Erschienen in Gazette Charlottenburg März 2023
Eine privilegierte Kindheit im Schloss Militsch, das 1909, dem Jahr, in dem Maria Gräfin von Maltzan als jüngstes von sieben Kindern zur Welt kam, noch zu Schlesien gehörte. Schon früh zeichnete sich ihre Liebe zu Tieren ab. So beschrieb sie in ihrer Biografie „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht“, wie sie als Kind oft ein Schälchen Milch zu den Schlangen brachte, die sich an einem Gewässer im Schlosspark einfanden. Die Tiere erkannten sie schon am Schritt und nahmen die Milch gerne. Als sie eines Tages viele Schlangen erschlagen fand und erfuhr, dass diese im Auftrag ihrer Mutter getötet wurden, weil sich ihr einziger Sohn vor ihnen fürchtete, versuchte Maria von Maltzan bei nächster Gelegenheit, ihren Bruder zu ertränken. Das Vorhaben misslang allerdings. Das Verhältnis zu ihrem Bruder blieb jedoch angespannt. Als dieser im Zweiten Weltkrieg fiel, wurde Maria von einer ihrer Schwestern vorgehalten, dass der Bruder schließlich für sie gefallen wäre. Maria antwortete, dass es sich wohl um einen Irrtum handeln müsse. Der Bruder wäre nicht für sie, sondern für Adolf Hitler gefallen.
Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1921 schickte ihre Mutter, die sich nie mit der rebellischen Tochter verstand, Maria auf ein Internat. Maria war dort sehr unglücklich und schaffte es, hinausgeworfen zu werden. Schließlich machte sie Abitur auf der Elisabeth-Oberschule in Kreuzberg – dank eines Paten und gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Mutter. Ihr Wunschfach Tiermedizin durfte sie nicht studieren, anstelle dessen verlegte sie sich auf Zoologie, Botanik und Anthropologie. Während ihres Studiums in München kam sie erstmals in Kontakt zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In dem Münchener Institut, in dem sie arbeitete, schrieb sie nachts Texte für den Jesuitenpater Friedrich Muckermann, einer zentralen Figur des katholischen Widerstands. Sie geriet ins Visier der Gestapo und verließ München, um ein halbes Jahr durch Afrika zu reisen, was eine kleine Erbschaft ihr ermöglichte. Anschließend kehrte sie nach München zurück, aber durch ihre Tätigkeit im Widerstand war eine Anstellung als Wissenschaftlerin ausgeschlossen. So verdiente sie Geld als Journalistin, Dolmetscherin, Reiterinnendouble für den Film und durch Beritt der Pferde vermögender Münchener.
Sie bekam Anschluss an die Münchener Bohème und heiratete den viel älteren Schauspieler Walter Hillbring. Das Ehepaar zog nach Berlin. Die Ehe ging jedoch schnell in die Brüche, da Hillbring in Berlin keinen Erfolg hatte und auch nicht der treueste Ehemann war. Maria blieb in der Stadt, während Hillbring nach München zurückging. Zum Schein ließ sie sich beim Roten Kreuz ausbilden und lehrte dort schließlich Anatomie. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, versetzte man sie in eine Postprüfstelle, in der sie Briefe öffnen und verdächtige Texte melden musste. Diese hässliche Aufgabe löste sie, indem sie belastende Schreiben mit auf die Toilette nahm und dort aß.
Schon seit 1937 versteckte sie Juden ihn ihrer Wilmersdorfer Wohnung an der Detmolder Straße 11. 1939 zog auch Hans Hirschel dort ein, der sie darin bestärkte, doch noch Tiermedizin zu studieren. Das 1940 begonnene Studium schloss sie 1943 mit dem Staatsexamen ab. Ein schwerer Schicksalsschlag ereilte sie, als ihr gemeinsames Kind mit Hans Hirschel starb. Es war zu früh zur Welt bekommen und während der Bombardierungen fiel der Strom für den Brutkasten aus. Trotzdem ließ ihr Engagement im Widerstand nicht nach. Sie half, Menschen nach Schweden zu bringen und schwamm gemeinsam mit verfolgten Juden über den Bodensee in die Schweiz. Mehrfach wurde sie verhört und auch gefoltert, doch immer wieder gelang es ihr, sich zu befreien. Auch die Tiere profitierten von ihrer Gegnerschaft zu den Nazis – so geriet sie wieder ins Visier der Behörden, da die von ihr behandelten Pferde und Hunde zu lange behandelt werden mussten, so dass sie an der Front nicht eingesetzt werden konnten.
Nach Kriegsende heiratete sie Hans Hirschel, die Ehe hielt jedoch nur zwei Jahre. Maria hatte ihre eigene Tierarztpraxis eröffnet, doch die Jahre im Widerstand hatten sie erschöpft. Wegen ihrer Tablettensucht verlor sie die Approbation als Tierärztin. Doch sie kämpfte sich zurück. Ihre Approbation bekam sie wieder. Sie arbeitete im Zirkus, im Berliner Zoo und als Vertretung in verschiedenen Tierarztpraxen und legte so viel Geld wie möglich zurück, um erneut eine eigene Praxis in der Mommsenstraße in Charlottenburg zu eröffnen. In dieser konnte sie 1971 die ersten vierbeinigen Patienten empfangen. 1972 heiratete sie Hans Hirschel zum zweiten Mal, die Ehe hielt bis zu seinem Tod im Jahr 1975. 1983 – sie war mittlerweile 74 Jahre alt – zog sie mit ihrer Praxis an den Oranienplatz in Kreuzberg. Die Tiere der dort lebenden Punkerinnen und Punker behandelte sie kostenlos. 1986 veröffentlichte sie ihre Memoiren unter dem Titel „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht“. 1987 wurde sie als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Am 12. November 1997 starb Maria Gräfin von Maltzan. An ihrem früheren Wohnort an der Detmolder Straße 11 erinnert eine Gedenktafel an die Widerstandskämpferin und im Jahr 2008 wurde die Kaserne der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr nach ihr benannt. In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es seit März vergangenen Jahres den Maria-von Maltzan-Platz. Im Jahr 2021 wurde ihr Grab auf dem Friedhof Heerstraße zum Berliner Ehrengrab.
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