Erschienen in Lankwitz Journal Juni/Juli 2022
Im Jahr 1878 durch den Lehrer Karl Schrock aus Zehlendorf unter dem Vereinsnamen „Imkerverein Teltow und Umgebung“ gegründet, freut sich der 1936 in „Imkerverein Berlin-Lichterfelde (IVBL)“ umbenannte Verein schon heute auf seine 145-Jahrfeier im nächsten Jahr. Doch bis dahin gibt es für seine rund 50 überwiegend im Berliner Südwesten und in Teltow niedergelassenen Mitglieder und ihre 160 Bienenvölker noch viel zu tun, denn die Imkerei ist weitaus mehr als bloßes Honigschlecken. – Das steht erst am Ende eines jeden Bienenjahres und ist dann der süße Lohn der Bienen an ihre verantwortungsbewussten Heger.
An diesem sonnigen Morgen herrscht am Bienenstock von Christian Elo vor dem Flugloch emsiges Kommen und Gehen, es summt und brummt beruhigend, ein Geräusch, das nicht nur Imker zu schätzen wissen. „Schon manch gestresster Großstadtmensch hat hier neben meinen Bienenstöcken angesichts dieses entspannenden Geräusches wieder zu sich selbst gefunden“, verrät Elo, Schatzmeister des Vereins.
Die Frühjahrsblüher stehen in voller Pracht, die Obstbäume in seinem Garten sind erstes Ziel der Bienen, die einen anstrengenden Winter hinter sich haben: Die Kälte Ende Januar hat etliche Bienen-Völker der Vereinsmitglieder das Leben gekostet. Heute aber steht fleißiges Sammeln und Bestäuben an erster Stelle ihres Bienenalltags, so dass im Stock die Stimmung aufmerksam-gelassen ist, verstärkt durch einen in der Nähe beruhigend vor sich hin rauchenden Smoker. Daher kann die Autorin dieses Beitrages an diesem Tag auch ohne Schutzkleidung mit gezückter Kamera einen Blick in das Heiligtum der Bienen werfen, die den Besuch eher freundlich quittieren und sich auf einer Wabe sitzend sogar von ihr über die zarten Flügel streichen lassen (nicht zur Nachahmung empfohlen). Als wüssten sie, dass der neben „ihrem“ Imker Christian Elo ebenfalls anwesende 1. Vereinsvorsitzende Lutz Breddin und Schwarmfänger und Koordinator Hans Peter Otto genauestens aufpassten, dass ihnen nicht Böses geschieht. Und so entdeckt man bei dieser mittäglichen Inspektion dann auch gleich im Stock etliche ungeladene Gäste, die schon bald des Ortes verwiesen werden: Ameisen, die – von Fruchtzucker und der Gemütlichkeit des Holzes angezogen – beschlossen hatten, hier größer Staat zu machen.
In Christian Elos Garten ist die gelebte Philosophie des Imkerverein Berlin-Lichterfelde in jeder Ecke sichtbar: Insektenhotels, die mit kleinen Nischen und Röhren sicheren Rückzug vor Spinnen gewähren, Wildwuchs als geeigneter Lebensraum für Erdbienen und eine abwechslungsreiche Bienenweide ohne ausschließlich auf den Bedarf der summenden Honiglieferanten zugeschnittene Pflanzenwahl finden sich hier ebenso wie zeitgemäße Bienenhaltung, die auf Förderung der Zuchtmaßnahmen und des Wanderwesens setzt, dabei nie die Bekämpfung der tückischen Varroamilbe und Behandlung von Bienenkrankheiten außer Acht lässt.
„Unser Verein berät seine Mitglieder in allen fachlichen und wirtschaftlichen Fragen rund um die Bienenhaltung“, erklärt Hans Peter Otto, Urgestein unter den Vereinsimkern. Er ist es, der u. a. in der Kastanien-Grundschule – Vereinstreff der Lichterfelder Imker – potentielle kleine Imker und Imkerinnen von morgen mit allen Sinnen auf die Besonderheiten und den Reiz der Bienenhaltung aufmerksam macht, wobei das leckere Honigbrot am Ende einer Bienen-Schulstunde da nie fehlen darf. Otto weiß nicht nur zum Erntedankfest in der Kirche viele spannende Geschichten über die wichtigen Bestäuber zu erzählen. Stets bewahrt er die Ruhe, wenn ein vorwitziger, aber glücklicherweise friedlicher Schwarm zu nachtschlafender Zeit eingefangen werden muss. Ebenso einsatzbereit im Namen des Imkerverein Berlin-Lichterfelde ist er, wenn es gilt, ein Wespen- oder Hornissennest umzusetzen. Denn auch diese vom Menschen ob ihres Stachels eher mit Respekt betrachteten Individuen haben ihren festen und bedeutenden Platz in der Natur.
Längst ist es „Mode“, Bienen auf Hausdächern oder Balkonen zu halten. Manchmal ohne das notwendige Fachwissen, wie Vereinsvorsitzender Lutz Breddin nur zu gut weiß; handelt es sich doch schließlich bei der Bienenhaltung um eine Tierhaltung, die umfangreiche Fachkenntnis, Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zu kontinuierliche Pflege der Schützlinge voraussetzt. So kann auf einem sonnigen Hausdach ohne Schatten das Leben für ein rund 50.000 Bienen starkes Volk zum lebensverkürzenden Dauerstress werden, wenn es zum Kühlen des Stockes seine gesamte Energie aufbringen muss. Unter geeigneter Haltung aber kann es im Durchschnitt 40, in besonders guten Jahren sogar 80 Kilo Honig bringen.
Ein Bienenjahr beginnt mit dem Reinigungsflug der Bienen, bei dem sie – manchmal leider auch über der Wäscheleine – ihre Kotblase entleeren. Pollensammeln von Frühblühern wie Kornelkirsche und Krokus folgt, mit der Obstblüte der Bäume kommt dann der Nektar hinzu. In der Spätfrühlings- und Sommertracht finden die fleißigen Bestäuber dann eine reich blühende Pflanzenauswahl in Gärten, Parks und auf Balkonen. Es summt dann emsig um Lavendel, Thymian und Strauchbasilikum, den Bienenweide- und Umweltobmann Werner Wedell vom Imkerverband Berlin als langblühende Bienenweide auch auf der informativen Webseite des Imkerverein Berlin-Lichterfelde empfiehlt. Das süße Ergebnis wird nicht nur bei Christian Elo von Honigfreunden am liebsten gleich am Gartenzaun gekauft. Dass sie ein unbedenklicher Genuss erwartet, bestätigt der vom Länderinstitut für Bienenkunde (LIB) erstellte Prüfbefund für Honig: Für Elos goldbraunen Sommerhonig 2021 wurde so vom Institut ein einwandfreier Zustand bescheinigt, mit rund 33 unterschiedlichen Pollenarten nektarliefernder (darunter Linde, Raps, Wilder Wein, Brombeere und Edelkastanie) und nektarloser Pflanzen (z. B. Holunder). Honig und Wachsprodukte vom Imkerverein Berlin-Lichterfelde werden aber auch auf der Grünen Woche und auf dem jährlichen Erntefest der Domäne Dahlem angeboten. Den Weg hin zu einwandfreier Honigernte zu ebnen, auf Risiken und geeignete Voraussetzungen für eine nachhaltige Bienenhaltung hinzuweisen und noch unerfahrenen Imkern Hilfestellung zu leisten und zu vermitteln, sieht sich der Lichterfelder Imkerverein im Namen der Bienen in der Pflicht. Seminare und Vorträge, Beratungen und Betreuung füllen den Vereinsalltag, wobei auch immer wieder Schulen auf die fachkundige Beratung zurückgreifen. „Dabei geht es in erster Linie nicht darum, unseren Verein mit Mitgliedern zu füllen, sondern an der Imkerei interessierten Menschen einen Ort mit zuverlässigen Ansprechpartnern zu bieten. Wir sprechen aktive Menschen an, die sich mit der Aufzucht von Bienen im Sinne von Naturschutz und Nachhaltigkeit einbringen möchten, und helfen mit Rat und Tat beim Aufbau eines Bienenstandortes“, betont Vereinsvorsitzender Breddin. Jüngerer Nachwuchs ist – wie in vielen Berliner Vereinen – auch in Lichterfelde rar und daher besonders willkommen, liegt der Altersdurchschnitt der Vereinsmitglieder derzeit doch bei immerhin 59 Jahren.
Das Goethe-Gymnasium Lichterfelde, betreibt – begleitet vom Imkerverein Berlin-Lichterfelde und Goethe-Alumni Herrn Hans – nun schon im 7. Jahr auf einem vom Bezirk zur Verfügung gestellten Nachbargrundstück der Schule seinen „Bienenplatz“ mit Interessierten aller Jahrgangsstufen, wie Susanne Franz als Lehrkraft und begeisterte Bienen-AG-Betreuerin erklärt. Die fleißigen Tierchen, deren Königin im Frühjahr täglich rund 2.000 Eier legt, lernen die Schüler einerseits als wichtige Bestäuber und Honiglieferanten kennen, lernen andererseits dabei aber auch, Verantwortung zu tragen. Denn selbst in den Ferien muss regelmäßig nach den Bienen geschaut werden.
Derzeit imkern zehn SchülerInnen unter der Aufsicht von drei Lehrkräften, auch wenn winterbedingt in diesem Jahr von vier Bienen-Völkern nur ein Volk überlebt hat. Aus dem überlebten Volk will die AG nun Ableger ziehen. 2020 hatte es immerhin einen Honigertrag von rund 35 Kilo gegeben. Die Erlöse aus dem Goethe-Honig-Verkauf kommen dem Verein der Freunde zugute, der diese AG ermöglicht hat. Und der Ertrag der Bienen-AG-Teilnehmenden? Hoffentlich viele begeisterte Imker von morgen.
Der Imkerverein Berlin-Lichterfelde hat sich zur Aufgabe gemacht, jährlich Projekte, die sich nachhaltig mit dem Thema Bienen befassen, zu fördern. Besonders stolz ist er auf einen ganz besonderen Brief, der ihn 2020 aus Kenia erreichte. Darin bedankt sich Dr. Lucy King, Gründerin der Organisation „Elephants&Bees“, für die finanzielle Unterstützung durch den Verein und schreibt: …Ihr Geschenk geht direkt an unsere Bemühungen vor Ort. Mit Ihrer Unterstützung können wir Gemeinschaften davon überzeugen, Elefanten nicht als Ärgernis zu betrachten, sondern als wunderbare Kreaturen, für die wir alles in unserer Macht Stehende tun sollten, um sie zu schützen…
„Elephants&Bees“ installiert seit 2006 in 19 Ländern in Afrika und Asien mit Hilfe von „Bienenvölkerzäunen“ sehr erfolgreich ein umweltfreundliches Abschreckungsmittel.
Wenn sich Elefanten und landwirtschaftliche Flächen bzw. menschlicher Lebensraum überschneiden, nehmen die Konflikte zwischen Menschen und Elefanten zu. Dr. Lucy King erforscht die Verwendung von Honigbienen als natürliche Abschreckung für pflanzenraubende Elefanten, da diese sich vor dem Summen und Stichen der Bienen fürchten und flüchten. Der erwirtschaftete Honig stellt den Landwirten eine zusätzliche Einkommensquelle dar. Die Spende des Imkerverein Berlin-Lichterfelde geht direkt an das Team vor Ort und wird für die Aufstellung der Bienenkästen und für die Ausbildung der Farmer zu Imkern verwendet. Sie hilft, Elefanten nicht als Ärgernis zu betrachten, sondern als wunderbare Lebewesen, die mit Hilfe von Bienen geschützt werden können.
Weitere Informationen unter www.imkerverein-berlin-lichterfelde.de und www.elephantsandbees.com
Jacqueline Lorenz
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