Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf April 2023
Berlin, die schrumpfende Stadt – Warum gibt es trotz innerdeutschen Wegzugs aus der Hauptstadt keinen bezahlbaren Wohnraum im Bezirk? Im Folgenden nehmen die Fraktionen der BVV zu diesem Thema Stellung.
Berlin verzeichnete im Jahr 2020 im Zuge der Pandemie einen Rückgang bei den Bevölkerungszahlen, allerdings zeigt die neueste Bevölkerungsprognose, dass Berlin bis 2040 weiter wächst. Exorbitante Preissteigerungen bei den Angebotsmieten oder die Zunahme an möblierte Wohnungen mit befristeten Mietverträgen stellen den Berliner Wohnungsmarkt vor besondere Herausforderungen. Als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollen wir diese Mietpraxis auf den Prüfstand stellen und haben einen Antrag in die BVV eingebracht, da die einzelnen Modelle des Wohnens auf Zeit ggf. der Genehmigungspflichtigkeit des sozialen Erhaltungsrechts unterliegen. Daher ist es in Charlottenburg-Wilmersdorf umso wichtiger, den bezahlbaren Wohnraum über den Milieuschutz zu erhalten und weitere Milieuschutzgebiete auszuweisen, wo es rechtlich möglich ist. Um den bezahlbaren Wohnraum im Bezirk zu gewährleisten und weiter auszubauen, sind aber zahlreiche Reformen im Bau-, Planungs- und Mietrecht vom Land und Bund erforderlich.
Jun Chen
Berlin, die schrumpfende Stadt – Warum gibt es trotz innerdeutschen Wegzugs aus der Hauptstadt keinen bezahlbaren Wohnraum im Bezirk? Mit dieser Frage möchte die AfD-Fraktion den Eindruck erwecken, dass der Zuzug von Menschen aus dem Ausland eine wesentliche Ursache für steigende Mieten in Berlin sei. Dass die Probleme Berlins dadurch zu lösen sind, unsere Stadt vom Rest der Welt abzuschotten. Diese Ansicht weisen wir scharf zurück. Berlin lebt davon, dass Menschen hier studieren, leben und arbeiten wollen und auch davon, dass wir Menschen auf der Flucht vor Krieg und Leid einen sicheren Hafen bieten. Zuzug sichert unseren Wohlstand. Dafür, dass Berlin ein Jahrzehnt lang sparen musste, in dieser Zeit keine Sozialwohnungen weiter fördern konnte, keinen Wohnungsneubau durch landeseigene Gesellschaften bezahlen konnte und, dass die Gesetzgebung im Bund Instrumente wie den Mietendeckel nicht zulässt, tragen Menschen, die nach Berlin zuziehen, keine Verantwortung. Ja, Berlin wächst weiter. Deshalb müssen wir all unsere Anstrengungen vertiefen, unsere Wohnungsbaupotentiale auszuschöpfen, Instrumente wie die Mietpreisbremse und Milieuschutz konsequent anzuwenden und gegen Leerstand und Zweckentfremdung vorzugehen.
Nico Kaufmann
Berlin ist laut allen vorliegenden Bevölkerungsprognosen eine wachsende Stadt; berlinweit wird die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner bis 2030 um 3,6 Prozent im Vergleich zu 2021 steigen, in unserem Bezirk um immerhin 1,8 Prozent (Bevölkerungsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen vom 13.12.2022). Vor diesem Hintergrund kann eine nachhaltige Lösung zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum nur sein, das Angebot zu vergrößern, um der immer weiterwachsenden Nachfrage nachzukommen. Doch dies geschieht bisher eben gerade nicht bzw. kaum; Baugenehmigungsverfahren werden unnötig in die Länge gezogen, Bebauungspläne nicht oder erst nach vielen Jahren Verzögerung aufgestellt, Potentialflächen für den Wohnungsbau nicht aktiviert. Durch ideologische Himmelfahrtskommandos wie dem sog. „Mietendeckel“ wurden und werden Zeit und Geld der Verwaltung verpulvert und bauwillige Investoren aus der Stadt gejagt. Es müssen also Wohnungen gebaut werden und dies in allen benötigten Mietpreissegmenten; genauso wichtig wie der soziale Wohnungsbau, der in Berlin und in unserem Bezirk nur mehr als schleppend vorankommt, ist dabei gerade auch die Schaffung von Wohnraum für Familien mit mittleren Einkommen.
Christoph Brzezinski
Die Stadt Berlin wächst im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich. Aktuell wohnen 3,677 Mio. Menschen in Berlin. Bis zum Jahr 2040 soll die Einwohnerzahl bis auf rd. 3,963 Mio. zunehmen, das ist ein Wachstum von etwa 8 Prozent. Ein innerdeutscher Wegzug, so wie von der AfD-Fraktion behauptet wird, ist nicht feststellbar. Ungeachtet dessen, es gibt in Berlin zu wenig Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten. Dem kann nur begegnet werden, indem der Neubau massiv gestärkt wird, ideologische Enteignungsfantasien im Orcus verschwinden und auch überzogene Energieeinsparungs- und Heizungsmodernisierungsverlangen auf das vernünftige Maß zurückgefahren werden. Denn diese „Baunebenkosten“ machen das Wohnen in Deutschland teuer, Baukosten müssen über die Miete refinanziert werden. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Auch in unserem Bezirk wird seit Jahren der Wohnungsbau aktiv verhindert. Beispielsweise könnten auf der Westkreuzbrache in wenigen Jahren gut 2000 Wohnungen mitten in der Stadt entstehen. Auch die Überbauung von Supermärkten mit Wohnungen wird verschleppt. Berlin ist schön, bauen wir mehr davon!
Johannes Heyne
Berlin wächst. Menschen aus allen Bundesländern ziehen gerne hierher. Auch viele Geflüchtete schätzen die offene Atmosphäre Berlins, bleiben und bringen sich in die Stadtgesellschaft ein, gründen Firmen und schaffen Arbeitsplätze. Gleichzeitig fehlen seit Jahren tausende bezahlbare Wohnungen in unserem Bezirk. In den Jahren 2014 bis 2021 wurde hier nicht eine geförderte Wohnung errichtet, im Jahr 2022 dann erstmals 66. Der Bezirk muss versuchen durchzusetzen, dass 50 Prozent aller neu gebauten Wohnungen sozial gefördert werden. Wir wissen, dass bezahlbarer Wohnraum mit einer vom Land zu gründenden Bauhütte erstellt werden kann und muss. Hier wären alle zum Wohnungsbau nötigen Gewerke unter einem Hut. Profitmacherei mit Wohnungsbau ist damit ausgeschlossen. Nötig ist eine gerichtssichere Mietpreisbremse, ein bundesweiter Mietendeckel und langfristig ein Absenken zumindest der Grundmiete. Klar bleibt, dass ein für alle Schichten bezahlbares Wohnen unter 30 Prozent ihres Einkommens in einer auf Profit gegründeten Wirtschaft nicht machbar ist.
Rüdiger Deißler
Spitzenpolitiker fabulieren immer wieder die wachsende Stadt Berlin herbei. Die genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass dies nur eingeschränkt zutrifft. Eine Recherche der ZEIT (12.01.2023) offenbart, dass es für Berlin seit 2016 mehr Weg- als Zuzüge im Inland gab. Doch warum sinken die Mieten im Bezirk nicht, wenn Plätze frei werden? Das liegt an der unkontrollierten Einwanderung. Allein 2021 zogen laut Statista 93.222 Personen aus dem Ausland nach Berlin. Unter den Ausländern befinden sich 21.654 Ausreisepflichtige. Diese Menschen halten sich illegal in Deutschland auf, dennoch stellen wir ihnen Wohnraum zur Verfügung. Die Konsequenzen dieser Politik erleben wir bspw. im Nachbarbezirk Wedding. Dort wurden Senioren aus einem kirchlichen Altenheim vertrieben, um Flüchtlinge unterzubringen. Wenn Ihnen ein Politiker erzählt, dass nur Neubauten und mehr Milieuschutzgebiete die Mieten senken würden, trauen Sie ihm nicht. Ohne konsequente Abschiebungen und eine restriktive Kontrolle der Einwanderung wird es in Charlottenburg-Wilmersdorf keine bezahlbaren Mieten mehr geben.
Martin C. T. Kohler
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