zur „Genossenschaftliches Wohnen Berlin-Süd eG.“
Im Berlin der 1920er-Jahre gehörte der Lindenhof zu den bekanntesten Siedlungen Berlins. Heute ist er weniger prominent, obwohl diese Wohnform an Attraktivität nichts verloren hat. Damals wie heute war kostengünstiges Wohnen gefragt, vor allem Arbeiterfamilien zogen in den Lindenhof. Der Lindenhof bot soziales Wohnen mit gemeinschaftlichem Leben. Auch wenn es heute keine Gemeinschaftsküchen mehr gibt – nachbarschaftliches Miteinander ist zu allen Zeiten gefragt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung stark beschädigt. Beim Wiederaufbau veränderte sich das Gesicht des Lindenhofs, der als Pilotprojekt für den sozialen Wiederaufbau Berlins bewertet wurde. Die Randbebauung aus den Anfangszeiten wich der nun aktuellen Zeilenbauweise, jedoch auch historische Bauten wurden so weit wie möglich erhalten. Architekten waren nun Professor Franz-Heinrich Sobotka, Professor Gustav Müller und Hans-Jürgen Juschkus. Aus den Hausgärten wurden Gemeinschaftsflächen. In den 1960er-Jahren kamen Hochhäuser dazu. Die Zusammensetzung der Bewohner veränderte sich – nun wohnten hier viele Angestellte und Beamte. Die letzte kriegsbedingte Lücke wurde allerdings erst 1994 geschlossen, die Architekten waren Axel Busch und Dietmar Ropohl. Durch Dachaufstockungen erschloss man ebenfalls neuen Wohnraum, wobei die Beachtung des Denkmalpflegeplans zu den Bedingungen gehörte.
Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen führen zu einer guten Energiebilanz des Lindenhofs, der bereits seit 2009 durch drei eigene Blockheizkraftwerke mit Strom und Wärme versorgt wird. Das Gemeinschaftsleben ist nach wie vor ein Kennzeichen der Siedlung – so werden gemeinsam Feste gefeiert, Baumpatenschaften übernommen und eine Imker-AG mit sechs Bienenvölkern ist ebenfalls aktiv. Heute hat der Lindenhof, der von seiner Beliebtheit nichts eingebüßt hat, rund 2500 Bewohner.
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