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Das Interkulturelle Haus in Schöneberg

Transversaler Ort der Begegnung für die Menschen im Bezirk

Tambores Verdes, bunte Percussionsgruppe aus dem IKH, bringt nicht nur zum Sommerfest gute Stimmung und Menschen zusammen. Foto: Max Meier
Tambores Verdes, bunte Percussionsgruppe aus dem IKH, bringt nicht nur zum Sommerfest gute Stimmung und Menschen zusammen. Foto: Max Meier
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau August 2022
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Das rote Haus in der Geßlerstraße 11 hat während der letzten 25 Jahre schon viele Menschen gesehen und öffnet ihnen weit die Tür: Junge und ältere, hell- und dunkelhäutige, Queere, Transgender, Menschen mit Behinderung, Männer, Frauen und Kinder verschiedener Kulturen, Zugezogene und Einheimische – sie alle sind hier im Interkulturellen Haus (IKH) willkommen. Oberster Grundgedanke dabei ist, Menschen aus dem Bezirk miteinander in Kontakt kommen zu lassen und im IKH einen bunten Raum der Begegnung zu bieten, in dem Interkulturalität sowohl durch die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen im Haus als auch durch ihre inhaltliche Ausrichtung respektvoll gelebt wird. – Und das nicht nur im jeweils eigenen Gruppenverband, sondern darüber hinaus auch mit möglichst vielen Mitgliedern anderer Gruppen, die im Haus ihr Angebot vorstellen, sowie mit deutschen Nachbarn. Empathischer und kompetenter Begleiter dieses spannenden Grundgedankens ist auf der vom Bezirksamt neu geschaffenen Leitungsstelle seit November 2020 Dr. Max Meier. Mit ihm hat erstmals ein Mitarbeiter des Bezirksamts diese Position im IKH inne. Für Berlin herausragend in seiner Konstellation ist das Haus außerdem, da es unter direkter Trägerschaft des Bezirksamtes in Verbindung mit temporärer und kostenfreier Nutzung von Räumen für „multikulturelle“ Gruppen steht. „Im Vordergrund sollen dabei generationsübergreifende, offene und niedrigschwellige Beratungs-, Bildungs- und Kulturangebote für Menschen jeder Herkunft und jeder Altersgruppe stehen“, erklärt Dr. Meier. Mit dem Neustart der Hausaktivitäten nach Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen will er als Leiter das Haus und die Möglichkeit, darin Räume kostenfrei und zeitweilig zu nutzen, im Bezirk verstärkt bekannt machen, um die restlichen offenen Zeitfenster vergeben zu können. Gerade tagsüber bestehen noch Möglichkeiten, da mehrere der Einzelräume zur zeitgleichen Nutzung angeboten werden. Nutzungsverträge für einen bestimmten Tag und ein Zeitfenster werden für 1/2 bis 1 Jahr (mit Option auf Verlängerung) abgeschlossen, sodass die Gruppen ohne dauernden Terminwechsel ihre Aktivitäten immer am selben Tag zur selben Uhrzeit durchführen können. Laut Nutzungskonzept haben Gruppen, Vereine und Initiativen aus dem Bereich Migrant_innen-Selbstorganisationen, Integration/Inklusion, Arbeit mit Geflüchteten und migrationspolitische Arbeit aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg Vorrang für eine kostenfreie Nutzung der Räume des Hauses, soweit ihre Angebote nicht kommerziell sondern partizipativ sind. Kommen sie aus anderen Stadtteilen, sind sie nach Berücksichtigung der Bedarfe aus Tempelhof-Schöneberg ebenso willkommen, müssen aber zumindest in diesem Bezirk tätig sein oder den Nachbarn ein offenes Angebot bieten.

Der erfolgreiche Weg zum interkulturellen Begegnungsort

Die Grundlage für das IKH als offenen Begegnungsort legte eigentlich bereits im Jahr 1989 die damalige „Ausländerbeauftragte“ in Schöneberg, Emine Demirbüken-Wegner, auf deren Initiative hin die „Schöneberger Arbeitsgemeinschaft der Imigranten- und Flüchtlingsprojekte“ (SAGIF) gegründet worden war, in der themenbezogen agierende Vereine im Bezirk die Möglichkeit zu Austausch, Kooperation, aber auch zur besseren Zusammenarbeit mit der Bezirksverwaltung geboten bekamen. Nach siebenjährigen, intensiv von Frau Demirbüken-Wegner unterstützten Bemühungen um ein passendes Haus, wurde 1997 in der Geßlerstraße 11 das Gebäude der ehemaligen Säuglingsfürsorge gefunden, in dem für eine gewisse Zeit auch der Schulzahnarzt seinen Standort hatte. Die damalige Bezirksbürgermeisterin Ziemer und Stadtrat Lawrentz überließen das Haus verschiedenen Vereinen zu erschwinglicher Miete. 1997 schließlich fand die feierliche Eröffnung dieses damals landesweit einzigartigen Interkulturellen Hauses statt. Fünf Vereinen bot es Aktionsraum: Ausländer mit uns e. V., Assyrische Union Berlin e. V. und Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime e. V. (beide inzwischen nicht mehr im Haus), Verein Koreanischer Krankenschwestern, -pfleger sowie -pflegehelferinnen und -helfer Berlin e. V. und der Baseball- und Softballverband Berlin/Brandenburg e. V. Daneben stand es täglich Familien, Einzelpersonen, Kindern und Jugendlichen unterschiedlichster ethnischer, kultureller oder religiöser Zugehörigkeit offen. Gleichzeitig wurde das IKH auch zum festen Sitz und Aktionsraum vom überbezirklich hochengagierten „SAGIF“, das nach der Bezirksfusion mit Tempelhof in „T-SAGIF“ umbenannt wurde und von Anfang an erfolgreich koordiniert wird von Tamara Siebenmorgen-Koch von „Ausländer mit uns – Verein zur Förderung interkultureller Begegnungen e. V.“ Sie leitete auch das IKH bis Oktober 2020. Bis heute werden in dem Haus mit den kooperierenden Vereinen und der Bezirksverwaltung als Partner neue Integrationsprojekte entwickelt.

Interkulturelles Haus auf drei Säulen

Mit dem erfahrenen Kulturmanager Dr. Meier hat das IKH seit Ende 2020 einen erfahrenen Mitstreiter mehr an seiner Seite: Aus der kulturellen Belebung fast vergessener Altbauten in Madrid bringt er jahrelange vor-Ort-Erfahrung mit und steckt diese nun voller spürbarer Begeisterung und mit viel Leidenschaft in die Weiterentwicklung seiner neuen Berliner Wirkungsstätte im Interkulturellen Haus, das er stabil auf die drei Säulen Beratung – Bildung – Kultur mit ihren von den verschiedenen Gruppen selbstgestalteten Angeboten gestellt sehen will. Dafür bieten zehn Räume, eine Küche und der Gartenbereich am Haus reichlich geschützten Entfaltungsraum, in dem ökologische Nachhaltigkeit großgeschrieben wird und der bezirkliche Klimabeauftragte ein Wörtchen mitzureden hat.

„Ein offenes Haus muss auch nach außen transparent und einladend sein“, erklärt der neue Leiter Dr. Meier und hat in nur kurzer Zeit schon vieles dahingehend verändert: Gemeinsam mit einem feinfühligen Facilitymanagement konnte dem Innenbereich eine harmonische Farbgebung in Dunkelrot/Grau gegeben werden, notwendige Reparatur- und Reinigungsarbeiten fanden statt, die sanitären Anlagen wurden überholt. Das Ganze entwickelte sich so in kürzester Zeit zu einer Begegnungsstätte, die man gerne aufsucht und die dank Rampe auch Menschen mit Behinderung eine Teilhabe und Gleichberechtigung erlaubt, wenngleich das IKH in dieser Richtung durchaus technisch ausbaufähig ist. Ein moderner Raum zum Chillen, Spielen oder Lesen richtet sich an Kinder und Jugendliche, die hier ihr eigenes Ding machen können, wenn Angehörige zum Beratungsgespräch oder aktiv im Bildungs- oder Kreativkurs beschäftigt sind. Die vielen kleineren, noch von der Nutzung als medizinische Untersuchungszimmer herstammenden Einzelräume sähe Meier gerne durch das vereinzelte Herausnehmen von Zwischenwänden erweitert. Wechselausstellungen sind geplant, die Bilderleisten hängen schon. Auch am äußeren Erscheinungsbild des IKH gibt es einiges zu verbessern. Die noch für dieses Jahr geplante zeitgemäße Neugestaltung der Außenfassade, die mit ihrem von der Jugendkunstschule 1997 gestalteten und inzwischen recht mitgenommenen Wandbild nicht mehr zeitgemäß scheint, soll möglichst alle Nachbarn ansprechen und deren Vorschläge miteinfließen lassen. Eine erste Auffrischung erfolgte bereits durch das beeindruckende Piktogramm der Gruppe Migrantas e. V.

Viele Pläne hat Dr. Meier im Kopf und passt damit gut in dies kreative Umfeld. Im Herbst will er vorausschauend weitere Berliner interkulturelle Häuser und Institutionen zum „Austausch-Gipfel“ zusammenbringen – für eine nachhaltige Zukunft und Kooperation dieser Einrichtungen.

Gesellschaftlich nachhaltig

Auch eine Neukonzeption der Verschenke-Boxen im Außenbereich steht an, die gut Erhaltenes zum Mitnehmen oder Tauschen bergen. – Für sie ehrenamtliche „Kümmerer“ zu finden, die für Ordnung sorgen, ist nicht nur ein großer Wunsch Max Meiers.

Im seit Mai 2021 entstandenen interkulturellen Garten, bei dem alle Interessierten mitgärtnern können, wächst und reift es indessen. Der zweite kleine Therapie-Garten zum Sportplatz hin wird seit diesem April von Geflüchteten aufgebaut, die von Xenion – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e. V. betreut werden und Mithilfe von Nachbarn aus dem Kiez erhalten. Wo Gestrüpp wucherte, blühen jetzt Blumen und reifen Gemüse, ein Hochbeet entstand aus Spendengeldern und bietet nun einen geschützten Raum für Menschen mit Fluchterfahrung – auch ohne Sprachkenntnisse. Interessierte sind mittwochs um 17 Uhr herzlich willkommen.

Auch zahlreiche Volkshochschul-Kurse laden ins Interkulturelle Haus: vom Deutschkurs für Geflüchtete A1.1 und A1.2 über Theater-Sprach-Labor und Mandala bis zur Stoff- und Seidenmalerei für Eltern mit Kindern sowie Acrylmalerei für Fortgeschrittene, Aquarellmalerei und Collage. Seit 2010 sind die Malereikurse von Ayda Çatak fester Teil der Bildungsangebote des IKH. Träger der Kurse ist die Volkshochschule des Bezirks Tempelhof-Schöneberg.

Das Interkulturelle Haus seid Ihr!

Auch wenn in den vergangenen 25 Jahren im IKH vieles erfolgreich war:

Damit Austausch, Netzwerkarbeit und Begegnung hier weiter funktionieren und ausgebaut werden können, bedarf es vieler Interessenten und Beteiligter, die sich ein Projekt ausdenken, in bestehenden Gruppen mitmachen und mit ihrer Initiative ins IKH kommen.

Auch das Café Interkulturell als Begegnungs- und Beratungsort soll noch in diesem Jahr wiederbelebt werden. Wer Lust hat mitzumachen, bitte melden unter info@ikhberlin.de Erst einmal aber lädt das Sommerfest mit dem „Tag der offenen Tür“ am 27. August 2022 von 12 bis 20 Uhr in das Interkulturelle Haus. Hierbei stellen sich die verschiedenen Gruppen mit kulinarischem Angebot, Live-Musik aus vier Kontinenten sowie mit Kunst- und Mitmachaktionen für Jung und Alt vor.

Weitere Informationen unter www.ikhberlin.de

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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