Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Mai 2022
Der Internationale Carlo Scarpa Preis für den Garten geht 2022 an den Natur Park Südgelände und die Stadtnatur Berlins. Die seit 1990 jährlich vergebene internationale Auszeichnung würdigt landschaftsarchitektonisch herausragende Orte, die auf besondere Weise naturbezogene, historische und gestalterische Werte in Beziehung setzen und lebendig werden lassen. Die Auszeichnung zum Internationalen Carlo Scarpa Preis beruht auf der Grundhaltung, Neues zu schaffen und dabei das kulturelle Erbe zu pflegen, also eine Balance zwischen Schutz und Erneuerung zu finden. Mit dem Natur Park Südgelände wird erst zum zweiten Mal ein Park in Deutschland mit dem renommierten Preis ausgezeichnet.
Christoph Schmidt, Geschäftsführer Grün Berlin: „Wir freuen uns sehr über die hochkarätige Auszeichnung des Carlo Scarpa Preises. Der langgestreckte Natur Park Südgelände steht nicht nur beispielhaft für die Umwandlung einer ehemaligen Berliner Bahnstrecke in einen Park. 1999 als dezentrales Projekt der EXPO 2000 in Hannover eröffnet ist das Schöneberger Südgelände eine Mischung aus wilder Natur, technischen Relikten und erlebbarer Kunst: ein Stück Stadtnatur, das untrennbar mit der politischen, sozialen und urbanen Geschichte Berlins verbunden ist.“
Dabei reicht der thematische Rahmen des Preises weit über das Gelände des Natur Park Südgelände hinaus: Das Parkgelände ist Teil eines inzwischen geschützten Biotopverbundes und bildet die Keimzelle eines zentralen Freiraumsystems, das über acht Kilometer, linear in nord-südlicher Richtung durch Berlin verläuft. Es vernetzt dabei stadthistorisch und stadtpolitisch wichtige Orte und Teilräume, bietet vielfältige Nutzungs- sowie Erholungsangebote und dient als rad- und fußgängerfreundliche Wegeverbindung.
Der 1999 eröffnete Natur Park befindet sich auf dem Areal des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof und wird durch die Grün Berlin entwickelt und bewirtschaftet. Nachdem der Bahnhof 1952 endgültig stillgelegt wurde, eroberte sich die Natur nach und nach die ehemaligen Gleise und Bahnhofsflächen zurück. Auf dem 18 Hektar großen Gelände verbinden sich die Elemente Technik, Kunst und Umwelt auf einzigartige und dynamische Weise: ehemalige Bahnanlagen neben künstlerischen Stahlkonstruktionen und wilder, robuster Natur. In dieser Umgebung konnte eine beachtliche Artenvielfalt entstehen, große Teile des Geländes wurden 1999 zum Landschafts- und Naturschutzgebiet erklärt. Gemeinsam mit dem Wasserturm und der Brückenmeisterei ist die knapp 5.000 Quadratmeter große Lokhalle Teil der denkmalgeschützten Gesamtanlage im Natur Park Südgelände. Aktuell erfolgt die denkmalgerechte Sanierung dieser mit dem Ziel des langfristigen Erhalts sowie einer parkverträglichen Umnutzung zum kulturellen Veranstaltungs- und Atelierstandort. An die frühere Nutzung erinnert auch die Dampflokomotive, die 1940 in der Fabrik Henschel in Kassel gebaut wurde. Sie stammt aus der Baureihe 50. Diese Baureihe war flexibel einsetzbar und relativ sparsam. Die im Natur Park Südgelände ausgestellte Lok wurde in der ehemaligen DDR weitergenutzt und in den 1980er-Jahren ausgemustert, anschließend diente sie als Heizlok. Nach der Wende kauften Berliner Eisenbahnfreunde die Lok.
Der 50 Meter hohe Wasserturm ist zweifellos der Höhepunkt des Parks. Er wurde 1927 gebaut und enthielt das Wasser, das für die Dampfloks benötigt wurde. Der Behälter fasste 400 Kubikmeter. Das Wasser wurde über Pumpen in den Behälter befördert, der im Turm ganz oben war. Über die Schwerkraft konnten bis zu zehn Schlepptender - ein Vorratswagen für die Brennstoffe und das Wasser, das die Lokomotiven benötigten, schnell befüllt werden. Der Wasserturm kann aus Sicherheitsgründen nicht besucht werden.
Ein weiteres Relikt aus Rangierbahnhofzeiten ist die Drehscheibe mit ihrem Durchmesser von 23 Metern. Sie ist eine der ältesten noch erhaltenen Lok-Drehscheiben in Deutschland.
Weitere Informationen: www.natur-park-suedgelaende.de
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