Erschienen in Gazette Steglitz Mai 2023
Im letzten Sommer stellten sich an der TU Berlin 20 Studierende aus dem Fachgebiet „Integrierte Verkehrsplanung“ unter Prof. Dr. Oliver Schwedes der Frage: „Mit welchen mobilitätsplanerischen Maßnahmen kann erreicht werden, dass der Kranoldplatz sowie sein Umfeld als räumlicher und sozialer Begegnungsort dauerhaft etabliert wird?“
Der im Februar 2023 dazu veröffentlichten Abschlussbericht stützt im Wesentlichen die Ideen der Initiative Lebenswerter Kranoldplatz zur Umgestaltung des Platzes. Auch deren Kritik an den bisherigen Planungen für den Umbau der beiden Kreuzungen diesseits und jenseits der Bahnunterführung sowie die Position der Initiative zur Verkehrssituation vor der Bäckerei Walf und zur Kreuzung Lankwitzer Straße/Lorenzstraße werden von dem Bericht untermauert.
Die Studierenden entwickelten im Rahmen ihres Praxisseminares „Nahmobilität“ Möglichkeiten zu einer sinnvollen Umgestaltung für mehr Lebensqualität der Stadtbewohner. Dabei war Grundlage dieser zur Mängelbeseitigung der aktuell unbefriedigenden Platzsituation erstellten Studie die über die Jahre geänderte Zielrichtung der Stadtplanung: Suchte man vor gar nicht allzu langer Zeit noch die jeweils beste Infrastruktur für Autofahrer, stellt man heute im Planungsgeschehen den Kiezbewohner und die von ihm geforderte höhere Lebensqualität in den Mittelpunkt. Umgesetzt auf den Kranoldplatz bedeutete das für die Studie, Ideen zu entwickeln, die ihn zu einem bevorzugten Aufenthaltsort machen, an dem statt parkender Autos Menschen in entspannender Atmosphäre anzutreffen sind.
Aktuell bietet der dreieckige Kranoldplatz kaum Möglichkeiten, ihn als bevorzugten Verweilort aufzusuchen. – Beliebt sind der Wochenmarkt und die kleinen Einzelhändler-geführten Läden in seinem Umfeld. Doch außerhalb der Markttage bevölkern Pkws den Platz auch dann, wenn in den umliegenden Parkhäusern noch genügend freier Parkraum vorhanden ist, durchschnittlich etwa 200 Plätze bleiben so täglich im LIO-Parkhaus unbesetzt. Dies zu ändern, halten Initiative und Studie den Wegfall der rund 70 Parkplätze auf dem Platz mit einer damit verbundenen Sperrung der südlichen und östlichen Straße für den Durchgangsverkehr für denkbar. Auf der dadurch gewonnenen Fläche könnten laut Studierenden ein zentral gelegenes Wasserspiel und Begrünung für bessere Aufenthaltsqualität sorgen, wobei ausreichend Platz für Marktstände bliebe. Um von der verkehrsträchtigen Lankwitzer Straße optisch und akustisch abgeschirmt zu sein, schlagen die Studierenden vor, Pflanzen oder Bäume in Reihen zu setzen. Integrierte Holzscheiben um die Bäume und unterschiedlich gestaltete Sitzmöglichkeiten könnten das Sitzplatzproblem lösen, Nachbarn und Kiezbesucher zusammenführen. Einen über die ganze Woche und nicht nur an Markttagen lebendigen Kranoldplatz würden Veranstaltungen bewirken; jahreszeitlich angepasst und bestenfalls sogar mit Kinderbetreuung: Im Sommer Kiezfeste und Freiluftkino, im Winter Advents- und Weihnachtsmärkte.
Mit der Studie sieht die Initiative Lebenswerter Kranoldplatz etlicher ihrer Überlegungen und Pläne bestätigt, so auch die Aussagen zur Verkehrsführung bis zur Lorenzstraße.
Der Abänderung des Berliner Mobilitätsgesetzes gemäß, das nun Fußgänger und Radfahrer verstärkt in den Fokus stellt, wäre so auch eine bis zum Jungfernstieg reichende 30er Zone zur Luftverbesserung und Lärmvermeidung angemessen, wie Stephan Voß, Mitbegründer der Kiez-Initiative, zu bedenken gibt. In der von verkehrsplanerischer Seite her angeregten Studie, kommt die Sicht auf die Verbindung von Einkaufs- und Aufenthaltsqualität noch zu kurz, die nicht nur der Initiative am Herzen liegt. „Wir wollen alle mit ins Boot nehmen“, erklärt dazu Voß und betont, dass Markthändler und Einzelhandel wichtiges Mitspracherecht und Berücksichtigung bei der Umsetzung der Pläne rund um den Kranoldplatz erhalten müssten, mache doch gerade die reizvolle Kombination zwischen Einkaufsmeile und Entspannungsort den besonderen Reiz dieses potenzialreichen Dreiecks aus.
Wenn auch die Initiative Lebenswerter Kranoldplatz in der Studie Bestätigung vieler ihrer Überlegungen findet, ist doch deren Umsetzung in der Umgestaltung des Kranoldplatzes noch nicht viel näher gerückt: Der Bezirk – zur Zeit noch stark „in eigener Sache“ beschäftigt – gehe das Ganze eher schleppend an, hört man da nicht nur aus Reihen der Initiative: Investitions- und Fördermittel müssten längst beantragt, das Städtebauförderungsgesetz und seine Programme genutzt, für die Schaffung lebenswerter Ortszentren bereitgestellte Gelder in Anspruch genommen werden. – Durchdachte Pläne und wissenschaftlich fundierte Überlegungen gibt es inzwischen reichlich. Und so ist es längst an der Zeit, dass der Bezirk sich entscheidet, die Umgestaltung rund um den Kranoldplatz als Ganzes in Angriff zu nehmen.
Den Abschlussbericht zur Kranoldplatz-Studie finden Sie unter dem Link www.static.tu.berlin/fileadmin/www/10002265/Lehre/Ergebnisse_der_Lehre/NahmobSoSe22_Projektbericht.pdf
Jacqueline Lorenz
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