Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Februar 2024
Vor der Kino-Tür am Bundesplatz herrscht geschäftiges Treiben. Doch dahinter erreicht einen bereits im Foyer des Bundesplatz-Kino eine ganz besondere, fast persönliche Atmosphäre, die ein Entschleunigen und Eintauchen in die Welt des Films leicht macht und jeden Kinobesucher willkommen heißt. Sowohl neue als auch stets aufs Neue sehenswerte Filmleckerbissen vom Dokumentar- und Kurzfilm bis hin zum gerade angesagten Kultfilm stehen hier auf dem Programm, ausgewählt vom ebenso erfahrenen wie empathischen Betreiberteam. Hinter sich wissen sie elf Köpfe, von der erfahrenen Fachfrau aus der einstigen „Kurbel“ in Charlottenburg bis zu Kino-ambitionierten Studierenden und Minijobbern, die mit dafür sorgen, dass der Kinobesuch vom Ticketkauf bis zur Filmnachbesprechung eine runde Sache wird, egal ob der Besucher 17 oder 70 Jahre zählt, und dass bei aller gelieferten Qualität auch der Wohlfühlfaktor nicht zu kurz kommt.
Ob das Kino seit 1913 oder 1919 besteht, weiß keiner so genau, auf jeden Fall erinnern im Kinosaal noch alte geschnitzte Holz-Wandpaneele und die Seitentür zum Hof an seine frühen Tage als Casino-Lichtspielhaus mit 230 Plätzen am damaligen Kaiserplatz, der heute Bundesplatz heißt. Besonderer Flair weht durch diese Räume, die zeitgemäß, jedoch keineswegs totmodernisiert Altes mit Zeitgemäßem verbinden. Da sind im „Bundesplatz Kinocafé“ die acht quadratischen Tische, liebevoll aufgearbeitet, mit bequemen Stühlen und der Patina vergangener Jahre, an denen in Buch oder Zeitung aus dem kinoeigenen Bücherregal geschmökert, ein Heiß- oder Kalt-Getränk aus der reichen Theken-Auswahl dazu genossen und ein Stück Apfel- oder Flammkuchen genascht werden kann – in der warmen Jahreszeit auch draußen mit Blick auf das geschäftige Platztreiben: Ideal zur Einstimmung auf den Film vor oder zum Verarbeiten und Diskutieren des Gesehenen mit Gleichgesinnten nach der Vorstellung. Jeder Tisch für sich ist ein Unikat, aufgewertet mit handgefertigten Collagen unvergessener Berliner Filmschauspieler, die aus Berlin stammen und schließlich Weltkarriere machten:
Filmgrößen wie Karin Baal, Götz George und Horst Buchholz grüßen da in verschiedenen Posen unter Glas den Filmfreund. An der Wand dahinter schwarz-weiß Fotoplakate, aufgenommen von der 2022 verstorbenen Fotografin Ingeborg Ullrich, die mit ihrer Kamera immer wieder das Geschehen rund um den Bundesplatz aussagekräftig festhielt. Das ganze erfährt seine Steigerung dann im barrierefreien Kinosaal, der mit seinen 87 in altrosa während der Coronazeit frisch bezogenen und aufgepolsterten Kinoklappsesseln und einem Rollstuhlplatz, rotem Vorhang und ebenso vielseitiger wie moderner Filmtechnik mit digitalem Projektor und Projektoren, die sogar 35mm-Filmrollen professionell vorführen lassen, ein beeindruckendes Kinoerlebnis verspricht. – Was man in einem kleinen Kino kaum vermutet. Die Kinosessel stammen aus dem Zoopalast, vermitteln bequem wiederbelebt bestes Sitzgefühl.
Mit ebenso viel Know-how wie Fingerspitzengefühl und einem gehörigen Maß an Herzblut fürs Metier Kino haben die Betreiber Peter Latta und Martin Erlenmaier es geschafft, die coronabedingten Einbrüche aus der Zeit des nur langsam bei reduzierter Platzzahl wieder anlaufenden Kinogeschäfts allmählich auszugleichen und blicken nun positiv in die Zukunft ihres Kinos. Ihr eingeschlagener Weg scheint der richtige zu sein, auch wenn sie sich damit keine goldene Nase verdienen. „Wir wollen vielmehr, dass hier Alt und Jung nach unserem Programm Schlange stehen. Bei uns sollen sich Singles und Familien gleichermaßen wohl- und über unsere Filme angesprochen fühlen,“, bringt es Erlenmaier sympathisch auf den Punkt. Für ihr Kinoprogramm, das weniger auf Blockbuster als auf Arthouse setzt, sprechen sie sich mit dem Betreiber Karlheinz Opitz von den Eva-Lichtspielen in der Blissestraße ab, das derzeit jedoch in eine eher ungewisse Zukunft blickt. Karlheinz Opitz hatte 2011 Latta und Erlenmaier mit viel Fachwissen bei ihrem Start mit dem Bundesplatz-Kino begleitet. Die Drei kannten sich u. a. von den Eva-Lichtspielen und der Kinoszene her. Peter Latta war langjähriger Mitarbeiter der deutschen Kinemathek und Martin Erlenmaier u. a. als Kurator deutscher Filmreihen in den Eva-Lichtspielen unterwegs. Als das damals noch als Bundesplatz Studio geführte, und in die Jahre gekommene Kino vor dem Aus stand, verloren sie nicht ihren Glauben an seine Zukunft, sondern packten im Oktober 2011 mit eigener finanzieller Initiative und Muskelkraft kräftig mit an. Peter Latta erklärt: „Es gab hier kein Foyer mit Aufenthaltsqualität, kein Café, alles haben wir überwiegend in Eigenarbeit mit Freunden renoviert und – Filmtechnik inbegriffen – erneuert, um dem Publikum neben einem attraktiven Filmangebot auch eine angenehme Aufenthaltsatmosphäre bieten zu können.“ Das Konzept ging auf. Längst besuchen neben den Stammgästen aus dem Kiez auch Liebhaber des besonderen Films aus ganz Berlin das kleine, aber feine und verkehrsgünstig gelegene Kino am Bundesplatz, das ein Geheimtipp für seine Arthouse- und besonderen kleinen Filme ist.
Wie schonend in diesem Kino dank seiner regelmäßig gewarteten Vorführtechnik auch alte Filme gezeigt werden können und welchen Respekt ihm dies in Fachkreisen eingebracht hat, zeigt die Tatsache, dass den Betreibern vom Bundesarchiv regelmäßig wertvolle Filme wie Wochenschauen aus den Jahren 45/46 zur Verfügung gestellt werden, die noch auf Filmrollen laufen und damit großes Know-how und Fingerspitzengefühls des Vorführenden verlangen. Dafür gibt es im Bundesplatz-Kino eine Fachfrau, die diese professionelle Handhabung der empfindliche Filmrollen garantiert. Filmhistorische Filmreihen des Nachkriegskinos gibt es hier daher ebenso zu sehen wie aktuelle Produktionen. Ein großer Erfolg war die Langzeitdokumentation BERLIN-Ecke Bundesplatz von Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich, beliebt beim Publikum aber auch die Vorfilme aus diesem Bereich. In Kooperation mit der Initiative Bundesplatz e. V. veranstaltet das Bundesplatz-Kino die Berlin-Film-Reihe, die dem Zuschauer Berlin in all seinen Facetten näherbringen will: So veranstaltete die Initiative Bundesplatz beispielsweise anknüpfend an den Film „ Ein blinder Held – die Liebe des Otto Weidt“ eine Führung zu den Stolpersteinen rund um den Bundesplatz, und im Rahmen der Matinee-Filmvorführung konnten die Zuschauer in der anschließender Diskussion mit Sandra Maischberger als Mitproduzentin ins Gespräch kommen. Eine weitere Matinee-Filmvorführung aus dieser Berlin-Film-Reihe und dieses Formates mit einer Einführung von Martin Erlenmaier findet im Bundesplatz-Kino am 3. März um 11 Uhr zum Film „ES“ statt, der 1965 einer der ersten Filme des Jungen Deutschen Films war, sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch beschäftigt und 1966 fünf Bundesfilmpreise erhielt.
Ein wichtiges Ziel seiner Kinoarbeit sieht die Kinomacher-Garde Latta/Erlenmaier auch darin, den Austausch zwischen Jugendlichen zu fördern. Dazu beitragen soll die neue Eye Candy-Filmreihe im Bundesplatz-Kino, die sich hauptsächlich an junge Zuschauer richtet: Liv und Philine, Mitarbeiterinnen des Kinos, zeigen darin einmal im Monat einen bunten Mix ihrer Lieblingsfilme, von Horror über Drama bis Rom-Com. Davor und danach erwarten die Besucher im Foyer abwechslungsreiche Besonderheiten. Nächster Eye Candy-Film ist „La La Land“ am 11. Februar um 20.30 Uhr, Eintritt 8.- €. Aber auch an die Jüngsten wird im Bundesplatz-Kino mit einem ausgewählten Kinderprogramm gedacht, das regelmäßig wechselt. Ein besonderes Film-Highlight erwartet Filmfreunde im Bundesplatz-Kino noch bis Mai: In der Reihe „Psyche und Film“ werden in Kooperation mit der C.G. Jung Gesellschaft Berlin an jedem letzten Dienstag im Monat Filme zum Thema „Kindheit“ in Verbindung mit einem Filmgespräch mit Psychologie- und Publizistik-Studierenden vorgestellt. Nächster Film dieser Reihe ist am 27. Februar um 20.30 Uhr der Filmklassiker „E.T. – Der Außerirdische“.
– Auch wenn die beiden Kino-Betreiber seit 2011 für das Bundesplatz-Kino eine Menge erreicht haben, ruhen sie sich darauf nicht aus. Sie sind sich vielmehr einig: „Wir wollen das Bundesplatz-Kino gemeinsam mit unserem Team weiterentwickeln.“ – Dazu tragen die regelmäßigen wöchentlichen Sitzungen und Verbindungen in der Kinoszene ebenso bei wie ihr ungebrochener Idealismus für Menschen, Film und Kino.
Weitere Informationen zu Ticket-Preisen und Reservierungen sowie zum Spielplan und zu den Vorstellungen unter www.bundesplatz-kino.de
Jacqueline Lorenz
Bundesplatz-Kino
Bundesplatz 14
10715 BerlinTel. 030 85406085
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