Erschienen in Gazette Charlottenburg Mai 2023
Am Campus der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) in Zehlendorf werden Angewandte Wissenschaften der SAGE-Berufsfelder (Soziale Arbeit, Gesundheit/Pflege, Erziehung/Bildung) sowie Evangelische Religions- und Gemeindepädagogik gelehrt.
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist die Bedeutung der professionellen Pflege für die Menschen in allen gesellschaftlichen Schichten angekommen, die Wertschätzung für pflegende Menschen höher geworden. Der Studiengang Bachelor of Nursing eröffnet da vielversprechende neue Berufswege für in der Pflege arbeitende Menschen.
„Betrachtet man parallel den demografischen Wandel in der Bevölkerungsstruktur und den Fachkräftemangel, so wird die Akademisierung der Pflege zu einer zukunftsweisende Antwort auf die herannahenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Dass man Pflege auch studieren kann, sollten möglichst viele Menschen erfahren“, erklärt Eva Wallstein, Koordinatorin Studiengang Bachelor of Nursing an der EHB.
Im Studiengang Bachelor of Nursing lernen die Studierenden, Gesundheit zu fördern, Gesundheitsgefährdung zu reduzieren sowie professionelle Beziehungen zu erkrankten, beeinträchtigten oder sterbenden Menschen jeden Alters sowie zu deren sozialem Umfeld aufzunehmen und zu gestalten. Durch die Akademisierung erhalten die Studierenden die Möglichkeit, einen zukunftsweisenden Beitrag zur Professionalisierung der Pflege zu leisten. Interprofessionell mit Pflege- und Sozialwissenschaftlern aufgestellt, verspricht die EHB auch in diesem Studiengang durch praxisorientierte Dozenten eine hohe Lehrqualität. Die Studiengangsleitung liegt in Händen von Prof. Dr. Annerose Bohrer und Prof. Dr. med. Sven Lück. 2008 kam Frau Prof. Bohrer als Wissenschaftliche Angestellte im Studiengang Bachelor of Nursing an die Hochschule und erhielt vier Jahre später die Professur für Pflege und Gesundheitswissenschaft.
Während des sieben Semester umfassenden dualen Vollzeitstudiums, das auch den Quereinstieg für Pflegende mit Berufserfahrung bei verkürzter Studienzeit ermöglicht, werden umfangreiche Kenntnisse im weitgefächerten Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege vermittelt. Stationäre Akut- und Langzeitpflege gehören dabei ebenso zum Programm wie die ambulante Pflege. Das Studium führt neben dem akademischen Grad „Bachelor of Science“ zum Berufsabschluss der Pflegefrau bzw. des Pflegemannes. SkillsLab-gestützt erfolgt die Ausbildung im Wechsel von fachübergreifenden Theorie- und Praxismodulen, zu denen sich im Laufe des Studiums nach individueller Vorliebe Wahlmodule gesellen. Während die Theorieveranstaltungen in der EHB in Zehlendorf stattfinden, erfolgen die praktischen Phasen (rund 2.300 Praxis-Stunden) in Einrichtungen ausgewählter Kooperationspartner. Zwar werden keine Studiengebühren erhoben, doch unverständlich ist, dass es trotz des langen Studiums in diesem Studienzweig keine Vergütung der praktischen Studienphasen gibt. Nach vielen Jahren ist dieses Problem nun auf Landes- und Bundesebene angekommen und eine Änderung hin zur Vergütung dieser praktischen Ausbildungsphasen geplant, wie Gesundheits- und Pflegesenatorin Ulrike Gote in Aussicht gestellt hat.
Den Studierenden in der EHB stehen auf dem Campus moderne Skills Labore – zentrale Trainingseinrichtungen, in denen spezifische Fertigkeiten und Fähigkeiten praktisch vermittelt und geübt werden – zur Verfügung. Für die Trainings der vielschichtigen Pflegebereiche sind sie jedoch derzeit erst mit dem Nötigsten ausgestattet und durchaus ausbaufähig.
An diesem Morgen ist es ein simuliertes Pflegezimmer, in dem Studierende im gegenseitigen Rollenspiel Blutdruckmessen am Patienten und das richtige Übersetzen vom Bett in den Rollstuhl oder Stuhl trainieren. Professorin Bohrer zeigt keine Berührungsängste und greift geübt ein, als das Übersetzen noch nicht so recht klappen will. Die meisten Teilnehmenden hier sind Anfang 20, überwiegend weibliche Studierende, zwischen denen sich der an diesem Vormittag einzig männliche Absolvent routiniert den Übungen stellt. Oft finden die jungen Menschen hier ihre echte Identität, lernen durch das Studium ihre Stärken und Schwächen kennen, lernen Empathie zu entwickeln und auf ihr Gegenüber einzugehen. Die älteren Quereinsteiger werden von den Jüngeren geschätzt, nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrung, wird mir erklärt. In Zeiten von Pflege- und Fachkräftemangel lernen die Studierenden, ihre Kompetenzen verantwortungsvoll zu erweitern und zu nutzen. Im Vergleich zu anderen Ländern, gibt es da bei uns viel nachzuholen: Sei es bei der Versorgung von Diabetes-Patienten, bei Wundversorgung, Medikamentengabe oder Injektionen: Pflegetätigkeiten, die nicht der direkten Anwesenheit eines Arztes bedürfen und durch professionell ausgebildete Pflegekräfte übernommen werden könnten.
Prof. Bohrer bringt es auf den Punkt: „Fachkräftemangel und knappe Zeit für den Patienten sind das Eine – das Andere aber ist die Haltung, mit der dem zu Pflegenden richtig zu begegnen ist.“ Diese gleichermaßen wertschätzende Haltung für pflegende wie zu pflegende Menschen begleitet auch an diesem Vormittag spürbar die Übungen im SkillsLab. Im simulierten Praxisalltag lernen die Studierenden nicht nur praktische Pflegeaufgaben zu bewältigen: Da ist auch das richtige Einschätzen von Schmerzen und Ängsten des zu pflegenden, vielleicht sogar dementen, sterbenden oder beeinträchtigten Menschen, ist die Kunst des Ertragens, Zuhörens, Tröstens. – Und die Kunst, seine eigenen Empfindungen und Grenzen zu erkennen, die dann vielleicht auch professionelle Hilfe von anderen notwendig machen. All das kann auf diesem überschaubaren EHB-Campus in Zehlendorf, auf dem sich die Studierenden in intensiver Beziehung zu den Lehrenden befinden, unverkrampft vermittelt und selbst entdeckt werden. Dass dieser grüne Campus als „grüner Hörsaal“ noch reizvoller und zeitgemäßer wird, dazu haben mehr als dreieinhalb Jahre Bauzeit und energetische Sanierung der Hochschul-Gebäude und die Neugestaltung der Außenanlage beigetragen. Das „Re-Opening des EHB-Campus“ ist für den 18. Oktober 2023 geplant.
Mit den fundiert erworbenen Kenntnissen eröffnet sich den erfolgreichen Absolventen des Studienganges Bachelor of Nursing schließlich ein weites Berufsfeld, sei es in Pflegeeinrichtungen, in der Privatpflege, der Pflegeorganisation, in Ämtern und Krankenkassen oder in den Pflegewissenschaften. Auch wenn Kritiker künftig eine Akademisierung in der Pflege befürchten: Viele der Studierenden hier an der EHB geben überzeugend an, nach Studienende dicht am Pflegenden bleiben und arbeiten zu wollen, liegt doch für sie gerade in der Praxis des Pflegealltags und im Kontakt zum Menschen der besondere Reiz ihres Berufs.
Studierte Pfleger: in Wissenschaftsrat, Verbänden wie dem Deutschen Pflegerat und in Hochschulen werden sie zukünftig ebenso benötigt werden wie in der Pflege selbst: Durch wachsende Ansprüche an die Pflege und die im Pflegebereich Arbeitenden. – Und das nicht zuletzt angesichts immer neuer technischer Möglichkeiten bei Diagnose und Therapie. Klar ist, mit akademischem Abschluss wird nicht nur der Weg zur Führungsposition kürzer, auch eröffnen sich weitere Bereiche als mögliche Berufsfelder, die gelernten Pflegekräften kaum offenstehen.
Übrigens: Am 12. Mai 2023 veranstaltet der Studiengang Bachelor of Nursing von 14 bis 18 Uhr einen offenen Campus: EHB | Wir sind Pflege! Einblicke in die Praxis und Profession (eh-berlin.de). Vertreten sein werden der Pflegestützpunkt Steglitz-Zehlendorf, die Kontaktstelle Pflegeengagement Steglitz-Zehlendorf und der Mittelhof e. V.
Herzliche willkommen sind Menschen aus Zehlendorf, der Nachbarschaft und dem Quartier bzw. Sozialraum.
Weitere Informationen unter www.eh-berlin.de/studium/bachelor/bachelor-of-nursing
Jacqueline Lorenz
Evangelische Hochschule Berlin (EHB)
Teltower Damm 118-122
14167 Berlin
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