Erschienen in Wannsee Journal April/Mai 2022
Wer kennt ihn nicht? Vor Ostern bevölkert er in den sechs Gewichtsklassen 10, 50, 100, 200, 500 und 1.000 Gramm und den Schokoladenvarianten Milch- und Haselnussschokolade, in dunkler und weißer Schokolade die Regale: der Goldhase von Lindt, mit sanftem Schnuffelgesicht. Keinen Spaß jedoch versteht er und weiß geschickt juristische Haken zu schlagen, wenn ihn ein Konkurrenz-Hersteller zu kopieren sucht. Da besteht er auf Markenschutz. Nur mit dem Glöckchen an rotem oder je nach Schokoladenart grünen und braunem Band ist er echt, der trendig gestylt auch schon mal in rosa Sonderedition mit Erdbeergeschmack, im Blümchen-Outfit oder im Leoparden- und Zebra-Look Herzen höher schlagen und das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Und obwohl seine Ohren für einen Hasen etwas zu kurz geraten sind: Zugegeben, „Goldkaninchen“ klänge komisch und passte weniger zu Ostern.
In diesem Jahr feiert das goldige Kerlchen nun also seinen 70. Geburtstag und wird weltweit nicht nur von Kindern noch immer gerne vernascht.
Einem kleinen Mädchen soll es zu verdanken sein, dass der Goldhase 1952 das Licht der Schokoladenwelt erblickte und seitdem in rund 60 Ländern jährlich rund 150 Millionen Mal produziert wird. Die Tochter eines Maitre Chocolatier hatte am Ostersonntag ein echtes Häschen (oder war es ein Kaninchen?) im hohen Gartengras gesehen und eilte nach draußen, mit dem Tierchen zu spielen. Doch das Tier hoppelte blitzschnell von dannen und die enttäuschte Kleine blieb zurück. Dem Vater tat das leid, und er fertigte daraufhin ein Schokoladenhäschen, das nicht wegrennen konnte – mit Band und Glöckchen.
In Deutschland entstand der erste Lindt Goldhase in Milchschokolade dank der Conchiermaschine von Rodolphe Lindt im Jahr 1952. Mithilfe der Maschine konnte nun die Schokolade glatt genug eingeschmolzen werden, um dann in der Form zur hohlen Schokoladenfigur getrocknet zu werden. Schon bald hatte sich der kleine Hase in der klassischen Goldfolie, die im Goldton seit 1994 unverändert ist, mit rotem Band und Glöckchen um den Hals in Deutschland in die Herzen von Schokoladenliebhabern gehoppelt. Doch er brauchte eine Weile, um mit gleichem Erfolg in der Schweiz und in Österreich anzukommen.
Längst hat das süße Häschen inzwischen die USA, Australien und Großbritannien erobert und ist nach der Jahrtausendwende auch in Lateinamerika, Russland, Hongkong und schließlich sogar im Nahen Osten erfolgreich angekommen. Mit einem Marktanteil von über 40 Prozent ist er der meistverkaufte Schoko-Osterhase in Deutschland.
Bis das süße Häschen auf dem Ostertisch oder im Nest entspannt Platz nehmen darf, hat es einiges zu bestehen: Nachdem die durch gleichmäßige Conchierprozesse gerührte Schokolade in Hasen-Doppelform gegossen ist, müssen sich die zukünftigen Goldhäschen kopfüber schütteln und wenden lassen, damit ein gleichmäßiger Schokomantel entsteht. Nach dem Trocknen der Schokolade erblicken sie dann das Licht der Welt außerhalb der Form. Und auch das muss qualitätsbedingt sein: Per Hand wird nun ein Hasenhohlkörper aufgebrochen, da man am Klang des Schokoladenbruchs den richtigen Zustand der Schokolade erkennen kann. Doch dann endlich wird die Behandlung sanfter: In Goldpapier eingeschlagen wird das Häschen so lange von zartfühlenden behandschuhten Händen gestreichelt, bis die glänzende Haut kaum noch Falten schlägt. Eine Sonderbehandlung erfährt das Prunkstück der Lindt-Hasenfamilie: Der 1 Kilo-Hase wird ganz von Hand verpackt und zum Schluss auch noch poliert, bevor er mit prächtiger Goldschelle am roten Band sein durchsichtiges Transporthäuschen beziehen darf. – Wohl der Ostertraum eines jeden (nicht nur) Kindes, diesen Pracht-Schokohasen einmal sein eigen nennen zu dürfen!
Happy Birthday, Goldbunny!
Jacqueline Lorenz
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