Erschienen in Gazette Charlottenburg August 2022
Von den mehr als 20.000 Sammlungsobjekten des Bröhan-Museums stammen nur etwa 1.500 von Frauen – rund 7,5 Prozent. Den knapp 1.000 männlichen Künstlern der Sammlung stehen 99 Künstlerinnen gegenüber. Was sind die Gründe für dieses Ungleichgewicht? Und wer waren diejenigen, die sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert trotz aller Widrigkeiten für eine Laufbahn als Künstlerin oder Designerin entschieden?
Ausgehend von diesen Fragen widmet sich das Bröhan-Museum erstmals speziell den Künstlerinnen der Sammlung: Malerinnen und Grafikerinnen der Berliner Secession wie Maria Slavona, Julie Wolfthorn und Käthe Kollwitz, Künstlerinnen der Wiener Werkstätte wie Vally Wieselthier und Hilda Jesser, Bildhauerinnen wie Chana Orloff, Keramikerinnen wie Margarete Heymann-Loebenstein und Ursula Fesca, außerdem Silberschmiedinnen, Glaskünstlerinnen, Möbel-, Porzellan- und Textildesignerinnen. Die Ausstellung zeichnet die vielfältigen Werke und Biografien dieser Künstlerinnen nach und verdeutlicht dabei ihre entscheidenden Beiträge zur europäischen Kunst- und Designentwicklung. In einem Kunstbetrieb, der Kreativität und Schöpferkraft als vorrangig männliche Eigenschaften definierte und Frauen bestenfalls dekorative Talente zubilligte, sind diese Leistungen umso beachtlicher – zumal viele von ihnen als Frauen und Jüdinnen sogar intersektionale Benachteiligung erfuhren.
Die Schau, die neben zahlreichen Werken aus der Sammlung auch ausgewählte Leihgaben zeigt, ermöglicht eine neue Perspektive auf weibliche Gestaltung zwischen 1880 und 1940. Anhand von reich illustrierten Biografien sowie rund 300 Exponaten wird ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Lebenswege und künstlerischer Leistungen deutlich. Gemälde und Skulpturen, Designobjekte und Möbelstücke werden in ihrem zeitgenössischen Kontext präsentiert. Dadurch gibt die Ausstellung Einblicke in die Genderdebatten der Jahrhundertwende und erörtert darüber hinaus ausschlaggebende gesellschaftliche Fragen, die sich auf das Leben der Künstlerinnen auswirkten: Inwieweit hatten Frauen Zugang zu künstlerischen Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsnetzwerken? Welche Erwartungen und Ansprüche gab es in Bezug auf ihre häuslichen und gewerblichen Tätigkeiten? Welche Strategien entwickelten Künstlerinnen, um mit Widrigkeiten umzugehen oder auch längerfristig zur Akzeptanz von Frauen in künstlerischen Berufen beizutragen?
Neben der historischen Betrachtung wirft die Schau auch einen Blick in die Gegenwart und reflektiert über heute wie damals relevante Themen – wie zum Beispiel Mutterschaft, Care-Arbeit oder den Gender Pay Gap. Außerdem lädt die Ausstellung zum Austausch und gemeinsamen Nachdenken ein: So entsteht in einem interaktiven Raum im Laufe der Ausstellung ein begehbares Künstlerinnen-Lexikon.
Die Ausstellung wird bis zum 4. September im Bröhan-Museum, Schloßstraße 1 a, 14059 Berlin gezeigt. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr sowie an Feiertagen. Weitere Informationen unter www.broehan-museum.de
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