Erschienen in Lichterfelde West Journal Oktober/November 2022
Maria Lassnig (1919–2014), gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Ihr Werk besteht vor allem aus Selbstporträts. Diese generieren sich mehrheitlich gerade nicht aus einem sorgfältigen Beobachten des Spiegelbildes oder aus Selbstbildern in der Imagination und aus dem Gedächtnis, sondern – und eben daraus gewinnen sie ihre Singularität – aus dem Körperempfinden. Maria Lassnig spürt ihrem körperlichen Erleben nach und übersetzt das Bewusstsein des eigenen Körpers in Bilder. „Bei diesen Köpergefühlsbildern muss ich von Anfang an gegen Erinnerungsbilder kämpfen. Ich lösche – vom Spiegel gar nicht zu reden – das Erinnerungsbild als Hindernis aus. Damit man ein ganz reines Körpergefühl wahrnimmt, muss man die Erinnerung ausschalten“ (Maria Lassnig). Der Empfindungsrealität folgt auch die Palette – es sind Bedeutungsfarben: „Die Entscheidung für die Farbe fällt ebenso wie die für die Form: willkürlich. Das heißt aber nicht ‚egal‘, sondern es ist mein Wille, ich kämpfe darum. Es ist nicht von etwas abhängig, was schon vorhanden ist. Es ist meine Entscheidung. (…) Die Stirne bekommt eine Gedankenfarbe, die Nase eine Geruchsfarbe, Arme und Beine Fleischdeckenfarbe; es gibt Schmerzfarben und Qualfarben, Druck- und Völlefarben, Streck- und Pressfarben, Höhlungs- und Wölbungsfarben, Quetsch- und Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben, Krebsangstfarben – das alles sind Wirklichkeitsfarben“ (Maria Lassnig). Die Malereien in der Ausstellung, die Sesselselbstporträts und die von ihr selbst so bezeichneten Monster-Bilder, aus den für ihre Entwicklung so entscheidenden 1960er-Jahren machen dies unmittelbar anschaulich.
Die Exponate stammen der Sammlung Klewan. 1981 zeigte der Kunstsammler Helmut Klewan die erste Lassnig-Ausstellung in seiner damaligen Münchener Galerie. „Dreißig Jahre Freundschaft mit Maria Lassnig waren wie ein Kampf. Man musste ihr jedes Bild abschwatzen. Ölbilder hat sie mir lieber in Kommission gegeben, als dass sie sie verkauft hätte. Das Bewusstsein, ein Bild nicht mehr zurückzubekommen, war für sie unerträglich. Zum Glück ist sie fast 95 geworden und hat ihren Weltruhm noch erlebt“ (Helmut Klewan).
Die Ausstellung ist bis zum 26. Februar 2023 im Gutshaus Steglitz, Schloßstraße 48 zu sehen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.
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