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Paul Jaray: Die Vernunft der Stromlinie

Ausstellung im Kunsthaus Dahlem

Paul Jarays erster Stromlinienrennwagen für Ley neben konventionellen Rennautos der Zeit, 1923. Foto: Schloss Arnstadt, Fotograf unbekannt
Paul Jarays erster Stromlinienrennwagen für Ley neben konventionellen Rennautos der Zeit, 1923. Foto: Schloss Arnstadt, Fotograf unbekannt
Erschienen in Gazette Steglitz Juli 2023
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Anlässlich des 100. Jubiläums der Entstehung des ersten Automobils, dessen Gestaltung auf wissenschaftlichen Forschungen zur Aerodynamik basierte, widmet das Kunsthaus Dahlem dem jüdischen Ingenieur, Künstler und Mathematiker Paul Jaray (1889–1974) die erste monografische Ausstellung in Deutschland. Die strömungsmechanischen Entdeckungen, die zu seinem Ley Prototyp von 1922 führten, revolutionierten nicht nur das Automobildesign, sondern griffen tief in die Entwicklung der Kultur im 20. Jahrhundert ein.

Technischer Fortschritt

Ausgehend von der Figur Paul Jarays und seinen innovativen Entwürfen widmet sich die Ausstellung den Verbindungen zwischen Ingenieurswesen und der Kultur der Moderne und spürt den Wechselwirkungen von technischer Forschung und künstlerischer Kreativität nach. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übte der wissenschaftliche und technologische Fortschritt eine große Anziehungskraft auf alle Bereiche des täglichen Lebens aus. Insbesondere die Massenmotorisierung faszinierte, versprach die automobile Freizügigkeit doch auch für die breite Bevölkerung persönliche Freiheit. Das Auto stand somit sinnbildlich für technischen Fortschritt und Modernität in der Gesellschaft. Aber auch die Bildkunst begeisterte sich für die moderne Technologie der Bewegung und feierte eine neue Schönheit der Geschwindigkeit. Diese Wahrnehmung hat sich heute grundlegend gewandelt und die (individuelle) Mobilität steht aufgrund der ökologischen Schäden, die sie hinterlässt, in der Kritik.

Vereinnahmung durch Faschisten

An der Entwicklung des modernen aerodynamischen Fahrzeugs hatte Jaray wesentlichen Anteil. Dass er trotz seiner Innovationen und technischer Grundlagenforschung heute kaum bekannt ist, ist auf das nationalsozialistische Regime zurückzuführen, das sich zwar seine Erfindungen aneignete, um den eigenen Anspruch auf Modernität herauszustellen, Jarays Autorenschaft daran jedoch im Zuge der Judenverfolgung eliminierte.

Indem die Ausstellung die Vielseitigkeit dieses heute in Vergessenheit geratenen Wissenschaftlers und Erfinders dokumentiert sowie den Einfluss, den seine Entdeckungen und die Aerodynamik insgesamt auf Kunst und Kultur seiner Zeit nahmen, leistet sie eine überfällige Rehabilitierung. So werden nicht nur Zeichnungen und Entwürfe für die bis heute berühmten Autokarosserien von Paul Jaray gezeigt, sondern auch Modelle seiner Rennwagen, darunter ein Nachbau des Wagens, der 1935 mit einer Geschwindigkeit von über 300 Stundenkilometern auf einer italienischen Straße einen Weltrekord aufstellte. Hinzu kommen Objekte der Alltagskultur, wie Zeitschriften, Magazine, Bücher und Spielzeuge, die zur Verbreitung der Stromlinienform und der Popularisierung von Geschwindigkeit beitrugen. Es werden zudem Zeugnisse gezeigt, die die Vereinnahmung des technologischen Fortschritts durch die faschistische Moderne dokumentieren.

Inspiration für Künstler

Künstler wie Marcel Duchamp, Fernand Leger und Constantin Brancusi sahen die eigene Arbeit durch schönlinige technische Objekte wie Rennwagen und Flugzeugpropeller gleichermaßen herausgefordert und inspiriert. Entsprechend werden die Verbindungen modernen Ingenieurswesens zu Futurismus, Dada und Bauhaus dargestellt, aber auch die Kritik an der Maschine, die sich seit den 1950er-Jahren in der Kunst artikulierte. Schließlich veranschaulicht die Ausstellung anhand ausgewählter Werke von Alexander Archipenko, Max Bill, Le Corbusier, Man Ray, Francis Picabia die Einflüsse, welche die von Jaray verwendeten aerodynamischen Stromlinien- und Spindelformen auf die Bildkunst, insbesondere die Plastik und Skulptur ausübten.

Die Ausstellung läuft bis zum 3. September im Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 12, 14195 Berlin. Geöffnet ist von mittwochs bis montags von 11 bis 17 Uhr, www.kunsthaus-dahlem.de

Titelbild

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