Gazette Verbrauchermagazin

Großstadt seit 130 Jahren

1893 hatte Charlottenburg 100.000 Einwohner

Bebauung der Stadt Charlottenburg bis zum Jahr 1905.
Bebauung der Stadt Charlottenburg bis zum Jahr 1905.
Erschienen in Gazette Charlottenburg Januar 2023
Anzeige
MarkisenABE-Minuth GmbH

Der Weg zu den Stadtrechten war kurz – bereits 1705 wurden diese der kleinen Siedlung gegenüber dem 1699 errichteten Schloss verliehen. Ursprünglich nutzte Kurfürstin Sophie Charlotte – ab 1701 die erste preußische Königin – „Schloss Lietzenburg“ als Sommerschloss. Doch nach und nach wurde es zu einem repräsentativen Bau, der auch im Winter bewohnt werden konnte. 1705 starb Königin Sophie Charlotte. Ihr trauernder Gemahl benannte Lietzenburg um – in Charlottenburg. Nahe dem Schloss entwickelte sich eine kleine Residenzstadt, in die das nahe Dorf Lietzow eingemeindet wurde.

Kleine Residenzstadt

Sophie Charlottes Sohn Friedrich Wilhelm I. versuchte, der kleinen Residenzstadt Charlottenburg die Stadtrechte wieder zu entziehen, hatte damit aber keinen Erfolg. Lange Zeit tat sich nicht viel. Charlottenburg hatte zwar nach wie vor Stadtrechte, war aber ein eher verschlafenes Nest mit schönen Gebäuden. Friedrich II. wählte Charlottenburg zu seiner Residenz und ließ einen neuen Schlossflügel anbauen. Später verlegte er seinen Aufenthalt jedoch nach Potsdam. Dort hatte er sein Schloss Sanssouci zum Teil selbst entworfen. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. erklärte Schloss Charlottenburg zu seinem bevorzugten Wohnsitz. Das lag mit hoher Wahrscheinlichkeit daran, dass er Wilhelmine Enke, seiner Mätresse, bereits 1777 ein Anwesen in Charlottenburg geschenkt hatte. Sein Sohn Friedrich Wilhelm III., der ihm auf den Thron folgte, nutzte Charlottenburg ebenfalls gerne als Wohnsitz. 1806 besetzte das französische Heer Charlottenburg. Das Schloss bekam mit Napoleon Bonaparte für die nächsten zwei Jahre einen neuen, prominenten Bewohner.

Adel und Arbeiter

Nachdem die Franzosen besiegt waren, ging es mit dem Aufschwung Charlottenburgs weiter. Die ländliche Lage vor den Toren Berlins wurde von Ausflüglern entdeckt. Diese ließen sich vom Brandenburger Tor mit Pferdewagen zu den Ausflugslokalen fahren. So entdeckten auch wohlhabende Berliner die Vorzüge der Gegend und siedelten sich hier an. Dazu gehörten Prominente wie beispielsweise Werner von Siemens, der nicht nur seine Villa, sondern mit Siemens & Halske auch eine Fabrik in den Charlottenburger Sand baute. Schering siedelte sich ebenfalls hier an. Die Industrie brauchte Arbeiter und für diese schuf Charlottenburg schnell Wohnraum. Die Planungen sahen vor, dass eine gute Durchmischung der Bevölkerung stattfinden sollte: Im Vorderhaus das Bürgertum, im Hinterhaus die Arbeiterfamilien und kleine Handwerksbetriebe. Nicht geplant war jedoch, dass die Hinterhöfe von den Investoren so eng gebaut wurden, dass Luft und Sonne fehlten. Außerdem waren die Wohnungen zu klein für die oft sehr kinderreichen Familien. In Charlottenburg lebten die Gegensätze: auf der einen Seite die Bevölkerung aus „Zille sein Milljöh“, auf der anderen Seite das reiche Bürgertum und der Adel.

Wachsende Stadt

1877 ließ sich die Stadt auf eigenen Antrag aus dem Kreis Teltow ausgliedern. Ein Jahr später wurde die Technische Hochschule – heute Technische Universität – erbaut. Im Jahr 1893 kam der nächste Schritt – die Stadt hatte jetzt 100.000 Einwohner und galt als Großstadt. Neben der Nachbarin Berlin war Charlottenburg die größte Stadt in Brandenburg. Die wohlhabende Stadt hatte ein eigenes Elektrizitätswerk und ein Wasserwerk. Da das alte Rathaus viel zu klein für die wachsende Verwaltung war, bauten die Charlottenburger von 1899 bis 1905 ihr neues Rathaus, das sich mit seinem 88 Meter hohen Turm stolz über die umliegenden Gebäude erhebt. Bis 1920 blieb Charlottenburg eigenständig – im Oktober des Jahres gliederte man es – gemeinsam mit vielen anderen Orten – nach Groß-Berlin ein.

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023