Erschienen in Gazette Charlottenburg März 2023
Der Theodor-Heuss-Platz kann auf ein wechselvolles Namensspiel zurückblicken: Als er anfangs im märkischen Sand angelegt wurde, bekam er den Namen Reichskanzlerplatz. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er am 21.4.1933 in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. Eine geplante Umbenennung im Jahr 1937 in Mussoliniplatz wurde nie durchgeführt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hieß er erneut Reichskanzlerplatz. 1963 bekam er den heutigen Namen Theodor-Heuss-Platz.
Mit seinen Kunstwerken und Mahnmalen regt zum Verweilen und Nachdenken an. Als erstes fällt der gläserne blaue Obelisk ins Auge, geschaffen von Hella Santarossa. In den übereinander gestapelten Glasquadern kann der Besucher handschriftliche Aufzeichnungen aus der Geschichte Charlottenburgs erkennen, die durch Fragmente modernen Textes ergänzt wurden.
Die Ewige Flamme ist ein Mahnmal, das erstmals 1955 von Theodor Heuss, dem Namensgeber des Platzes entzündet wurde. Sie erinnerte an die Opfer von Flucht und Vertreibung. Die Flamme wurde am 3. Oktober 1990, dem Datum der Wiedervereinigung, gelöscht. Am 10. Dezember 1990, dem Tag der Menschenrechte, wurde sie erneut entfacht und mahnt seitdem Freiheit, Recht, Friede an. Diese Worte stehen auch auf dem Sockel. Aufgrund der Gasversorgungslage infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde die Flamme am 30. September 2022 abgeschaltet. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey setzte sich dafür ein, dass sie weiterbrennen sollte. Sie hatte Erfolg und die Flamme lodert seit dem 12. Oktober 2022 wieder.
Das Ensemble „Zwei Köpfe“ von Rainer Kriester, die aus dem weißen „Großer verschnürter Kopf“ und dem schwarzen „Großes Berliner Kopfzeichen“ bestehen, sind seit 1989 auf dem östlichen Bereich des Platzes installiert.
Rund um den Platz und in der angrenzenden Reichsstraße herrscht ein buntes Treiben. Zahlreiche Restaurants für die unterschiedlichsten Geschmäcker, inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte mit einem vielseitigen Sortiment und Dienstleister rund um Schönheit und Gesundheit erfreuen sich eines regen Zuspruchs. Links und rechts der Reichsstraße lassen sich auch architektonische Besonderheiten entdecken. Von der Villa aus den Gründerjahren bis hin zu modernen Gebäuden bietet sie viele schöne und interessante Gebäude, sodass sich ein Spaziergang lohnt.
Theodor Heuss (1884 – 1963) wurde im Volksmund liebevoll „Papa Heuss“ genannt. Am 12. September 1949 wählte man ihn als den ersten Bundespräsidenten der noch jungen Bundesrepublik Deutschland in das höchste Staatsamt. Doch bis dorthin war es ein langer Weg. Schon während seines Studiums in München und Berlin trat er 1903 der linksliberal orientierten „Freisinnigen Vereinigung“ bei, von der aus er 1909 zur Fortschrittlichen Volkspartei wechselte. Neun Jahre später zählte Heuss zu den Mitbegründern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die 1930 mit kleineren Parteien als Deutsche Staatspartei fusionierte. 1918 zog er mit seiner Familie nach Schöneberg. und 1919 trat Heuss ein politisches Amt als Stadtverordneter in Schöneberg an. Ab 1920 gehörte Schöneberg zu Berlin. Seine berufliche Laufbahn war allerdings dem Journalismus gewidmet, hier lag ihm besonders die Kunst am Herzen. Außerdem war er in der politischen Bildung tätig und lehrte an der Deutschen Hochschule für Politik. 1933 wurde ihm jegliche politische Betätigung untersagt und er verlor sein Lehramt. Er verlegte sich darauf, hauptsächlich Biografien zu schreiben. Er verließ Berlin 1943 aufgrund der Bombenangriffe und weil er in das Visier der Gestapo geraten war. Das Kriegsende erlebte er in Heidelberg.
1945 gründete er gemeinsam mit Mitstreitern die Rhein-Neckar-Zeitung. Doch es zog ihn erneut in die Politik. Auf dem Gründungsparteitag der FDP am 12.12.1948 wurde er zum Vorsitzenden gewählt. 1949 erfolgte die Wahl zum ersten Bundespräsidenten, den er im ersten Wahlgang mit 377 Stimmen und im zweiten Wahlgang mit 416 Stimmen gegen Kurt Schumacher (SPD) gewann. Er blieb bis 1959 Bundespräsident und lehnte eine dritte Amtszeit, für die eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich gewesen wäre, ab. Sein Nachfolger war Heinrich Lübke. Der Platz wurde am 18. Dezember 1963 nach Theodor Heuss benannt.
Der Ausspruch „Hinter einem starken Mann steht immer eine starke Frau“ stimmt bei dem Ehepaar Heuss besonders. 1908 heirateten Theodor Heuss und Elisabeth Eleonore Anna Justine Knapp, die kurz Elly genannt wurde.
Heute ist Elly Heuss-Knapp vor allem als Gründerin des Müttergenesungswerk in Erinnerung geblieben. Dabei hat die starke Frau noch weit mehr geschafft. 1899 legte sie ihr Lehrerinnenexamen ab. 1905 studierte sie Volkswirtschaftslehre in Freiburg und Berlin. Sie interessierte sich für das Werk von Friedrich Naumann und begann, politische Vorträge zu halten. 1910 erschien ihr Buch „Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen“. Unter dem Nazi-Regime bekam nicht nur Theodor Heuss Schwierigkeiten, auch seiner Frau wurde ein Auftrittsverbot erteilt. Um die Familie zu ernähren, nahm sie eine Stelle in der Werbebranche an. Sie gilt als Erfinderin des Radiojingles – vorher wurden im Radio nur Zeitungsanzeigen abgelesen. Die Idee ließ Elly Heuss- Knapp sich patentieren. 1946 erschien ihr Kurzgeschichtenband „Schmale Wege“, 1950 war sie Mitbegründerin des Müttergenesungswerks. Elly Heuss-Knapp starb bereits 1952.
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023