Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Februar 2023
Immer mehr Autofahrerinnen und -fahrer und steigende Zahlen bei der Kfz-Zulassung führen zu mehr Konkurrenz um den knappen Parkraum. Die Frage der Parkraumbewirtschaftung rückt mehr und mehr in den Vordergrund. Ein Bürgerentscheid im Jahr 2007 sprach sich gegen die Parkraumbewirtschaftung aus. Im Folgenden nehmen die Fraktionen der BVV zu diesem Thema Stellung.
Viele Menschen im Bezirk leiden unter hohem Parkdruck und Parksuchverkehr durch Pendler*innen und Besucher*innen in ihrem Kiez. Darum hatte das Bezirksamt untersuchen lassen, in welchen Kiezen durch Parkraumbewirtschaftung der Verkehr verringert und Lärm und Abgase reduziert werden können. Dieses Gutachten empfiehlt die Einrichtung der Parkraumbewirtschaftung in allen Kiezen innerhalb des S-Bahnrings. Ziel ist, Anwohnende und Lieferverkehr beim begrenzten Parkraum zu priorisieren und ortsfremden Parksuchverkehr aus den Kiezen heraus in die vielen freien Parkhäuser in unserem Bezirk zu leiten. Wir unterstützen das Bezirksamt in seinen Plänen, 2023 in den Kiezen um den Prager Platz und der Babelsberger Straße mit der Einführung zu beginnen. Dies ist nötig, da Schöneberg in diesem Jahr flächendeckend die Parkraumbewirtschaftung einführen wird und den angrenzenden Kiezen droht, dass vermehrt Parkplatzsuchende dahin ausweichen. Damit würde sich die Verkehrssituation in den Kiezen weiter verschlechtern. Wir begrüßen, dass das Bezirksamt gleichzeitig den Fuß- und Radverkehr in den Kiezen durch neue Querungshilfen und Radabstellanlagen fördert.
Jakob Zimmer
Wachsende Städte können das Thema Flächennutzung und darin enthalten auch die sinnvolle Nutzung von Straßenland nicht ignorieren. Der Platz in den Städten ist endlich, bei steigenden Einwohner:innen- und Pendler:innenzahlen sowie Kfz-Neuzulassungen verschärfen sich die Flächenkonkurrenzen durchs „Nichtstun“. Deshalb ist ein Parkraummanagement wichtig. Vorrang hat für uns klar der Schutz der Parkmöglichkeiten für Anwohner:innen zur Vermeidung von Parksuchverkehr. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden von Einzelhändlern einen freien Stellplatz in Zielnähe finden, hat sich in vielen Städten deutlich erhöht. Parkraummanagement schafft zudem Platz für Ladezonen. Die Parkraumbewirtschaftung soll auch dazu beitragen, dass mehr Pendler:innen den Umweltverbund nutzen, ggf. in Kombination mit P&R. Die Parkraumbewirtschaftung in Kombination mit Anwohner:innenparkplätzen dämpft den Quell- und Zielverkehr um über 20 Prozent. Zusammenfassend profitieren alle von der Parkraumbewirtschaftung: mehr Platz, weniger Lärm, Treibhausgase und Luftschadstoffe, weniger Parksuchverkehr, höhere Verkehrssicherheit.
Alexander Sempf
Der richtige und ehrliche Weg um das Thema Parkraumbewirtschaftung den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln ist ein erneuter Bürgerentscheid. 2007 hatten die Bürgerinnen und Bürger in Charlottenburg-Wilmersdorf mit 86,9 Prozent gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung gestimmt. Nun sind 16 Jahre vergangen und die Verkehrssituation hat sich in Charlottenburg-Wilmersdorf wahrscheinlich geändert, sodass eine neue Bewertung richtig ist. Hierzu hatte die Zählgemeinschaft in Charlottenburg-Wilmersdorf keinen Mut und auch eher Angst, den mündigen Bürger zu seiner Meinung zu befragen! Wir als CDU-Fraktion haben keine Angst vor dem Bürgerwillen, sondern nehmen diesen ernst! Es darf kein Verkehrsträger rein aus ideologischen Gründen in Berlin ausgeschlossen werden!
Karsten Sell
Es ist ein legitimes Anliegen des Bezirksamts, sich für die Parkraumbewirtschaftung stark zu machen. Dabei mag es der bequemste Weg sein, nicht auf einen Bürgerentscheid zu achten, jedoch ist dies eine herbe Beschädigung der Bürgerbeteiligung. Das Signal, welches von dem Übergehen des Bürgerentscheids ausgeht, ist, dass ein Entscheid immer nur so viel Wert ist, wie die aktuell Regierenden von dem Ergebnis halten. Die Kultur, die dieses Vorgehen entfaltet, ist jene von nach Anstandsfristen stets wieder aufgehobenen Volks- und Bürgerentscheiden. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Bezirksamt gegen das Anliegen eines Bürgerentscheids ist. Gerade weil ein Bezirksamt zumeist politisch gegen das Ansinnen eines Bürgerentscheids ist, hat es mit dem Ergebnis von diesen mit besonderer Sorgfalt umzugehen. Es ist ein formal festgehaltener Ausdruck des Bürgerwillens und ein Bezirksamt hat zuvorderst die Interessen der Bürgerschaft zu beachten und nicht jene des eigenen Parteibuchs. Ein sofortiges Übergehen eines erneuten Entscheids wäre der Todesstoß für das Instrument des Bürgerentscheids.
Tobias Bergmann
2007 haben FDP und CDU einen Bürger:innenentscheid gegen Parkraumbewirtschaftung initiiert. Nach 15 Jahren sind die Rahmenbedingungen grundlegend andere. Wir befinden uns inmitten einer Klimakatastrophe und müssen alles unternehmen, um ihre verheerenden Folgen abzumildern. Dafür ist auch der entschiedene Rückgang des Autoverkehrs notwendig. Mit dem Ausbau von ÖPNV sowie Fahrrad- und Fußwegen schaffen wir Alternativen. Es kann nicht selbstverständlich sein, das Auto kostenlos im knappen, öffentlichen Raum abzustellen. Aus linker Perspektive fordern wir aber eine soziale Staffelung der Parkgebühren. Echte Bürger:innenbeteiligung bauen wir aus. Sie darf kein Instrument für die Durchsetzung von Parteiinteressen sein. Doch die FDP sammelt erneut Unterschriften und versucht, von ihrem eigenen Versagen auf Bundesebene abzulenken. Denn der FDP-Verkehrsminister hält nichts vom Ausbau des ÖPNV und plant in Berlin den Ausbau der A100 – gegen eine Mehrheit der Menschen vor Ort. Die Linksfraktion fordert eine klimaschützende Verkehrspolitik und menschengerechte Städte!
Frederike-Sophie Gronde-Brunner
Die AfD stellt sich hinter das Ergebnis des Bürgerentscheids. Deshalb beantragten wir im vergangenen Jahr, die Pläne zur Erhöhung der Gebühren und der Ausweitung der bewirtschafteten Parkzonen nicht mehr weiterzuverfolgen. Ein Anliegen, das von Rot-Rot-Grün und der CDU abgelehnt wurde. Direkte Demokratie ist die klarste Form, um den Bürgerwillen zu erfassen. Bezirksverordnete haben nicht das Recht, sich diesem entgegenzustellen. Selbst dann nicht, wenn sie der (falschen) Überzeugung erliegen, sie würden es besser wissen als die Mehrheit der Bürger des Bezirks. Die grün-rot dominierte BVV treibt, gestützt von CDU und Linken, den Kampf gegen Autofahrer voran. Pop-Up-Radwege, Abschaffung von Parkmöglichkeiten und die künstliche Verteuerung sind nur ein Teil ihrer Waffen gegen den Individualverkehr. Die CDU trifft an der Misere eine Mitschuld. Aber wir wissen ja: Die CDU ist längst keine Partei mehr, sondern nur noch eine schlechte Angewohnheit. Die AfD hingegen bekennt sich zu einer Verkehrspolitik für alle Berliner und allen voran zu mehr direkter Demokratie.
Martin C. T. Kohler
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