Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal April/Mai 2017
Das Schulfach Heimatkundeunterricht – es war einmal. Doch viele Menschen beschäftigen sich auch heute noch mit dem Heimatgedanken, so dass im Freizeitbereich sinnvolle Angebote dafür sorgen können, den Bürgern die geschichtliche Entwicklung und Erforschung ihres Bezirks näherzubringen und ihnen seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhänge verständlich zu machen.
Dieser Herausforderung stellt sich seit 62 Jahren erfolgreich der gemeinnützige Heimatverein Wilmersdorf e. V., der im Jahr 1955 anlässlich der Festwoche „750 Jahre Schmargendorf“ entstanden ist. 50 Gründungsmitglieder, darunter Bezirkspolitiker, Geschäftsleute und Bürger hatten sich damals auf die Vereinsfahne geschrieben, sich gemeinsam der Pflege des Heimatgedankens der Stadtteile Wilmersdorf, Schmargendorf, Grunewald und Halensee zu widmen.
Inzwischen zählt der Verein 107 Mitglieder, wovon 31 männlich sind. Das älteste Mitglied, Ingeborg Heipcke, wird im April 101 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 74,7. Bedarf an jüngerem Nachwuchs besteht auch hier, wie in den meisten Vereinen. Zu verdanken ist der rapide Anstieg der Mitgliederzahl nicht zuletzt dem Engagement und umfangreichen Netzwerk Monika Thiemens (SPD), so dass wieder positiv in die Vereinszukunft geblickt werden kann. Die ehemalige Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf (2001-2011) übernahm 2014 den Vorsitz über den zu dieser Zeit 57 Mitglieder zählenden Verein, der im Rathaus Schmargendorf seine Geschäftsstelle hat.
Bei den vielfältigen Vereinsaktivitäten und Veranstaltungen ist für jeden etwas dabei: Lokalgeschichtliche Vorträge, Tagesfahrten ins Umland, Museumsbesuche, geführte Wanderungen, Besichtigungen von Betrieben, Botschaften und Landesvertretungen laden nicht nur die Vereinsmitglieder ein, auch Vertreter aus allen Kreisen der Berliner Bevölkerung sind herzlich willkommen, zu zivilen Preisen Heimatkundliches in entspannter Atmosphäre kennenzulernen. Und auch die Vereinsmitgliedschaft ist mit einem jährlichen Beitrag von 13,- Euro für Einzelmitglieder und 19,- Euro für Ehepaare durchaus erschwinglich. So kommen neue Mitglieder inzwischen auch aus benachbarten Bezirken, durch die attraktiven Vereins-Wanderungen angelockt.
2016 waren Veranstaltungs-Highlights, die auch weiter über den bezirklichen Tellerrand blicken ließen, u. a. der Besuch der Kirschblüte in den Gärten der Welt, eine Wanderung am Langen Sees und ein Abendspaziergang durch den feierabendlichen Zoo Berlin. Wer daran nicht teilnehmen konnte, genoss die Ausführungen schreibender Vereinsmitglieder, die über die vergangenen Aktivitäten im regelmäßig erscheinenden Rundbrief berichten.
„Pro Jahr bieten wir rund 16 Veranstaltungen“, erklärt die Vorsitzende, „daran nehmen neben dem Heimatverein auch gerne Vertreter der Institutionen unseres weiteren Wirkungskreises teil.“ Dazu zählt das Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin e. V. ebenso wie der Berliner Turn- und Sportverein (BTS) FRIESEN e. V., mit denen einige Mitglieder eine Doppelmitgliedschaft unterhalten.
Für 2017 ist die Planung bereits in vollem Gange. Großen Anklang dürfte die Wanderung entlang des Spreeufers am 23. April finden, und für den 28. April steht „Lokalgeschichtliches beim Kaffee – Sagen und Geschichten um das Jagdschloß und den Grunewald“ auf dem Plan.
Überaus nachhaltige Projekte, sozusagen Heimatkunde zum Anfassen, führt der gemeinnützige Verein außerdem durch:
An den nördlichen Tribünenhängen des Stadion Wilmersdorf stehen 200 Rebstöcke Weißen Rieslings, die der Partnerlandkreis Rheingau-Taunus dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf geschenkt hat. Seit Juli 2015 besteht hierfür eine Pflegevereinbarung mit dem Heimatverein Wilmersdorf e. V. Acht Vereinsmitglieder pflegen jeden Dienstag unterstützend und unentgeltlich den Weinberg, indem sie Reben pflanzen, schneiden, binden, biegen und schließlich die Weinlese durchführen. Die Rheingauer Weinbrunnen GbR verarbeitet dafür unentgeltlich die Weinausbeute und übernimmt die Abfüllung der Flaschen, die dann dem Bezirk zur Verfügung gestellt werden. Die „Wilmersdorfer Rheingauperle“ wird beim jährlichen „Rheingauer Weinbrunnen“ im Bezirk dann gebührend und fröhlich gefeiert.
Für die Weinherstellung werden mindestens 150 Kilogramm Beeren benötigt. Im letzten Jahr waren es wetterbedingt mit 75 Kilogramm jedoch deutlich weniger, so dass die Trauben von den Mitgliedern selbst überwiegend zu Gelee verarbeitet wurden.
Ein ebenso beliebtes Projekt ist die Herausgabe des Foto-Jahreskalenders, der 2016 historische Ausflugslokale zum Thema hatte und in diesem Jahr die 13 Bezirksbrunnen präsentiert.
Ein Projekt, das auch in anderen Bezirken Schule machen sollte und durch FEIN-Mittel unterstützt wurde, geht auf die Initiative und Durchführung von Monika Thiemen und Dr. Oliver Kersten zurück: Im November 2016 erschien die Broschüre in Taschenformat „Berliner Ehrengrabstätten auf Wilmersdorfer Friedhöfen“, die Auskunft über Verdienste und Leben der auf den drei Wilmersdorfer Friedhöfen in 23 Ehrengräbern Bestatteten gibt. Von Günther Abendroth bis Margarethe von Witzleben wird darin ihrer informativ gedacht. Zusätzlich wurden neben die rötlichen Steinmarkierungen auf den Ehrengräbern Informationstafeln mit jeweiliger Kurzvita platziert. Erhältlich ist die Broschüre gegen eine Schutzgebühr beim Bezirksamt.
Doch der Heimatverein Wilmersdorf e. V. stellt noch mehr in Aussicht: Das Broschüren-Projekt möchte er gerne auf weitere Friedhöfe ausdehnen. Monika Thiemen verrät außerdem: „Der Aufbau einer kleinen Bibliothek in unserer Geschäftsstelle gehört auch zu unseren Zielen für die nahe Zukunft. Denn über den Altbezirk Wilmersdorf gibt es relativ viel Literatur.“ Und so hofft sie gemeinsam mit dem Verein, dass das ein oder andere heimatkundlich interessante Buch über Wilmersdorf, Schmargendorf, Grunewald und Halensee den Weg in die Geschäftsstelle und damit in die Vereins-Bibliothek in spe finden wird.
Weitere Vereins- und Veranstaltungs-Informationen unter Telefon 030 – 822 57 57 und über E-Mail heimatvereinwilmersdorf@aol.de.
Jacqueline Lorenz
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