Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Juni 2023
Seit Jahrzehnten wird über die Gestaltung der Schloßstraße diskutiert und zum Teil heftig gerungen. Auch wandelte sich im Laufe der letzten Jahre das Kaufverhalten der Kunden und das Angebot des Einzelhandels sowie der ansässigen Kaufhäuser. Nun liegt ein Beschluss der BVV vor, indem das Bezirksamt beauftragt wird, die Bedingungen für die Sperrung der Einkaufsmeile zu prüfen, um ein Straßenfest spätestens 2024 durchzuführen. Zu diesem Thema nehmen die Fraktionen und die fraktionslosen Bezirksverordneten in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf Stellung.
René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher
Die Schloßstraße ist eine der attraktivsten Einkaufsstraßen Berlins und zieht Kunden über den Bezirk hinaus an. Viele reisen mit dem Pkw an. Gegen einzelne autofreie Verkaufssonntage, wie sie von Grünen, SPD und FDP beantragt werden, spricht nichts. Grüne, SPD und FDP sprechen allerdings selbst von einem „Modellprojekt“. Wir haben daher den Eindruck, dass diese langfristig die Sperrung für den Pkw-Verkehr wollen, wir sind dagegen. Die Beispiele Friedrichstraße und Wilmersdorfer Straße zeigen, wie einst florierende Einkaufsstraßen durch Grün-Rot, dort ohne Hilfe der FDP, ruiniert wurden. Dieses Schicksal wollen wir der Schloßstraße ersparen. Eine Sperrung der Schloßstraße für den Pkw-Verkehr führt nicht dazu, dass die Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, sondern dass sie in die großen Center oder ins Internet ausweichen. Allenfalls fahren sie durch die Nebenstraßen zu den Parkhäusern, was wir den Anwohnern nicht zumuten möchten. Den Erziehungsmaßnahmen von Grün-Rot werden sie sich – auch in diesem Falle – nicht beugen.
Torsten Hippe
Der Einzelhandel steht vor großen Herausforderungen, auch in unserem Bezirk. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir die lokale Wirtschaft stärken, indem wir zusammen mit Gewerbetreibenden und Anwohner*innen ihre Attraktivität und die der Innenstädte steigern. Durch die Anträge für ein Straßenfest und zwei autofreie, verkaufsoffene Sonntage auf der Schloßstraße wollen wir gemeinsam mit den Gewerbetreibenden die Straße auch am Wochenende beleben, mehr Aufmerksamkeit auf sie lenken und dabei die Erreichbarkeit gerade mit dem Bus sichern. Klar ist, dass wir die Straße zukunftssicher machen müssen: in Zeiten von Hitzewellen und einer älter werdenden Gesellschaft müssen Sitzmöglichkeiten und Verschattungselemente im öffentlichen Raum, aber auch breite Gehwege und eine barrierefreie Erreichbarkeit mitgedacht werden. Aber auch die Sicherung kultureller und sozialer Angebote im Kiez. Uns ist dabei wichtig, dass wir diese Schritte in Rücksprache mit den Menschen vor Ort gehen. Die positive Resonanz des Einzelhandels zu den bisherigen Initiativen freut uns darum sehr. Wir sind gespannt auf den Dialog und die Auswertung des Projekts!
Alexander Kräß
Nicht erst seit den Corona-Jahren hat der stärker werdende Onlinehandel Auswirkungen auf Einkaufsstraßen, wie die Schloßstraße. Darunter leidet die ortsansässige Wirtschaft. Um die Aufenthaltsqualität zu steigern, setzen wir uns dafür ein, die Schloßstraße an bestimmten Tagen für Autos zu sperren. Eine Ausnahme soll für den ÖPNV bestehen. Einen entsprechenden Antrag haben wir mit der Ampel-Zählgemeinschaft bei uns im Bezirk bereits eingebracht. Danach soll im Rahmen eines Modellprojekts die Schloßstraße an zwei verkaufsoffenen Sonntagen autofrei werden. Um die Relevanz der Maßnahme auch für die Zukunft betrachten zu können, soll das Bezirksamt eine Evaluierung des Projekts (vor allem mit Fokus auf die Gewerbetreibenden vor Ort) zur Aufwertung der Schloßstraße vornehmen. Außerdem soll zusätzlich an einem Wochenende die Einkaufsstraße gesperrt werden, um ein Straßenfest zu feiern. Dabei soll die ortsansässige Wirtschaft in die Planungen einbezogen werden. Wir sind uns sicher, dass diese Maßnahmen einen ersten Beitrag zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität darstellen werden.
Olemia Flores Ramirez
Die „Schloßstraße“ ist leider schon lange nicht mehr die umsatzstärkste Einkaufsstraße Berlins. Nach Corona sind Versandhandel und neue Shopping-Malls in der Stadt eine große Konkurrenz. Auch lange Baustellen sind oft der Tod von Geschäften und Lokalen. „Ich war vor kurzem mal wieder in der Schloßstraße und war enttäuscht!“, sagte mir eine Freundin vor ein paar Tagen. Ja, diese Straße zeigt in drei Malls und diversen Läden großen Leerstand. Sie hat an Attraktivität verloren, das müssen wir versuchen zu beheben. Aber nicht durch eine dauerhafte Sperrung der Schloßstraße, sondern bewusst durch ein Event, zu dem die Läden, Cafés, Restaurants auf einen Sonntag oder ein Wochenende ihre Kräfte bündeln können. Wir Freie Demokraten (FDP) setzen auf Angebote und Fixierung an bestimmten Tagen – das kann im Sommer sein oder ein Wochenende im Advent. Hier sollen die Geschäftstreibenden mit ihren Ideen einbezogen werden. Den Bewohnerinnen und Bewohnern von Steglitz-Zehlendorf diese Straße wieder ans Herz zu legen auch mit kulturellen Angeboten in der Schwartzschen Villa und der Ingeborg Drewitz-Bibliothek, ist unser erklärtes Ziel.
Mathia Specht-Habbel
Der Bierpinsel ragt in den blauen Himmel. Es ist Samstagmittag, einer der ersten schönen Tage im Frühjahr 2023. Der Bierpinsel steht leer, seine Farbe verblasst. Einst Sehenswürdigkeit, heute Ruine. Er wirkt auf mich wie ein Symbol für den Niedergang der eins umsatzstärksten Einkaufsmeile Berlins. In vielen Ecken türmt sich der Müll. Besonders die Gegend um den U-Bahnhof Schloßstraße ist dreckig und vermüllt. Obdachlose vegetieren hier vor sich hin. Das Bezirksamt muss dringend für Ordnung und Sauberkeit sorgen. Die Grünen wollen die Straße demnächst für ein Fest sperren. Wenn die Anwohner, Einzelhändler und Restaurantbetreiber am geplanten Straßenfest sinnvoll beteiligt werden, dann ist dagegen nichts zu sagen. Ich befürchte allerdings, dass die Grünen damit nur testen wollen, wie die lebendige und befahrene Schloßstraße in eine menschenleere und verwahrloste Fußgängerzone verwandelt werden kann. Ihr Vorbild ist die Friedrichstraße in Mitte, die von den Grünen für den Autoverkehr gesperrt und damit als Einkaufsstraße ruiniert wurde. Wir brauchen hingegen eine attraktive, lebendige, saubere und sichere Schloßstraße.
Peer-Lars Döhnert
Die Schloßstraße ist heute leider eine weitgehend gesichtslose Einkaufsmeile – Folge der neoliberalen Städtebaupolitik der letzten Jahrzehnte. Sie ist geprägt durch überwiegend (inter)nationale Ketten ohne jeden individuellen Charakter. Auch Aufenthaltsqualität sucht man vergebens. Was tun? Unkommerzielle Verweilmöglichkeiten, inhaber*innengeführte Gastronomie und Einzelhandel, eine Fußgänger*innenzone im Mittelteil, Begrünung, Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs – andere europäische Großstädte machen längst vor, wie es auch in Berlin besser gehen könnte. Zur Belebung könnte auch beitragen, wenn leerstehende Flächen für soziale Zwecke wieder in die öffentliche Hand kommen würden: eine Kita, Mieter*innenberatung für die angrenzenden Milieuschutzgebiete, Räume für Kunst und Kultur, eine 24/7-Einrichtung für obdachlose Menschen, eine Dependance des Bürgeramtes usw. Eine Subventionierung der Betreiber*innen der Shoppingmalls durch unser Steuergeld und das, was an Konsum abfällt, wenn z. B. Schüler*innen ihre Pausen zum Shoppen nutzen, wie die Ampel-Zählgemeinschaft SZ dies beabsichtigt, lehnen wir entschieden ab.
Pia Imhof-Speckmann
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