Erschienen in Lichterfelde West Journal April/Mai 2024
Hohe Mieten und Raumknappheit machen vielen Handwerksbetrieben und Künstlern in der Stadt stark zu schaffen. Als wahren Hoffnungsträger und Idealisten kann man da Frieder Rock bezeichnen, der mit der von ihm ins Leben gerufenen Genossenschaft „Eine für Alle“ als Investorin konsequent dieser Misere zu Leibe rückt, und das nicht nur im Berliner Südwesten. Hier hat die Genossenschaft im September das ehemalige Klavierwerk Lankwitz an der Haynauer Straße 67 gekauft und der Gründer freut sich nun gemeinsam mit den Genossenschaftsmitgliedern, nach ersehntem Lasten-Nutzen-Wechsel unter Erbbaurecht mit der BIM und erfolgter notarieller Beurkundung des Grundbucheintrages in diesem Monat mit dem Umbau zum Handwerkshof beginnen zu können. Daneben hat der in systemischer Organisationsberatung sowie in Prozess- und Projektmanagement versierte Genossenschaftsgründer ein weiteres Projekt im Berliner Südwesten im Blick: An der Osdorfer Straße will Rock mit der Genossenschaft auf einem rund 2.000 Quadratmeter großen Grundstück des Landes Berlin ein nachhaltiges Atelierhaus mit 25 Ateliers für Künstler errichten.
Viel Verständnis für das Handwerk, in dem immer auch ein großer Anteil Kunst steckt, bringt der gebürtige Schwarzwälder Frieder Rock aus seiner Heimat mit: Das Handwerk war in seiner Familie vielfältig etabliert, in der es Tischler, Elektriker und Blechner gab. Schon vor Jahrzehnten setzte Frieder Rock gemeinsam mit Gleichgesinnten die Vision von einer Genossenschaft, in der Mitspracherecht, Verantwortung, günstige Mieten und Mietsicherheit einen ruhig schlafen lassen, mit dem Mehrfamilienhaus, in dem er wohnte, erfolgreich um.
„Unserer Genossenschaft ist es wichtig, einen für Handwerksbetriebe und Künstler attraktiven innerstädtischen Standort zu schaffen, Raum zu erhalten und zu bezahlbaren Mieten anzubieten. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir Immobilien zu vernünftigen Konditionen finden. Der Bedarf ist da, wir suchen den Raum, ihn zu decken“, betont Frieder Rock, der mit der 2019 gegründeten „Eine für Alle eG“ der Verdrängung des Handwerks entgegenwirkt und ins Ungleichgewicht geratene städtische Infrastrukturen repariert. Zur Zielgruppe der Genossenschaft zählen so neben dem Handwerk auch die Bereiche Kunst und Kultur.
Als passende Ausgangsimmobilie für das Handwerk hat Frieder Rock in Lankwitz das ehemalige Klavierwerk gefunden, welches er 2023 erwarb und in das neben der bereits dort etablierten Tischleria-Möbeltischlerei und dem Gartenbauunternehmen Lange demnächst unter dem Dach der Genossenschaft weitere 10 aus 45 Bewerbern ausgewählte Handwerksbetriebe einziehen werden. Darunter Stickerei, Graveur, Bronzegießerei, Hufschmied, zwei Steinmetze sowie mehrere Holzhandwerksbetriebe – alles produzierende Betriebe. Sie sind zukünftige Genossenschaftsmitglieder, die über ihre erworbenen Genossenschaftsanteile Mitspracherecht und Mietsicherheit besitzen, sich mit dem zukünftigen Handwerkshof identifizieren und ihn gemeinsam weiterentwickeln wollen. Um diesen 12 unter dem Dach der Genossenschaft eingezogenen Betriebseinheiten zukünftig zum Haus eigenständige Zugänge von außen und individuelles Raumpotential bieten zu können, werden in dem ehemaligen Klavierwerk nun die dazu notwendigen Umbauten beginnen.
Und auch ihre zweite Zielgruppe, die Künstler, verliert „Eine für Alle eG“ nicht aus den Augen:
Als das Land Berlin – noch unter Vorgängerregierung – die Nutzung ihres rund 2.000 Quadratmeter großen Grundstücks in Höhe Osdorfer Straße 18 in Lichterfelde nach sogenanntem Erbbaurecht ausschrieb, reagierte auch Frieder Rock und bewarb sich mit „Eine für Alle“. Die Genossenschaft erhielt den Zuschlag mit der Zusage, dass sie das Grundstück 60 Jahre lang nutzen und ein freistehendes Atelierhaus für 25 Ateliers für Maler und Bildhauer darauf errichten dürfe. Gleichzeitig plante die damalige Regierung, die Hälfte der entstehenden Ateliers über die gemeinnützige GmbH Kulturraum Berlin anzumieten und Künstlern damit bezahlbare Arbeitsräume zu bieten. Die gemeinnützige GmbH (gGmbH) Kulturraum Berlin wurde 2020 als Tochter der öffentlich-rechtlichen Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung gegründet und stellt in Berlin professionell tätigen, freischaffenden Künstlern bezahlbare Ateliers und Werkstätten zur Verfügung.
– Doch nach der Wahl wollte die aktuelle Koalition das Projekt in dieser Art nicht mehr umsetzen, obwohl der Genossenschaft bereits hohe Planungskosten für einen nachhaltigen Bau hohen energetischen Standards auf dem Gelände entstanden waren. Frieder Rock fühlt sich und die Genossenschaft als Investor von der aktuellen Regierung im Stich gelassen: „Anstelle für die eine Hälfte der Ateliers dürfen wir nun nach dieser Entscheidung auch noch die Anteile für die zweite Hälfte aufbringen.“ Außerdem habe dadurch nun der Vorwurf einer Doppelförderung im Raum gestanden, der aber durch ein seitens der Genossenschaft geändertes Konzept nun vom Tisch ist. Erst einmal konnte die Vorbereitungsphase bis August 24 verlängert werden, und Frieder Rock und die Genossenschaftsmitglieder hoffen, dass im Sommer mit dem Bau begonnen werden kann, den auch der Bezirk Steglitz-Zehlendorf befürwortet.
– Anstelle den mit viel Idealismus, sozialem Verständnis und finanziellen Mitteln für eine bessere Infrastruktur tätigen Genossenschaften Steine in den Weg zu legen, sollte ihnen die Regierung vielmehr den Projekt-Weg ebnen. – Zeigen sie als Investoren doch gerade dort Einsatz, wo die öffentliche Hand versagt hat.
Weitere Informationen zur Genossenschaft „Eine für Alle“ unter www.einefueralle.berlin
Jacqueline Lorenz
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