Gazette Verbrauchermagazin

Integration und Partizipation im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juli 2022

Wie kann die Verwaltung Integration und Partizipation im Bezirk fördern? Im Folgenden nehmen die Fraktionen der BVV zu diesem Thema Stellung.

B‘90/Grünen-Fraktion

„Weltoffenes Berlin – chancengerechte Verwaltung“, lautet ein vom Berliner Senat 2019 gesetztes Leitbild. Mit über 40 Prozent Einwohner*innen mit migrantischem Hintergrund ist unser Bezirk diesem Anspruch mehr als gerecht geworden. Leuchttürme wie das Haus Pangea, die Ulme35 oder der Thai-Streetfoodmarkt und das Haus der Nachbarschaft beweisen dies eindeutig. Dank zivilgesellschaftlicher Akteure leben Orte und Institutionen, deren interkulturellen Projekte tragende Säulen für die Integration unserer bunten Vielfalt sind. Unsere wertschätzende Verwaltungskultur, die Chancengerechtigkeit ebenso fördert wie Teilhabe, eine Willkommenskultur und Barrierefreiheit, bezieht alle und jede*n mit ein. Nur mit Hilfe des Integrationsfonds ist es dem Integrationsbüro möglich, diese Strukturen, die auch einem stetigen Wandel unterliegen, aufrecht zu erhalten und so einen sinnvollen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Leider ist die aktuelle, von Krisen gezeichnete Situation bereits bis in die Finanzkassen des Senats vorgedrungen, sodass es einer besonderen Strategie bedarf, um alle Prozesse und Bemühungen aufrechtzuerhalten.

Jutta Boden

SPD-Fraktion

Um die Integration und Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte zu fördern, sollte die Verwaltung ihr Handeln intern und extern verbessern. Intern sollte die Verwaltung für Menschen, deren familiäre Wurzeln im Ausland liegen, durchlässiger werden, was als Interkulturelle Öffnung der Verwaltung bezeichnet wird. Der Öffentliche Dienst muss für Menschen mit Migrationsgeschichte zugänglicher gemacht werden, durch Sensibilisierung bei der Personalentwicklung einerseits und durch diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren andererseits. Extern sollte die Verwaltung bürokratische Hürden abbauen. Der Nachweis von Abschlüssen muss erleichtert und Einbürgerungen dürfen nicht verzögert werden. Aktuell werden Einbürgerungsanträge nur persönlich ausgehändigt, bei Wartezeiten bis zu einem Jahr. Nach Erhalt der Unterlagen müssen etliche Dokumente zusammengetragen und erst dann kann der Antrag eingereicht werden. Erst dann beginnt das eigentliche Einbürgerungsverfahren. Die SPD-Fraktion in der BVV setzt sich dafür ein, das Verfahren zu beschleunigen, indem die Unterlagen bereits digital zur Verfügung gestellt werden. Außerdem macht sich die SPD-Fraktion stark für die Förderung bestehender und neuer Integrationsprojekte.

Timur Sarić

CDU-Fraktion

Die gesellschaftliche Teilhabe auf kommunaler Ebene spielt sich in fast allen Lebensbereichen ab, auf dem Arbeitsmarkt, bei Bildung und Sozialem, in der Wirtschaft und bei der politischen Partizipation. Kommunale Politik ist hierbei in besonderer Weise gefordert, öffentliche Verwaltung kann nur den bestmöglichen Gestaltungsrahmen bieten und muss sich an Indikatoren wie der rechtlichen Integration, der Integration im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt auf dem Wohnungsmarkt messen lassen. Die Möglichkeit, sich beteiligen zu können, ohne sich beteiligen zu müssen, steht hierbei in unterschiedlicher Weise zur Verfügung, bis hin zum kommunalen Wahlrecht für EU-Ausländer. In gleicher Weise, wie Angebote zur Integration gemacht und diese auch genutzt werden, sollte die Gesellschaft bereit sein und die Verwaltung es fördern, dass hierher Gezogene ein Stück ihrer kulturellen Identität mit einbringen können. Der Abbau struktureller und institutioneller Barrieren, Angebote der Erwachsenenbildung bis hin zur Unterstützung beim Aufbau sozialer und integrativer Netzwerke sind aus Sicht der CDU-Fraktion erste, notwendige Schritte, die die Verwaltung mit vergleichsweise einfachen Mitteln umsetzen kann.

Manuel Sandvoß

FDP-Fraktion

Eine mögliche Antwort lautet, z. B. durch Vergleich mit anderen Städten und Ausweitung von Städtepartnerschaften. Der Istanbuler Bezirk Sisli, Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei entwickelte in Sisli die Pläne für die moderne Republik, gehört heute zu den attraktivsten Wohn- und Einkaufsvierteln Istanbuls. Chancen und Risiken bezüglich Verwaltung, Verkehr, Jugend, soziale Projekte und Migration sind bezüglich Dimension und Intensität mit Charlottenburg-Wilmersdorf vergleichbar. Einfach unangemeldet auf das Amt gehen und eine Woche später den Personalausweis mitnehmen, aber auch interkultureller Austausch der Religionsgruppen fand u. a. die Beachtung der Berliner Bezirksdelegation 2021. Der türkische Bürgermeister, M. Keskin (CHP), der in seinem Amt sogar das Channukka-Fest aktiv bewirbt, stets den Umgang mit Minderheiten pflegt, verdient eine Intensivierung der Beziehung, hin zu einer Städtepartnerschaft. Beide Bezirke könnten bei Bewältigung vergleichbarer Chancen und Risiken voneinander lernen! Die Türkisch-Deutsche Unternehmervereinigung fördert diese Partnerschaft. Innerhalb der BVV bremsen Bürgermeisterin Bauch, ihre grüne Fraktion und die CDU diesen Ausbau zur Städtepartnerschaft, wohingegen alle anderen Fraktionen aus guten Gründen den FDP-Antrag unterstützen. Internationale Zusammenarbeit fördert auch die Integration vor Ort.

Christian M. Schuchert

Linksfraktion

Über 35 Prozent der Berliner:innen haben Migrationserfahrung. Diese Vielfalt macht die Stadt und den Bezirk aus! Doch der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben stehen viele Hürden und strukturelle Diskriminierung entgegen, auch in der Verwaltung. Die vielfältige Stadt spiegelt sich hier nicht wider: nur 12 Prozent im öffentlichen Dienst haben Migrationsgeschichte.

Damit die Berliner Verwaltung vielfältiger wird und die Berliner Realitäten im Personal abbildet, hat die LINKE Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales das neue Partizipationsgesetz auf den Weg gebracht. Für mehr Sichtbarkeit und Repräsentanz in der Verwaltung und eine stärkere politische Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte.

Dies muss auch im Bezirk gelten. Nur finanziell und personell gut ausgestattete Integrationsbüros können Zuwanderer:innen beim Ankommen unterstützen und alte und neue Nachbar:innen zusammenbringen. Um allen zu uns Geflüchteten Schutz und Perspektiven zu bieten, fordern wir vom Bezirksamt die Einstellung weiterer Sprachmittler:innen, die sowohl Ankommende als auch Verwaltungsmitarbeitende beim Verstehen der fremden Sprache und beim Ankommen im Alltag unterstützen.

Frederike-Sophie Gronde-Brunner

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