Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Oktober/November 2023
Die helle Kirche leuchtet den Passanten in der Matterhornstraße zwischen Argentinischer Allee und Breisgauer Straße entgegen – das Gotteshaus in Schlachtensee wurde in diesem Jahr 111 Jahre alt. Am 22. September 1912 weihten die Gläubigen in der Villenkolonie Schlachtensee ihre Kirche ein. Die Dorfkirche und die Pauluskirche in Zehlendorf reichten für die schnell wachsende Bevölkerung nicht aus, sodass in Schlachtensee der Wunsch nach einer eigenen Kirche geboren wurde.
Der Bau des neuen Gotteshauses wurde durch engagierte Bürger möglich, die zu diesem Zweck einen Kirchenbauverein gründeten. Im Jahr 1909 wurde mit dem Bau der Kirche begonnen, die aus einem zweischiffigen Kirchenschiff, einem quadratischen Turm und einer westlichen halbkreisförmigen Apsis bestand. Das Pfarrhaus wurde zeitgleich erbaut und dann mit der Kirche verbunden. Besonderheiten sind das freitragende Kruzifix aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und die Vaterunser-Glocke. Diese Glocke bekam die Kirche von der „Muttergemeinde“ in Zehlendorf geschenkt, der die Schlachtenseer Kirche bis zum Jahr 1949 angehörte. Vor langer Zeit läutete sie in einem hölzernen Glockenstuhl neben der Alten Dorfkirche in Zehlendorf Mitte. In Schlachtensee hing sie für viele Jahre im Kirchturm, bis sie 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins ausgestellt werden sollte. In den folgenden Jahren stand sie auf einem Holzgestell in der Kirche. 2016 brachte man sie wieder zurück in den Kirchturm. Das genaue Alter der Glocke ist nicht bekannt, doch anhand der Verzierungen und der Form wird davon ausgegangen, dass sie im 13. Jahrhundert gegossen wurde. Somit ist sie die älteste Kirchenglocke Berlins. Wenn sie erklingt, sind sieben Schläge zu hören – für die sieben Bitten während des Vaterunsers.
Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs machten auch vor der Johanneskirche nicht halt. Beschädigungen am Dach und den Fenstern waren zu beklagen. Weitere Schäden durch Feuchtigkeit folgten, denn die Sanierung der Kirche konnte erst 1957 fertiggestellt werden. Dabei erfolgte auch die Erneuerung des Innenraums. Historische Elemente wurden entfernt und der Innenraum vereinfacht. Die Taufkapelle, die sich ursprünglich im Untergeschoss des Turms befand, wurde in die Kirche integriert. Ein Mahnmal befindet sich in einem durch Glastüren abgetrennten Gedenkraum und ist ein weiteres wichtiges Zeugnis der Gemeinde.
Der Text für das Mahnmal stammt von Pfarrer Hellmuth Linke. Im Zusammenhang mit dem Mahnmal wurde eine Stiftung gegründet, die bis heute besteht. Die Gelder werden im Sinne der Versöhnung verwendet, die Entscheidung trifft der Gemeindekirchenrat.
Nahe der Johanneskirche ist der 2004 benannte „Heinrich-Albertz-Platz“. Der gebürtige Breslauer Heinrich Albertz (1915 – 1993) war von 1974 bis 1979 Pfarrer in der Kirche. Vom 2. Juni bis 26. März 1967 war er Regierender Bürgermeister von Berlin. Aufgrund seiner Reaktion auf den Tod des Studenten Benno Ohnesorg, bei der er in einer Rede die protestierenden Studenten für das Geschehen verantwortlich machte, wurde er von seiner Partei, der SPD, zum Rücktritt gedrängt. Seine Haltung zu den Studentenunruhen, die aufgrund des Besuchs des Schahs von Persien ausbrachen, hatte er zu der Zeit schon bereut. In die Schlagzeilen kam er nochmal im Jahr 1975, als er sich als Austauschgeisel für den entführten Politiker Peter Lorenz zur Verfügung stellte.
Die Gemeinde bietet ihren Mitgliedern eine Menge – begleitetes Pilgern, Frauengruppe, Treffen für Jugendliche, Eltern-Kind-Gruppe, Familienkirche und vieles weitere steht auf dem Programm, das unter www.gemeinde-schlachtensee.de ausführlich beschrieben ist. Auch für Terre des Hommes engagieren sich die Gemeindemitglieder und organisieren im November einen Basar zugunsten der Organisation.
Evangelische Kirchengemeinde Schlachtensee, Matterhornstraße 37 – 39, 14129 Berlin, www.gemeinde-schlachtensee.de
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