Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf August 2022
Praktische Ergänzung zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch Stolperfalle auf dem Gehweg – die E-Scooter gehören mittlerweile an vielen Orten zum Straßenbild. Wie kann gegen Behinderung von Passanten durch wildes Abstellen der E-Scooter am besten vorgegangen werden? Im Folgenden nehmen die Fraktionen der BVV zu diesem Thema Stellung.
Im Stadtbild kennen wir sie seit ein paar Jahren – elektrisch motorisierte Roller, auch E-Roller oder E-Scooter genannt, die mit einer App der Anbieter oder BVG-Jelbi ausgeliehen werden können. Manche kennen sie hauptsächlich als Hindernis oder als schnelle Überraschung auf dem Gehweg. Andere nutzen sie gerne für kurze Wege, die nicht durch Bus oder Bahn abgedeckt werden, bei Fuß-Beschwerden oder wenn es einmal schneller gehen soll als zu Fuß möglich.
E-Roller können als gemeinsam nutzbares Verkehrsmittel, individuelle Routen ermöglichen, die nicht durch Buslinien abgedeckt werden. Sie stellen so eine gute Ergänzung des ÖPNV dar. Ihr Verbrauch an öffentlichem Raum und Energie ist deutlich geringer als der eines privaten Pkw.
Durch eigene Abstellflächen am Fahrbahnrand kann einer Verkehrsbehinderung auf den Gehwegen vorgebeugt werden. Der Bezirk sollte zusätzlich die Möglichkeit haben, Leih-E-Roller kostenpflichtig umzusetzen. Hier ist unser Antrag in der BVV dazu: https://tinyurl.com/y296n9vd. Abstellflächen neben U- und S-Bahnstationen ermöglichen einen leichten Umstieg zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln. In Tempo-30-Zonen können E-Roller problemlos auf der Straße genutzt werden.
Corinna Balkow
E-Scooter können eine sinnvolle Ergänzung für den Umweltverbund sein. Was bisher fehlt sind allerdings konkrete Regelungen, um zum Beispiel das wilde Abstellen zu verhindern und damit auch die Sicherheit für andere zu erhöhen. Dazu gehört auch, dass Sharing-Angebote nur noch auf ausgewiesenen Flächen abgestellt werden dürfen. In Lichtenberg wurde gerade genau solch eine Vereinbarung mit einem Anbieter dazu erzielt. Dies sollte von unserem Bezirksamt aufgegriffen werden. Auch die Ausweitung des Angebots auf die Gegend rund um den Halemweg oder Teile von Westend, Schmargendorf und Grunewald sollten dabei im Gegenzug für sichere Parkflächen verhandelt werden. Insbesondere in den Gebieten außerhalb des S-Bahn-Rings sind solche Angebote sinnvoll für eine schnelle Verbindung. Mit einer ausreichenden Anzahl an Abstellflächen für E-Scooter, Fahrräder und Lastenräder sowie gut ausgebauten Radwegen können Sharing-Angebote optimal den öffentlichen Nahverkehr ergänzen und so auch Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen vermeiden. Der Fokus sollte daher darauf liegen, E-Scooter und andere Formen besser zu integrieren und die dringend benötigte Infrastruktur auf- und auszubauen.
Alexander Sempf
Nicht die E-Scooter sind das Problem, sondern deren Nutzer und leider auch die Betreiber. Es ist weder dem Senat noch den Bezirken gelungen, das damit einhergehende Chaos in den Griff zu bekommen. Statt zu einer ökologischen Alternative zum Auto hat sich der E-Scooter vielerorts zu einem reinen Spaßmobil für Nutzer entwickelt, welche sich nicht an die Regeln halten. E-Scooter liegen oder stehen fast überall wahllos herum, behindern und gefährden Fußgänger und vor allem Menschen mit Beeinträchtigungen. Durch oft missbräuchliche Nutzung sind sie risikoreich für Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer, ersetzen oft nicht das Auto, eher das Rad. Dazu kommen Fahrten mit Kleinlastern, um die E-Scooter einzusammeln oder die Akkus zu wechseln. Ein Konzept mit klaren Regeln für die E-Scooter muss her und umgesetzt werden! Die CDU-Fraktion hat sich dem Thema schon lange gewidmet und fordert das Bezirksamt erneut zum Handeln auf: Straßenbenutzungsgebühr je E-Scooter sowie hohe Bußgelder für die Betreiber bei fortgesetzten Verstößen durch Nutzer, dazu Parkzonen, in denen ausschließlich E-Scooter abgestellt werden können. Ganz drastisch: Falsch abgestellte E-Scooter sollen dauerhaft eingezogen und gebührenpflichtig entsorgt werden!
Karsten Sell
Wie viele Neuerungen erhitzt auch der E-Roller die Gemüter. Achtlos abgestellte Roller versperren Fußgängern und Radfahrern oftmals den Weg. Gerade dadurch, dass diese zumeist als Sharing-Angebot genutzt werden, ist ein sorgsames Abstellen des Leihrollers für viele scheinbar nicht die oberste Priorität. Auf der anderen Seite bieten sie eine dezentrale und individuelle Mobilität, die gerade deshalb so attraktiv ist, weil man sie überall abstellen kann. Die Roller können dabei, ähnlich wie bei Motorrädern, Flächenpotentiale heben, die sonst ungenutzt blieben. Auf den meisten Gehwegen gib es ein paar Ecken, wo man einen E-Roller abstellen könnte, ohne dass dieser jemanden stört. Die Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Roller tatsächlich dort abgestellt werden. Wenn man den Sharing-Unternehmen mit entsprechend deutlichen Strafandrohungen und verstärkten Kontrollen dazu anreizt, ihren Kunden ordentliches Abstellen abzuverlangen, wird sich das Problem deutlich verbessern. Auf Unternehmensseite sind dort Maßnahmen wie zwingende Bilder des Abstellorts denkbar. Auch als Rückversicherung für die Unternehmen selbst, denn für von Dritten umhergeschmissene Roller sollte man die Unternehmen nicht haftbar machen.
Tobias Bergmann
Klare Antwort: Die von vermeintlich grünen Tech-Konzernen über Nacht massenweise in Großstädten ausgekippten E-Scooter sind keine ökologische Alternative zum Auto, wie sie Deutschlands damaliger Verkehrsminister „Andi“ Scheuer (CSU) 2019 ankündigte. Untersuchungen zeigen, dass sie in der Stadt nicht das Auto, sondern vor allem Fahrten ersetzen, die zuvor klimaschonend und kostengünstig per Bus und Bahn, Fahrrad oder zu Fuß erledigt wurden. Die Herstellung der Akkus verbraucht seltene Ressourcen und ihre Entsorgung ist extrem umweltschädlich. Die Verteilung auf Gehwegen erfolgt durch schlecht bezahlte Subunternehmer:innen mit miesen Arbeitsbedingungen in alten Dieselfahrzeugen. Besagter Katastrophen-Minister verzichtete darauf, Verteilung und Nutzung von E-Scootern staatlich zu reglementieren und ließ die Kommunen allein mit dem Problem von massenweise zugestellten Geh- und Radwegen.
Der rot-grün-rote Berliner Senat handelt daher auf eigene Faust: Ab September gilt ein überarbeitetes Straßengesetz, welches den Bezirken die Ausweisung fester Abstellflächen auf bisherigen Kfz-Stellflächen und Abstellverbote ermöglicht. Vom Bezirk fordern wir, dass solche Abstellflächen bereits jetzt vorbereitet und schnell umgesetzt werden.
Frederike-Sophie Gronde-Brunner
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023