Erschienen in Gazette Steglitz April 2023
Seit nunmehr 50 Jahren präsentiert „KLEINESTHEATER“ Ecke Südwestkorso/Taunusstraße seinem Publikum feine Theaterhäppchen, die Appetit auf mehr machen. Theaterleiterin und Geschäftsführerin ist die Regisseurin Karin Bares, der es immer wieder gelingt, mit professioneller Hand und fundiertem Theaterwissen Stücke zu servieren, die man auf manch großer Bühne in diesem Niveau vergeblich sucht. Längst haben neben Stammgästen auch Bühnenfreunde jeden Alters weit über den Bezirk hinaus dieses kleine Theater, in dem man sich einfach wohlfühlen muss, als kulturellen Geheimtipp für sich entdeckt. Klassiker wie Kästners „Drei Männer im Schnee“ oder Schnitzlers „Traumnovelle“ stehen dort ebenso in vollem Umfang auf dem Spielplan wie Szenische Lesungen, Kabarett- und Chansonabende. Besonders geschätzt wird das Theater wegen seiner gelungenen Eigenproduktionen und Uraufführungen.
Im Jubiläumsjahr erwarten einige Highlights die Besucher des kleinen Theaters, das eigentlich erst im November seinen 50. Geburtstag feiert:
Aktuell hat Karin Bares „Der Sittich“ als Berliner Erstaufführung gekonnt in Szene gesetzt. In der Komödie von Audrey Schebat spielen Eva Mannschott und Matthias Freihof ein in die Jahre gekommenes Ehepaar. Nuanciert und pointenreich führt das Stück dem Publikum den komischen Alltag von Paarbeziehungen vor Augen und stellt dabei die konventionellen Rollenbilder genüsslich auf den Kopf. Und es bleibt spannend:
Im Frühjahr folgt bereits die Uraufführung des dem Haus auf die Haut geschriebenen Musical-Krimis „Vermisst! – Was geschah mit Agatha Christie?“ von James Edward Lyons (Regie) und Paul Graham Brown (Musikalische Leitung), das auf eine wahre Begebenheit zurückgeht: An einem kalten Abend im Jahre 1926 verschwand Krimi-Autorin Agatha Christie für 11 Tage spurlos. Ganz England suchte nach ihr und befürchtete das Schlimmste. Nachdem sie wieder aufgetaucht war, gab es nie eine Erklärung zu ihrem Verschwinden. Dafür ranken sich nun seit fast 100 Jahren Legenden um die Frage: Was geschah wirklich mit ihr? Vermutungen, was gewesen sein könnte, stellt nun KLEINESTHEATER mit dem Musical über Wahrheit und Lüge, Kontrolle und Besessenheit an. Das Publikum erwartet ein unterhaltsames Schauspiel, in dem Erinnerungen den Hauptdarstellern Streiche spielen. Was ist real und was Fiktion? Und wer darf das überhaupt entscheiden? In der Hauptrolle spielt und singt Barbara Felsenstein, Enkelin des berühmten Regisseurs, Intendanten und Gründers der Komischen Oper, Walter Felsenstein.
Längst verbinden Theaterkenner KLEINESTHEATER mit namhaften Regisseuren wie Boris von Poser, Mathias Schönsee und eben Karin Bares, wissen die Besucher um das hohe künstlerische Potential des Theaters am Südwestkorso. KLEINESTHEATER verspricht dem Besucher einen ebenso unterhaltsamen wie anregenden und kulturell belebenden Abend. 93 Plätze stehen bereit, Theatervorhang und überschaubare Kammerbühne sowie die relativ kleine Distanz zum Geschehen und Künstler auf der Bühne vermitteln Theater-Feeling pur und ziehen den Zuschauer angenehm ins Stück. Von der kleinen Bar dürfen Getränke mit zum Platz genommen werden, ein wichtiger Wohlfühlfaktor mehr.
1910 von Hans Helding erbaut, führte das Eckhaus von jeher Menschen in ihrer Freizeit zusammen: Zuerst im die gesamte Ecke umfassenden Gasthaus, später dann im Corso-Kino. Im einstigen Kinosaal ist heute KLEINESTHEATER beheimatet und damit nicht weit entfernt von der Künstlerkolonie, dem Künstlerfriedhof in der Stubenrauchstraße und der einstigen Bleibe der Comedian Harmonists in kulturnaher Gegend gelegen.
1973 hatten die Dramaturgin Sabine Fromm und der Regisseur Pierre Badan das kleine Theater gegründet. Vorläufer dieser Spielstätte war das in Wilmersdorf in der Szene bekannte „Reichskabarett”. – Von Anfang an in achter Reihe dabei und dem Theater angetan war der unvergessene Friedrich Luft, Urgestein der Theaterkritiker.
Sabine Fromm verstarb unerwartet im Jahr 2001. Karin Bares erzählt: „Pierre Badan fragte mich 2004, ob ich als Freie Mitarbeiterin die Gastspielakquise übernehmen wolle. Zuvor hatte ich ja bereits über 10 Jahre erfolgreich an verschiedenen Theaterhäusern Deutschlands als Regisseurin gearbeitet, etliche Kontakte daraus und Erfahrung im Gepäck.“ Überzeugt von ihrer Arbeit, bot Geschäftsführer Pierre Badan ihr dann auch im Jahr 2006 die Übernahme von KLEINESTHEATER an.
Dass ihre Entscheidung, dieses Angebot anzunehmen, wohl die richtige war, verrät Karin Bares mit jedem Satz, in dem sie mit viel Herzblut über „ihr“ kleines Theater spricht. Bereits in frühester Jugend hatte die gebürtige Triererin ihre Liebe zum Stadttheater ihrer Heimatstadt entdeckt. Nach dem Abitur und einer Theaterhospitanz in San Francisco studierte sie angewandte Theaterwissenschaften in Gießen u. a. bei Theatergrößen wie Heiner Müller und George Tabori, arbeitete als freischaffende Regisseurin danach bundesweit an mittleren Stadttheatern. In Berlin lebt Karin Bares seit 2001. Ihr Netzwerk im Kulturbereich ist inzwischen beachtlich.
Im bereits 17. Jahr ist sie nun erfolgreiche Theaterintendantin und Geschäftsführerin des kleinen Theaters, kein leichtes Unterfangen. Ihr festes Team besteht aus nur zwei Leuten für Büro und Technik. Dazu kommen etliche Freie Mitarbeitende u. a. für Abendkasse und Vorstellungsbetreuung. Wäsche, Reinigung, Fundusarbeiten, Kostüme, Reparaturen, Änderungsschneiderei und regelmäßige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind nur einige Punkte, die das kleine Team zu stemmen hat. KLEINESTHEATER ist Mitglied im Deutschen Bühnenverein, die Intendantin steht in regelmäßigem Austausch mit anderen Bühnen und tritt für ihre Produktionen selbst an die Schauspieler heran.
„Wir bieten bei dünner Personalbesetzung immerhin 160 Vorstellungen pro Jahr und 12 Produktionen – in etwa der Umfang eines Landestheaters“, betont Karin Bares mit berechtigtem Stolz. – Zwar fördert der Senat KLEINESTHEATER, doch die Fördersumme ist durch die erfolgte Subventionskürzung noch dieselbe wie im Jahr 2005, als es unter der alten Intendanz deutlich weniger Produktionen gab. Eine höhere, angepasste Förderung ab 2024 wünscht sich nicht nur Karin Bares zum 50. Geburtstag ihrer gemieteten kleinen Bühne.
Sie erklärt: „Viel Vorarbeit bis zum Abend gibt es, weil wir ja Repertoire spielen. Zweimal wöchentlich muss der Umbau der Bühne erfolgen. Kraftraubendes Rein und Raus, Auf- und Abbau von Requisiten, Bühnenbildern und Möbeln sowie Einleuchten der Bühne stehen dann eng getaktet im Vorprogramm.“ In Berlin kaum bezahlbar, lagern Theatermöbel und Requisiten auf einem Dachboden in Werder.
„Wenn wir hier in der Nähe wenigstens einen halben erschwinglichen Dachboden oder Keller zusätzlich hätten, wäre das schon großartig“, so die Regisseurin. Sie hofft diesbezüglich unter den Gazette-Lesern einen theaterliebenden Unterstützenden zu finden. Hilfreich wäre es außerdem für das kleine Theater, wenn sich bei Karin Bares kräftige Umbauhelfer melden würden, die 1-2 x wöchentlich für 1-2 Stunden beim Umbau helfen.
Im Eckhaus gegenüber des mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbaren Theaters hat die Intendanz ihren Bürositz, hier befindet sich auch der Kostümfundus. Die Schauspieler spielen entweder mit Privatkleidung oder werden aus dem Fundus eingekleidet. „Wir sind, glaube ich, das nachhaltigste Theater Berlins“, lacht Karin Bares: Kleidung aus dem Fundus wird möglichst lange genutzt. Außerdem werden immer wieder Kostüme über HUMANA gekauft – und über SecondHand nach Gebrauch manchmal sogar wiederverkauft.
Die Bühnenbilder werden nachts auf der Bühne gebaut. Seit 30 Jahren fertigt sie freiberuflich derselbe Mitarbeiter. Der Allrounder nagelt, bohrt, streicht und bezieht Wände. Ausschuss gibt‘s nicht, alles wird wiederverwendet, solange es geht.
– Den Theaterbesuchern aber präsentiert sich an den Abenden dann eine makellose Traumwelt, in deren Bühnenstücke sie dank Karin Bares und ihrem Team unbelastet eintauchen können.
Weitere Informationen zu Stücken, Spielplan und Tickets siehe unter www.kleines-theater.de
Kontakt unter E-Mail info@kleines-theater.de
Jacqueline Lorenz
KLEINES THEATER am Südwestkorso
Südwestkorso 64
12161 Berlin
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