Erschienen in Gazette Charlottenburg Juli 2022
Alle guten Dinge sind drei – am Fehrbelliner Platz zog die Verwaltung des damaligen Bezirks Wilmersdorf Mitte des 20. Jahrhunderts in ihr drittes Rathaus. Das erste Rathaus stand an der Brandenburgischen/Ecke Gasteiner Straße. Es wurde von 1894 bis zur Eingemeindung Wilmersdorfs nach Groß-Berlin von der Verwaltung genutzt. Die Fassade des rot verblendeten Gebäudes war nach dem Vorbild italienischer Rathäuser gestaltet worden. Im Jahr 1945 brannte das Gebäude aus, an seiner Stelle befindet sich heute unter anderem die Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek. Seit 1902 gab es Pläne, auf dem Gelände des Preußenparks ein Rathaus zu bauen, diese wurden aber nie verwirklicht. Nachdem Wilmersdorf samt Schmargendorf und Grunewald nach Groß-Berlin eingemeindet wurde, zog die Verwaltung 1920 aus dem längst zu kleinen Rathaus in das ehemalige Joachimsthalsche Gymnasium an der Kaiserallee, heute Bundesallee. Dort blieb sie, bis das Gebäude – das als zweites Wilmersdorfer Rathaus bezeichnet wurde – im Jahr 1943 durch Weltkriegsbomben beschädigt wurde. In der folgenden Zeit hatte das Bezirksamt seinen Sitz in verschiedenen Gebäuden, unter anderem im Goethe-Gymnasium.
Am Fehrbelliner Platz gab es bereits 1934 einen Wettbewerb, der ihn zu einem der „schönsten und vielleicht großartigsten Plätze Deutschlands“ machen sollte. Bereits seit 1921 gab es das Konzept, den Platz hufeisenförmig zu bebauen, allerdings war er zu jener Zeit größer geplant. Die damalige Planung bezog z. B. den heutigen Julius-Morgenroth-Platz in den Platz mit ein. 1935 wurde mit der heute noch prägenden Bebauung des Platzes begonnen. Das künftige Rathaus Wilmersdorf erbaute man als letztes Gebäude. Auf einem früheren Sportplatz gelegen, schloss es 1941 die Lücke. Das Gebäude mit dem Ehrenhof, der von toskanisch anmutenden Säulen umgeben ist, orientiert sich an dem Kopenhagener Polizeipräsidium.
Es sollte jedoch noch lange dauern, bis in den Verwaltungsbau ein Bezirksamt einzog. Ursprünglich war das Gebäude, dass sich mit seiner hellen Fassade von der restlichen Platzbebauung abhebt, es als Erweiterungsbau für die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gedacht, deren Verwaltung sich im Nebengebäude befand. Doch bei Fertigstellung herrschte bereits Krieg und die Räume wurden anderweitig benötigt. Neuer Nutzer war eine Wehrmacht-Verwaltungsstelle des Oberkommandos des Heers. Nach Kriegsende nutzten die britischen Alliierten das Gebäude unter Bezeichnung „Lancaster House“ als Hauptquartier. Eine 1987 aufgestellte britische Telefonzelle, ein britischer Briefkasten neben dem Eingang und die Gedenktafel für das Lancaster House erinnern an diese Zeit.
Fast neun Jahre nach Kriegsende – am 1. April 1954 übereigneten die Briten dem Bezirk Wilmersdorf das Gebäude. 1958 ließ der Bezirk ein weiteres Geschoss auf das Rathaus bauen. Bis zum Ende des Jahres 2014 war hier die Wilmersdorfer bzw. seit 2001 Teile der Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksverwaltung untergebracht. Im Januar 2012 wurde das Ende der Nutzung des Rathauses Wilmersdorf beschlossen. Im August 2014 bekam es eine neue Aufgabe – hier wurden vorübergehend Flüchtlinge untergebracht, von denen täglich mehr in Berlin ankamen. Mit etwa 1150 Flüchtlingen zählte das Rathaus schließlich zu einer der größten Flüchtlingsunterkünfte der Stadt. Bis zum 30. November 2017 waren die Räume jedoch wieder leer und die Menschen woanders untergebracht. In das frühere Rathaus Wilmersdorf kehrte die Verwaltung zurück – heute nutzt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen das Gebäude.
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