Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Mai 2023
Den neuen Personalausweis eines Tages bequem online von zuhause aus beantragen, anstatt lange auf einen Termin beim Bürgeramt zu warten? Wie kann die Zukunft der Verwaltung aussehen? Im Folgenden nehmen die Fraktionen der BVV zu diesem Thema Stellung.
Die Antwort wird die Verwaltungsreform durch Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken sein. Die zukünftige schwarz-rote Landeskoalition wird hierfür den Rahmen schaffen, was wir als CDU-Fraktion begrüßen. Doch eine öffentliche Verwaltung der Zukunft muss nicht nur wieder funktionieren, sondern auch moderner werden. Neben der Erweiterung der Online-Dienstleistungen müssen auch vor Ort mehr und spontane Termine möglich sein. Das digitale Check-in-System könnte eine Lösung sein. Beim Nichterscheinen zu Terminen schließt das System effizient Lücken und bietet wieder neue an, wodurch sich das Angebot um bis zu 20 Prozent steigern lassen könnte. Die digitale Transformation muss auch in die Verwaltung rein wirken. Wir wollen uns für Digitallotsen in jeder Abteilung einsetzen. Hierbei werden IT-affine Beschäftigte, durch z. B. duale Studierende der Verwaltungsinformatik, fortqualifiziert. Der Papierstau muss enden und die Einführung der elektronischen Akte zeitnah beendet sein. Nur wenn wir das Angebot digitalisieren, zügig in der Verwaltung fortbilden und Prozesse digitalisieren, sowie die bürokratischen Hürden in Berlin einheitlich reformieren, werden wir eine moderne Verwaltung 2030 erreichen.
Simon Hertel
Die Zukunftsvision für die öffentliche Verwaltung bedeutet Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung! Leistungsstark, krisenfest, verlässlich und bürgerfreundlich sind Anforderungen, die an eine moderne Verwaltung gestellt werden. Besonders in einer internationalen und vielfältigen Metropole wie Berlin, in der die Kreativwirtschaft, eine nachhaltiger werdende Industrie und wettbewerbsfähige Start-ups die Dynamik der Stadt bestimmen, wird eine serviceorientierte und effiziente Verwaltung auf Senats- und auf Bezirksebene gebraucht.
An erster Stelle steht bei der Verwaltungsmodernisierung eine klare Zuständigkeitsregelung zwischen dem Berliner Senat und den Bezirken. Nur wenn geklärt ist, wer für die jeweiligen Aufgaben zuständig ist, können die Maßnahmen greifen. Bündnis90/Die Grünen setzen sich für eine bezirkliche Verwaltung ein, die personell und technisch gut ausgestattet ist, für familienfreundliche Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung. Es braucht eine Führungskultur, die auf Innovation und Projektorientierung setzt, um den Aufgaben und den Anliegen der Bürger*innen gerecht zu werden.
Heike Hüneke
Die Zukunft der Verwaltung ist digital und vernetzt. Mobile Angebote werden der Standard sein, ein Vor-Ort-Termin nur noch die Ausnahme. Auch die internen Verwaltungsprozesse müssen vollständig digitalisiert sein, wodurch Dienstleistungen passgenauer auf die Nutzer:innen zugeschnitten & langwierige Schritte vermieden werden. Durch die Digitalisierung wird auch die Arbeit der Verwaltung vernetzter und beschleunigt. Ein Zugriff auf Wissen und Daten ist schnell möglich, sodass die Bearbeitung vereinfacht wird und schneller abläuft. Die dafür notwendige technische Ausstattung der Beschäftigten und die IT-Infrastruktur in den Ämtern muss weiter ausgebaut werden. Moderne Arbeitsplätze und Arbeitsweisen erhöhen auch die Attraktivität der Verwaltung. Dies muss einhergehen mit neuen Personalentwicklungs- und Arbeitskonzepten, um bei qualifizierten und motivierten Beschäftigten sowie Nachwuchskräften konkurrenzfähig zu sein. Das vorrangige Ziel der Verwaltung ist es, die Bedürfnisse der Büger:innen abzudecken sowie die Daseinsvorsorge durch verlässliche Leistungen und Infrastruktur sicherzustellen.
Alexander Sempf
Die Berliner Verwaltung ist überaltert und unterbesetzt. Wir wollen, dass Ausbildung, gute Arbeitsbedingungen und Personalentwicklung Priorität bekommen. Die Verwaltung muss genauso vielfältig sein, wie Berlin selbst. Dafür haben wir im rot-grün-roten Senat diskriminierende Hürden bei Einstellungsverfahren abgebaut und verbindliche Ziele für mehr Vielfalt und Sprachkompetenz in der Verwaltung gesetzt. Die Digitalisierung ist eine der drängendsten Aufgaben. Dafür wurden die Ausgaben zuletzt massiv erhöht. Wir brauchen starke Bezirke! Behörden-Pingpong und organisierte Unzuständigkeit beenden wir nur durch eine Neuaufteilung und das Festzurren von Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken sowie straffe Entscheidungsprozesse. Moderne Verwaltung braucht mehr Demokratie: In den Nachbarschaften diskutierte und beschlossene Kiezhaushalte sowie echte Bürger:innenräte stärken Beteiligung über den Gang zur Wahlurne hinaus. Die Antwort auf Politikverdruss und Demokratiemüdigkeit ist mehr direkte Demokratie durch Mitreden, Mitmischen und Mitentscheiden!
Annetta Juckel
„Mein Personalausweis ist abgelaufen!“ Du hast jedoch bereits automatisch eine Ankündigung durch die Behörde erhalten. „Öffne die Webseite von berlin.de, identifiziere dich online, mach bequem zu Hause ein Passfoto und beantrage die Verlängerung vom Sofa aus. Der Ausweis wird dir dann ohne Weg zum Amt zugestellt.“
Davon ist Berlin noch weit von entfernt, aber eine Vision für 2030 könnte es sein. Die Freien Demokraten stehen seit jeher für einen Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert, seine Rolle als Dienstleister versteht und es seinen Bürgern so einfach wie möglich macht.
Wir fordern eine Aufhebung der bestehenden Kompetenzaufteilung zwischen den Bezirksämtern und den Senatsverwaltungen. An ihre Stelle tritt eine Verwaltung, die für das gesamte Stadtgebiet zuständig ist. Die Bezirksämter werden damit überflüssig. An ihrer Stelle sind im Jahr 2030 Bürgerbüros, die den persönlichen Kontakt zur Verwaltung ermöglicht, um die offenen Fragen und Anliegen zu bearbeiten. Einer Weltstadt würdig, ohne Amtsstaub und die Aussage: „Dafür bin ich nicht zuständig.“
Felix Recke-Friedrich
Wir wollen mal träumen: 2030 werden 95 Prozent aller Vorgänge unkompliziert online abgewickelt und alle Bürger, die das nicht können oder wollen, bekommen schnell, unbürokratisch und zuvorkommend persönliche Hilfe in genau einem zuständigen Amt. Aber, wir von der AfD haben da unsere Zweifel. Diese nähren sich aus jahrzehntelanger „Digitalisierungsoffensive“, „Bürokratieabbauoffensive“ und allen möglichen anderen Offensiven mit durchschlagend fehlendem Erfolg. Jetzt kommt noch ein obligatorischer „Queer-Beauftragter“ hinzu. Das macht irgendwie auch Angst. Vor zehn Jahren buchte man online einen Termin oder ging ins Bürgeramt, zog eine Nummer und war dann irgendwann an der Reihe. Wenn man eine telefonische Auskunft haben wollte, rief man einfach den entsprechenden Sachbearbeiter an. Vielleicht zu einfach? Wir wollen ja nicht rückwärtsgewandt sein, aber einen gewissen Charme hätte es schon, wenn wir zunächst erstmal die Verwaltung von vor zehn Jahren zurückbekämen. Wenn das erreicht ist, können wir tatsächlich anfangen zu träumen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Gregor Kadow
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