Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau September 2023
Das Team des FELD Theater für junges Publikum hat reichlich Grund, gleich einen Monat lang den 5. Geburtstag des Theaters zu feiern: 15.754 Menschen hatten 2018 mit ihren über die Bürgerinitiative gesammelten Unterschriften maßgeblich mit zu seinem Erhalt beigetragen. Mit dem Fest, das mit spannenden Projekten den ganzen September daran erinnern will, möchte das Team all seinen Rettern ein symbolisches Geburtstagsgeschenk machen und noch einmal „Danke“ sagen. Doch ohne das engagierte Team an Künstlern, Kulturschaffenden und Mitwirkenden wäre das FELD Theater am Winterfeldtplatz wohl in den letzten 5 Jahren kaum zu dem geworden, was es heute ist: Zu einem besonderen künstlerischen Ort der Kommunikation und gelebten Inklusion, einem Generationen-verbindenden Ort für Alle und einer vielschichtigen Plattform für Künstler – mit dem Bezirk als Fürsprecher hinter sich. Von Anfang an ganz vorne dabei Gabi dan Droste, Projektentwicklerin, Dramaturgin, Spielleiterin/(Co-)Regisseurin und last but not least überzeugte Netzwerkerin. Sie entwickelte das künstlerische Gesamtprofil von FELD mit spürbarer Lust an Spartenmix, Inklusion und allem, was zwischen den Generationen zu finden ist. Dabei hat sie bis heute die Freude an neuen Konzepten und Ideen nicht verloren und steckt damit das gesamte Team an. „Gemeinsam einfach machen, in guten wie in schlechten Zeiten“, ist ihr Motto, das dem Theater sichtlich guttut und ihm in den vergangenen Jahren viel neuen Zulauf gebracht und es längst zu einem unverzichtbaren Kiez-Kulturstandort gemacht hat.
Ein ebenso buntes wie themenbezogenes und vom gesamten Team entwickeltes Programm lädt den ganzen September über Unterstützer und Freunde des Theaters ein:
So richtet sich die Polit-Rallye „Wer wagt, gewinnt: Rettet das Theater“ an alle, die lernen möchten, wie man Häuser rettet, Demokratie lebt und Stadtgesellschaft zusammenschweißt. Dabei gibt es nur Gewinner. Gleichzeitig erzählt die Rallye die Geschichte des zum dritten Mal an diesem Ort in Schöneberg geretteten Kindertheaters und wie es vor fünf Jahren zu den dafür gesammelten 15.754 Unterschriften kam.
Mit ihrer Objekt-Theater-Performance „Es ist...ein Stein“ richtet sich die Frl. Wunder AG an das junge Publikum zwischen 4 und 8 Jahren und entführt es in eine fabelhafte Landschaft mit an den Beginn der Zeiten erinnernde uralte Felsen, verirrt umherstreifende Findlinge und funkelnde Mineralien. Im Handlungsmittelpunkt aber stehen die Steine, die viel zu erzählen haben. Und das Beste: 15.754 schöne Steine laden Kinder und Gesteinsliebhaber zum Steintausch-Flohmarkt ein.
Hausbetreiberin Gabi dan Droste schließlich widmet gemeinsam mit einem Sänger und zwei Tänzern die musikalische Tanzpoesie „AUS/GEFUCHST“ Menschen und Füchsen ab 6 Jahren. Dabei kommen Stadtfüchse zu Wort, wird das Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ zugunsten der Füchse korrigiert und können kleine Maler ihre „Ver/Fuchst“ gut gemalten Bilder vom haarigen Alleskönner versteigern lassen. – Dass das Feiern des Theatergeburtstags bei diesem spannenden Festprogramm nicht zu kurz kommt, garantiert das am Ende auf der offenen FELD Bühne vorgesehene fröhliche Treffen für Klein und Groß, Alt und Jung, Nachbarn, Bürgeraktive, Künstler und FELD-Begeisterte.
Informationen zu Terminen, Tickets und Programmübersicht unter www.jungesfeld.de
Ein weites Programm- und Themenfeld gilt es für die FELD-Betreiber seit Neubeginn als Theater für junges Publikum im Jahr 2018 zu beackern. Tanz, Performance, Workshops und Kooperationen mit verschiedensten Kultur- und Bildungseinrichtungen setzen in dem heute in hoffnungsfrohem Gelb erstrahlenden, zuvor 25 Jahre lang als Puppentheater-Ensemble Hans Wurst Nachfahren geführten Haus mit dem inzwischen ebenso einladenden Vorplatz, dem neuen FELD-Zimmer und offenen Café zeitgemäße Akzente.
Ein wichtiger Akzent des Hauses liegt auf Inklusion: Teilnehmen, Zuschauen und Ausprobieren soll auch denen möglich gemacht werden, die etwas anders als die Mehrheit der Menschen sind und damit beispielsweise eine sprachlich kulturelle Minderheit darstellen: So werden mit Inszenierungen und Workshops junge Menschen mit und ohne Hörbeeinträchtigung gleichermaßen angesprochen und wird die Identität „taub“* in den Theateralltag mit einbezogen. Ein erster wichtiger Schritt hin zu einem selbstverständlichen Miteinander, welches das Theater in Zukunft weiter ausbauen möchte. Auf seinem kreativen Boden gelingt das spielerisch und vergnüglich zugleich. Gabi dan Droste will mit ihrem Team intergeneratives und internationales Arbeiten wie auch die partizipativen Projekte sinnvoll inklusiv umgesetzt sehen – wobei Fördergelder wichtige finanzielle Unterstützung liefern und stets willkommen sind.
Inszenierungen wie das erste in inklusive Richtung weisende Stück „mitgefühl und ohne“ mit Franziska Henschel und ihrem Team im Jahr 2019 brachten für Gabi dan Droste den AHA-Effekt, das Theater zum Raum für alle weiterentwickeln zu wollen.
Inzwischen sprechen Kindertanzworkshops wie „bummeln & federn“ Kinder mit und ohne Hörbeeinträchtigung an und bringen sie zu vollem Körpereinsatz. Durch Bewegungen, Mimik, Gestik und mit viel Fantasie werden poetische Erzählungen zusammen mit Jan Kress und Julia Keren Turbahn, sowie Natalia Torales und Lea Martini einfühlsam vermittelt und entwickelt. Dabei erfahren die jungen Teilnehmenden, was passiert, wenn sie in die Welt der Stille abtauchen, Visuelles empfinden und sich mit ihrem Körper anstatt des gesprochenen Wortes ausdrücken. Ganz nebenbei lernen sie damit Wichtiges für ihren (Schul)Alltag.
Fortbildungsangebote wie „Visuelle Kommunikation – Mit dem Körper sprechen“ richten sich inklusiv und Gebärdensprache einschließend aber auch an erwachsene Lehrende.
– Ein großer Glücksfall für das FELD Theater ist, dass es Jan Kress im Rahmen von „mitgefühl und ohne“ kennenlernen und für seine Theater-Projekte gewinnen konnte: Selbst hörbeeinträchtigt, bringt der 2008 in Berlin angekommene Schauspieler, Tänzer und Performer wichtige Erfahrungen für eine erfolgreiche inklusive Theaterarbeit mit:
In Frankreich 2015 mit dem Preis „Bester internationaler Schauspieler“ ausgezeichnet, arbeitet Jan Kress, der u. a. auch am Deutschen Gehörlosentheater spielte, nun seit fast genau drei Jahren am FELD Theater, inzwischen in fester Anstellung. Hier ist der gebürtige Offenbacher maßgeblich für die inklusive Gestaltung des Programms verantwortlich, wirkt als Berater oder Performer in verschiedenen Projekten mit und bietet als Theaterpädagoge inklusive Workshops an. In Teamsitzungen mit begleitendem Gebärdendolmetscher und dank Jan´s Unterricht, werden die Teammitglieder immer besser in Fingeralphabet und visueller Mitteilung über Gebärden. Im mehrheitsgesellschaftlichen Team ist man dankbar für Jan´s Expertise, die immer wieder deutlich macht, worauf eigentlich es bei den inklusiven Projekten ankommt, in denen auch Gebärdensprache selbstverständlich wird. Jan erklärt: „Es gäbe ein falsches Bild, den Gebärdendolmetscher nur mit auf die Bühne zu stellen.“ Vielmehr sollten Performance und Übersetzung verschmelzen und bestenfalls eine Einheit bilden.
In Tanzprojekten mit tauben und hörenden Teilnehmenden bringt das visuelle Verständnis alle Kinder schließlich auf Augenhöhe. Oft müssen sie zuvor – angeleitet von Jan – erst wieder lernen, ihre fast verkümmerten Sinne wiederzuentdecken: Da ist die Visualität, ist das Spüren von Vibrationen der Lautsprecherboxen, auf denen man Körner rhythmisch tanzen sehen kann. Schritt für Schritt pädagogisch angeleitet, lernen alle, sich über Gebärden in alltäglichen Bildern mitzuteilen. Die so geschulte Aufmerksamkeit bringt auch den überwiegend auf die Lautsprache fokussierten hörenden Kinder Nutzen fürs Leben. Längst wird dieses besondere Workshopangebot von benachbarten und kooperierenden Schulen gut angenommen, verbinden die Tanzprojekte für alle und ohne Sprache Hörbeeinträchtigte und Hörende und ist dieses Format des FELD Theater zum anerkannten und nachahmenswerten Vorzeigeprojekt mit Vorbildfunktion für andere Kultureinrichtungen des Landes geworden.
Gabi dan Droste, Jan Kress und ihr Team wünschen sich für die Zukunft des FELD Theater für junges Publikum mit noch vielen anderen Theatern in Dialog treten und damit viele ganz unterschiedliche, junge und alte Menschen mit ihrer Interpretation der gelebten Inklusion erreichen zu können. Ihr Format wollen sie gemeinsam weiterentwickeln und ausbauen: So wird auch das Thema „Blind“ thematisiert: Das Tanzstück „Ohren sehen“ für Kinder ab 8 Jahren wird im Oktober als zweite choreografische Arbeit Lea Moros nach „Alle Augen staunen“ im FELD Theater für junges Publikum alle Sinne auf die Düfte und Geräusche ihres urbanen Lebensraumes ansprechen und auf eine vielstimmige Audio-Reise mitnehmen. Dabei geht es aus dem Theater hinaus, wo das Publikum einer Reihe von Lebewesen, die für sich selbst sprechen, begegnet. Das Stück bietet ein Orientierungssystem für blindes und sehbehindertes Publikum, sodass dieses sich selbstständig – mit angemessener Kleidung bei jedem Wetter – durch die Performance bewegen kann. Wer gemeinsam mit den FELD-Künstlern auf nacktem Beton tanzen will, findet Näheres zu Programm und Tickets unter www.jungesfeld.de
*Taub schließt verschiedene Identitäten und Lebensrealitäten wie gehörlos, schwerhörig, CI-tragend sowie spätertaubt ein.
Jacqueline Lorenz
FELD Theater für junges Publikum
Gleditschstr. 5
10781 Berlin
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