Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal April/Mai 2023
Ein prachtvoller Bau aus der Kaiserzeit: An der Straße Unter den Eichen 82 steht das ehemalige Gebäude des Kaiserlichen Gesundheitsamts, in dem die Bakteriologische Abteilung und Veterinär-Abteilung untergebracht, aber in dem es auch große Laboratorien gab. Das Gelände im vier Hektar großen sogenannten Dahlemer Dreieck wurde zwischen 1903 und 1908 bebaut. Neben dem großen Verwaltungsgebäude standen dort mehrere Häuser und Ställe. In den Häusern befanden sich kleinere Labore, es gab aber auch fünf Wohnhäuser für Beamte. Um die Verbreitung von Infektionen zu verhindern, waren die Häusergruppen räumlich getrennt angeordnet. An der Straßenfront Unter den Eichen erhebt sich das Hauptgebäude mit hohen Schweifgiebeln, von denen einer von einem Zwiebeltürmchen gekrönt wird. In der Grundstücksmitte standen die Ställe mit den Versuchstieren. Die Beamtenwohnhäuser wurden an der Boetticher Straße erbaut. Auch die gärtnerischen Anlagen dienten der Abgrenzung und dem Infektionsschutz. Mit dem Ende der Kaiserzeit erfolgte im Jahr 1919 die Umbenennung des Instituts in „Reichsgesundheitsamt“.
Mit dem Nationalsozialismus zog die sogenannte „Rassenhygiene“ in die Gebäude ein. An die Zeit als Rassenhygienische und bevölkerungshygienische Forschungsstelle erinnert eine Stele an der Ecke Boetticherstraße. Die Hauptaufgabe des Instituts war das Erfassen und Erforschen von Sinti und Roma, wobei auch internierte Menschen in Zwangslagern untersucht und „vermessen“ wurden. Das Institut erarbeitete die Grundlagen, die zur Zwangssterilisation und Ermordung Tausender Sinti und Roma führten.
Nach Kriegsende bekam das Institut einen neuen Namen – jetzt war es das Zentralinstitut für Hygiene und Gesundheitsdienst. Ab 1952 wurde es als Bundesgesundheitsamt zur Bundesbehörde. In den 1960er-Jahren bekam das große Verwaltungsgebäude einen Anbau der – ganz zweckmäßig im Stil jener Zeit – einen architektonischen Gegensatz zum renaissanceartig gestalteten Ursprungsgebäude darstellte. Eine erneute Umbenennung erfolgte 1994, etwas sperrig war es nun das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. 2002 zog das zu dieser Zeit neu gegründete Institut für Risikobewertung ein, das die Immobilie 2011 wieder verließ. Langer Leerstand folgte.
Seit November 2022 wird der Anbau aus den 1960er-Jahren wieder abgerissen. Das Bundesumweltamt soll laut Planung 2026 in das Institut einziehen – dafür wird voraussichtlich ab 2024 ein modernes Bürohaus gebaut. Den Wettbewerb für das neue Gebäude gewann das Büro rw+ Gesellschaft von Architekten mbH. Der Altbau wird saniert. Für die Arbeiten sollen Mittel in Höhe von 39,5 Millionen Euro eingeplant sein.
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023