Gazette Verbrauchermagazin

Verkehrswende im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Jelbi-Station: Bus, Bahn, Rad, Roller, Auto und Taxi nutzen. Foto: Charité Wiebke Peitz
Jelbi-Station: Bus, Bahn, Rad, Roller, Auto und Taxi nutzen. Foto: Charité Wiebke Peitz
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Februar 2023
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Verkehrsfragen gehören zu den Arbeitsschwerpunkten der Bezirksverordneten in Steglitz-Zehlendorf. Seit einiger Zeit wird dabei auch das Thema diskutiert, wie eine Verkehrswende für die Stadt gestaltet werden kann, die Luftverschmutzung, Lärm und Staus verringert, aber gleichzeitig die täglichen Mobilitätsbedürfnisse aller erfüllt und ggf. auch neue Wirtschaftsperspektiven eröffnet. Hierzu gibt es von Seiten der Fraktionen in der BVV zum Teil höchst unterschiedliche Auffassungen, die nachstehend dargelegt werden.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Verbote und Behinderungen (Streichen von Parkplätzen durch SPD, Grüne und Linke) des Autoverkehrs sind keine Mobilitätswende. Wir alle müssen auch künftig frei wählen können, welches Transportmittel wir benutzen. Ältere und Kranke sind auf die Nutzung des Autos angewiesen. Auch die Steigerung des Radverkehrs reicht nicht. Das Fahrrad ist aufgrund Witterung, Alter, Gesundheit und Entfernung zum Arbeitsplatz keine Alternative. Die CDU will daher das Angebot im Nahverkehr steigern. Nur Bahnen sind eine Alternative zum Auto. Ein Zeitgewinn weniger Minuten durch eine Busspur bewegt bei vollen Bussen und schlechter Taktung niemanden zum Umstieg. Doch SPD, GRÜNE und Linke verhindern den Ausbau der U- und S-Bahn: Die Verlängerung der U3 soll erst in Jahren kommen. Der Ausbau der S25/26 nach Lichterfelde-Süd trotz geplanten 2.500 Wohneinheiten für 6.000 Menschen – Fehlanzeige. Ein neuer S-Bahnhof an der S2 am Kamenzer Damm – Fehlanzeige; Verlängerung der U7, U8 und U9; der S-Bahn nach Staaken – Fehlanzeige. Außer als Vorwand für die Behinderung des Autoverkehrs scheinen SPD, GRÜNE und Linke eine Mobilitätswende gar nicht zu wollen.

Jens Kronhagel

B‘90/Grünen-Fraktion

La piazza – der Platz. Was nach Kinderspielplatz, Cafés und Sitzbänken klingt, sieht am Breitenbachplatz grau aus, klingt nach Motorbrummen und riecht nach Abgasen. Das Dinosaurierskelett der autogerechten Stadt aus dem letzten Jahrtausend ist verkehrspolitisch und stadtplanerisch ein Fehler: Es wertet die Lebensqualität der Anwohnenden ab und wer dort mit dem Auto in der Rushhour unterwegs ist, steckt im Stau. Grüne Verkehrspolitik ist auch hier geboten: Sie bedeutet schnelle und sichere Mobilität sowie mehr Lebensqualität. Die gute Nachricht: Die Machbarkeitsuntersuchung, die die Grüne Senatsverwaltung in Auftrag gegeben hatte, bestätigt, dass der Rückbau der Autobahnbrücken aus den 1970er-Jahren bau- und verkehrstechnisch machbar ist! Ein weiterer Erfolg für die Verkehrswende, der umgesetzt werden muss. Wir Grünen haben im Rahmen dieses verwaltungsübergreifenden Projekts bereits den Austausch mit den Anwohnenden angestoßen. Unser Ziel: Durch Bürger*innenbeteiligung den (Teil-)Rückbau der Brücken voranzutreiben und den Breitenbachplatz zu einem Ort zu gestalten, der den Namen „Platz“ verdient!

Kostas Kosmas

SPD-Fraktion

Die Zahlen der Verkehrstoten, Lärm- und Schadstoffemissionen, aber auch die 17 °C an Silvester und der ausgetrocknete Grunewald zeigen klar, dass wir eine sozial-ökologische Mobilitätswende brauchen. Mit dem Mobilitätsgesetz haben wir die Grundlage, dass Verkehrssystem zukunftsfähig umzugestalten. Wir als SPD stehen dahinter, dies auch bei uns im Bezirk umzusetzen. Dabei kann die Bezirkspolitik vor allem zum Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmenden beitragen; mit sanierten, breiten Gehwegen mit abgesenkten Bordsteinen an Kreuzungen und sicheren Überwegen für Zufußgehende und sicheren Radwegen zur Förderung und Stärkung der individuellen Mobilität. Mobilitätswende geht auch nicht ohne leistungsfähigen ÖPNV. Die endlich beschlossene Weiterführung der U3 kann nur der Anfang sein: ÖPNV-Taktverdichtungen, die Zweigleisigkeit der S25, die Stammbahn, der S-Bahnausgang am Zehlendorfer Postplatz und nicht zuletzt die U9-Verlängerung nach Lankwitz sind nur einige der Projekte, für die wir uns starkmachen.

Olemia Flores Ramirez und Andre Loraj

FDP-Fraktion

Das wichtigste für alle Verkehrsteilnehmer ist gegenseitige Rücksichtnahme, damit jeder sicher ans Ziel kommt. Individuelle Fortbewegungswünsche sind für die FDP auch zukünftig zu respektieren – Optimierungen mit Blick auf technischen Fortschritt und Klimaschutz sind dabei möglich: So brauchen wir für einen sauberen Individualverkehr mehr Ladesäulen. Bevor Straßen baulich verändert werden, gilt es zunächst neue Angebote zu schaffen: Ein gut ausgebauter ÖPNV in Randbezirken kann dazu beitragen, das (E)-Auto auch mal stehen zu lassen. Unser Bezirk ist gut beraten, sich beim Pendlerverkehr eng mit den Nachbargemeinden abzustimmen. Um mehr Menschen die tägliche Fortbewegung mit dem Fahrrad näherzubringen, braucht es mehr und vor allem sichere Abstellplätze an S- und U-Bahnhöfen. Darüber hinaus darf der Fußverkehr nicht vergessen werden. Gerade abgesenkte Bordsteine und funktionierende Aufzüge an Bahnhöfen müssen endlich zur Selbstverständlichkeit werden. Die Verkehrsplanung ist ein intensiver Prozess, der auch im Sinne der Innovation und des Klimas alle Beteiligten mitnehmen muss und sie nicht gegeneinander ausspielen darf.

Gregor Habbel

AfD-Fraktion

Mobilität für alle statt Gängelung der Autofahrer: Der Senat und das grün-regierte Bezirksamt beschäftigen sich lieber mit der Gängelung von Autofahrern, statt eine faire und moderne Verkehrspolitik für alle Verkehrsteilnehmer zu planen und umzusetzen. Ein gutes Beispiel dafür ist die rechtswidrig eingeführte Busspur auf der Clayallee, die völlig unnötig war. Ihr einziger Sinn bestand darin, die Autofahrer auf der Clayallee zu gängeln. Die AfD gehörte zu den ersten politischen Kräften, die die Anwohner der Clayallee vor diesem grün-ideologischen Angriff auf ihre Mobilität warnten. Die CDU zog nach. Anwohner klagten. Das Verwaltungsgericht gab uns allen Recht – und die grün-rot-gelbe Bezirksregierung musste die Busspur wieder aufheben. Kosten: 50.000 Euro – sind weg. Dennoch, nach ihrem Willen soll die Busspur sogar bis Zehlendorf-Mitte fortgesetzt werden. Gängelung auch in Steglitz: Unter den Eichen (Bundestraße 1) wird der Verkehr auf eine Fahrbahn gezwungen. Auch Busse, Taxen und Rettungsfahrzeuge müssen dieses Nadelöhr passieren, bevor ihnen die freie Spur zur Verfügung steht. Die grüne Ideologie steht über Umweltaspekten und einem funktionierenden Steglitz-Zehlendorf.

Peer Döhnert

Linksfraktion

Die Linksfraktion hat in den letzten 6 Jahren die meisten Verkehrswendeanträge in der BVV Steglitz-Zehlendorf gestellt. Wir haben ein eindeutiges Programm statt nur schöner Worte: Kostenloser ÖPNV; Reaktivierung der Stamm- und Wannseebahn als Regionalbahn; Ausbau und Verlängerung der S25/26; Rückkehr der Tram nach Steglitz; durchgehend Vorrang für Busse, massiver Ausbau der Radinfrastruktur (geschützte Radwege als Standard, echte Fahrradstraßen, Fahrradparkhäuser); Parkraumbewirtschaftung im ganzen Bezirk; Reduzierung von „normalen Parkplätzen“ für Lieferzonen, Mobilitätseingeschränkte, Fuß- und Radwege; Kiezblocks; Mobilitätshubs; kein Etikettenschwindel mit E-Autos – ein Auto bleibt ein Auto; Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit – sofort z. B. vor jeder Kita und Schule; Rückbau der Autobahninfrastruktur und Rückstufung der A103 zur Bundesstraße; Barrierefreiheit für alle Verkehrsteilnehmer*innen; kein Radschnellweg am Teltowkanal – neue Radinfrastruktur auf bereits versiegelten Flächen; mehr Fußgänger*innenzonen, Spiel- und Schulstraßen usw. Kurzum: Eine konsequente Verkehrswende für besseres Klima und mehr Lebensqualität.

Dennis Egginger-Gonzalez

Titelbild

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