Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Mai 2023
Seit der Testfahrt der Deutschen Bahn mit einem dieselbetriebenen ICE-TD im Februar 2021 auf der Trasse der über 100 Jahre alten Goerzbahn zwischen den Bahnhöfen Lichterfelde-West und Schönow wurde das Projekt für eine mögliche Verbindung als Personen- und Güterverkehrsmittel zwischen Lichterfelde und Steglitz sowie die Anbindung des Gründerzentrums Goerzwerk weiterentwickelt.
Im Folgenden nehmen die fünf Fraktionen und die fraktionslosen Mitglieder in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf zur Zukunft der Goerzbahn Stellung.
René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher
Rund um die Goerzallee hat sich in den letzten Jahren eine beachtliche Mischung von innovativen Betrieben erfolgreich angesiedelt. Vor allem das Goerzwerk gilt als attraktives Gründer- und Start-up-Zentrum. Eine großartige Entwicklung, die die Wirtschaft im Südwesten stärkt und viele neue Arbeitsplätze schafft. Leider scheitert die weitere Ansiedlung von Gewerbe und vor allem die erfolgreiche Suche nach qualifizierten Mitarbeitern an der unzureichenden Verkehrsanbindung für den Personen- und Güterverkehr. Die CDU-Fraktion setzt sich deshalb für den Erhalt und die Weiternutzung der Goerzbahn von der Goerzallee nach Steglitz ein. Die Trasse besteht bereits und eine Testfahrt der Deutschen Bahn mit einem ICE-TD hat gezeigt, dass die Strecke jederzeit wieder in Betrieb genommen werden kann. So könnte der zunehmende Durchgangsverkehr in der Goerzallee, dem Teltower Damm und Dahlemer Weg entlastet und gleichzeitig eine bessere Anbindung für Anwohner und Angestellte geschaffen werden. Mit der Reaktivierung der Goerzbahn würde im Bezirk also eine Verbesserung der verkehrlichen Entschließung eintreten, die ansässige Unternehmen unterstützt.
Gabriele Grabowski
Das Bild ist schön und vielversprechend: ICE und Güterzüge rollen durch Zehlendorf, gelegentlich auch eine nostalgische, alte Lok. Die Goerzbahn, eine vergessene Bahnstrecke, die aus ihrem Dornröschenschlaf im Sinne der Mobilitätswende geweckt werden müsste? Schiene statt Straße, eine gute Maßnahme für den Verkehr, die Umwelt und die Wirtschaft, sogar für Liebhaber*innen historischer Züge und den Tourismus im Bezirk. Was so attraktiv klingt, könnte jedoch den Realitätscheck nicht bestehen. Die eingleisige Anlage ist unzureichend, der Platzmangel erschwert den Bau von Haltestationen, und die Start-ups der Goerzwerke haben zwar Interesse für eine bessere ÖPNV-Anbindung (was mit dicht getakteten Buslinien möglich wäre), aber nicht für Bahntransporte ihrer Waren. Würden hingegen die Gleise abgebaut, so würde mehr Platz für den Nahverkehr und eine Veloroute entstehen, und die Petition der Anwohnenden für mehr Zebrastreifen bzw. sichere Schulwege wäre nur ohne Gleisanlage möglich. Fazit: Es sind noch viele Optionen offen, die durch Beratung mit Anwohnenden, der Eigentümergesellschaft und dem Land Berlin, beantwortet werden können.
Kostas Kosmas
Für die „Goerzbahn“ sind Radwege, die Nutzung der Strecke für den ÖPNV, für den Güterverkehr oder als ICE-Versuchsstrecke u. a.m. denkbar. Das Land Berlin plant den Bahnhof zu erwerben, so das Bezirksamt (BA) per Beantwortung meiner Anfrage (Schr. A. 136/VI). Das BA hat keine Pläne für die Bahntrasse. Eigentümerin der Gleisanlagen und des Bahnhofsgrundstücks ist eine Tochter der DB. Diese hat einen Vertrag mit der ZEUHAG e. V. für den Bahnhof. Für die Verkehrssicherung, Pflege und Wartung der Gleise ist die Eigentümerin nach wie vor verpflichtet. Das BA (Tiefbau) wird auftretende Gefahrenstellen neben der Trasse sofort beseitigen und auch seitlichen Bewuchs zurückschneiden. Für die Ordnung darauf haften die Eigentümer! Die CDU spekuliert mit möglichen hübschen Vorschlägen ins Blaue hinein über die Verwendung des Eigentums Dritter. Deren Einstellung zum Eigentum ist erstaunlich und populistisch – um im Gespräch zu bleiben – und zudem verantwortungslos! Sobald die Eigentumsfrage geklärt ist und der Bezirk planen darf, wird die SPD im Rahmen einer Bürgerbeteiligung eine bedarfsgerechte Planung unter Einbeziehung aller Interessengruppen kreativ begleiten und nicht bevormunden.
Volker Semler
GOERZBAHN JA BITTE! Die Fraktion der Freien Demokraten (FDP) begrüßt die Forderung nach einer Reaktivierung der Bahnstrecke zu den Goerzwerken für den Personenverkehr. Gerade wenn sich die dortigen Betriebe vergrößern oder sich noch weitere dort ansiedeln, braucht es eine bessere Anbindung. Straßen wie der Dahlemer Weg und der Teltower Damm sind in jeder Richtung einspurig und können keinen weiteren Verkehr mehr aufnehmen. Auch ist in diesem Gebiet leider kein Car-Sharing möglich. Die FDP befürwortet ausdrücklich die Reaktivierung der Goerzbahn, weil die vorhandene Infrastruktur wieder nutzbar gemacht wird und das ganz ohne Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen. Mit der Personenbeförderung per Bahn würde das Gebiet zwischen Lichterfelde-West und Goerzwerken zum einen an Attraktivität gewinnen und zusätzlich den dortigen Verkehr entlasten, weil es eine Alternative zu Auto, Bus oder Rad gäbe. Den Vorschlag, die Bahn autonom fahren zu lassen, zeigt, dass neue Verkehrsmodelle aufgegriffen werden. Der FDP-Fraktion ist wichtig, dass für die Anwohner am Dahlemer Weg 2-3 Zusteigemöglichkeiten mitgeplant werden.
Gregor Habbel
Innovative Handwerksbetriebe, smarte Start-ups und produzierende Gewerbebetriebe haben sich seit dem Jahr 2015 im historischen Goerzwerk angesiedelt. Zahlreiche anspruchsvolle Arbeitsplätze sind so an der Goerzallee entstanden. Aber irgendwie müssen die Arbeitnehmer auch zu ihren Arbeitsstellen kommen. Und das ist hier, im tiefen Südwesten von Berlin, gar nicht so einfach. Wer sich schon mal im Berufsverkehr über den Teltower Damm oder den Dahlemer Weg gequält hat, der weiß, wie anstrengend das ist und wie lange das dauert. Viele unserer AfD-Wähler wohnen in den benachbarten Straßen. Daher sind wir mit dem Problem gut vertraut und deshalb unterstützen wir auch die Initiative, die eine Wiederinbetriebnahme der Goerzbahn fordert. Die Goerzbahn kann die Unternehmen in der Goerzallee über die noch liegenden Schienen mit dem U- und S-Bahn-Knotenpunkt Rathaus Steglitz verbinden. Mitarbeiter aus ganz Berlin wären dann schnell bei ihrem Arbeitsplatz in unserem Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Und ganz nebenbei würden auch noch die Anwohner von dieser schnellen und praktischen Verbindung zum Steglitzer Zentrum profitieren.
Peer-Lars Döhnert
Firmen aus dem Goerzwerk fordern in einer Onlinepetition die Rückkehr des Personen- und vermutlich perspektivisch auch Güterverkehrs zwischen Rathaus Steglitz und der Goerzallee. Teile der Politik wollen hingegen die Bahngleise entlang des Dahlemer Weges durch einen Radweg, Grünstreifen, Bushaltestellen und Zebrastreifen ersetzen. Beide Ideen gleichzeitig lassen sich nicht realisieren. Seit 2021 spricht sich DIE LINKE. in der BVV deswegen für ein strukturiertes Bürger*innenbeteiligungs-Verfahren aus, damit u. a. auch Anwohner*innen zu Wort kommen und ihre Ideen einbringen können. Für eine fundierte Variantenentscheidung müssen zahlreiche Fragen geklärt werden. So z. B.: Ließe sich die (schlechte) ÖPNV-Anbindung der Goerzallee nicht auch über Busse verbessern? Wovon würden die Gewerbetreibenden in der Goerzallee, wovon die Anwohner*innen der Bahnstrecke am meisten profitieren? Welche Entscheidung kostet wie viel Geld? Bis wann ist eine Realisierung der jeweiligen Variante realistisch? Wie wird sich die Lärmbelastung und Verkehrssicherheit entwickeln? Welches Konzept bringt den Bezirk am meisten in Richtung Klimaneutralität?
Dennis Egginger-Gonzalez
Weitere Informationen zur BVV und den Sitzungsterminen finden Sie unter www.berlin.de/-ii23015
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