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LYRIGMA – viel mehr als eine Buchhandlung

Wo Mensch und Lyrik sich näherkommen

Juliane Ziese: Lyrik leicht gemacht – auch für Kinder.
Juliane Ziese: Lyrik leicht gemacht – auch für Kinder.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juni 2024
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Raum für Sprache benötigt nicht viele Quadratmeter. Das beweist die Buchhandlung von Juliane „Jule“ Ziese in Schöneberg. Mit sicherem Gefühl für Poesie und Sprache hat die Übersetzerin, Autorin und Literaturwissenschaftlerin Ende 2021 ihren kleinen, aber feinen Buchladen eröffnet. – Mit dem Ziel, der in großen Buchhandlungen oft zu Unrecht eher stiefmütterlich behandelten Lyrik eine ihr würdige Bühne zu geben und sie in einer handverlesenen Auswahl Klein und Groß inspirierend näherzubringen. Bereits vor dem Buchladen lässt sich erahnen, wie viel Liebe zum Detail und zur Materie Sprache in ihm steckt: Sitzgelegenheiten einladend davor platziert, glitzernde Mosaiksteine, die zwischen in die Jahre gekommenen Pflastersteinen den Weg hin zu einem Paradies voller Poesie und Geheimnis weisen.

Einzutauchen gilt es darin, auf der Suche nach dem ganz besonderen Lyrik-Buch oder dem noch nicht geschriebenen Gedicht. Denn auch das kann jeder für sich in Jule´s Gedichte-Manufaktur finden; auf jeden Fall aber gute Gedanken und eigene Wortschöpfungen zwischen viel Poesie, ausgewählten Geschenken, Kunsthandwerk-Produkten und -büchern sowie besonderen Non-Book-Artikeln. Denn neben diesem großen Herzen für Lyrik klopft in Jule´s Brust auch eines für das analoge Kunsthandwerk und ein ganz großes für Kinder. Dass auch sie hier zu ihrem literarischen Recht kommen und den Reiz der Lyrik kennenlernen, dafür setzt sich die Buchhändlerin ein – mit ausgesuchten Kinderbüchern, Workshops in Schulen und spannenden Angeboten im Veranstaltungsraum ihres Geschäftes.

Alles so schön bunt hier

Mittag – Schule ist aus. Kinder auf dem Nachhauseweg von der Neumark-Grundschule schauen bei Juliane Ziese regelmäßig vorbei. Auch ihr neunjähriger Sohn geht auf diese Schule. Wie so oft, steht ein Becher mit Bonbons auf dem Ladentisch. „Da ist ganz viel saure Brause drin“, erklärt die Buchhändlerin den kleinen Leuten, die mit ihrer „Beute“ schnell verschwinden. Mütter, mit und ohne Lastenfahrrad, rufen durch die geöffnete Ladentür einen freundlichen Gruß. Die Frau von Gegenüber, die sich zum x-ten Mal erfolglos beworben hat, holt sich bei Juliane Trost: „Das nächste Mal klappt´s bestimmt.“ Längst ist die Lyrik-Fürsprecherin im Kiez eine Institution. Ansprache, Zuhören, früher in jedem Kiezladen eine Selbstverständlichkeit. Bei Lyrigma gibt es sie immer noch gratis. Dazu passt Poesie als Herzensangelegenheit gut. Und die steckt in jedem Teil des Ladens, der eine ebenso herzliche Atmosphäre ausstrahlt wie die Besitzerin selbst: In den Lyrik-Büchern und in den Gedichten, die noch nicht alleine die Kasse füllen und erst behutsam entdeckt werden wollen, und auch in den Kinderbüchern, die den jungen Kunden altersgerecht Anne Frank mit ihrer Geschichte und Orwells „Farm der Tiere“ vermitteln. Harry Potter steht nicht in den Regalen, kann aber – wie jedes hier im Laden bestellte Buch – nach kürzester Zeit abgeholt werden. Auch der Onlineshop bei genialokal.de verspricht reiche Auswahl, die bedarfsgerecht ins Buchgeschäft oder nach Hause geliefert wird.

Vom Verkaufsraum führen zwei Stufen hoch zum farbenfrohen Kinderbereich. Poster mit Waldtieren, Baum- und Vogel-Bingo, Gedichte für die Jüngsten und Bücherkisten auf Rollen zum ungestörten Stöbern. Daneben stabile Holzmagnete, Stiftmäppchen und Buntstifte. Alles ausgesuchte Artikel, die man nicht an jeder Ecke findet, beliebt auch als Geschenke für Kindergeburtstage.

Ausgewähltes statt Massenware

Juliane Ziese betont: „Es gibt so viele kleine Labels, die so tolle Sachen machen!“ Daraus schöpft sie ihr Sortiment, mit dem sie die Kunden immer wieder neu überrascht: Da sind die traditionellen Fliesen aus Brandenburg in Jugendstil-Optik, sind die in Risotechnik mit Pflanzenfarben vegan bedruckten Grußkarten, deren Produzenten jetzt im Juni ihren Laden in der Trautenaustraße eröffnen. Und da stehen auf den rund 28 Quadratmeter Verkaufsfläche herrliche Kunstgewerbe- und Bastelbücher zum Verkauf, darüber ein Stickrahmen als Krönung. Ein ganz besonderer Hingucker aber ist das von Jule selbst entwickelte kunstvolle Lyrikspiel für Groß und Klein ab 9 Jahren. In saphirblauer Box mit Goldprägung ist es ein Geheimtipp für Spielesammler und Poesiefreunde: Gedichte von Dichtern unterschiedlicher Epochen sind darin in einzelne Versstreifen zerschnitten, laden zum Neu-Zusammensetzen und damit eigenem Dichten ein. „Damit überfordert man auch Kinder nicht mit Lyrik, sondern führt sie in kleinen Schritten heran. Und auch jeder Erwachsene kann so noch zum Dichter werden, auch wenn er sich das vorher nie zugetraut hätte“, erklärt die Ideengeberin.

Viele Wege führen zur Lyrik

Neben dem Verkaufsraum liegt der gemütliche Veranstaltungs- und Seminarraum mit Lesesessel, Bastelecke und altehrwürdigem Klavier. Mittelpunkt ist der große Tisch, an dem – je nach Workshop – gebastelt, geklebt, gemalt – und natürlich „Poesie gemacht“ wird, vielseitig und nie langweilig. Mal sind es Collagen, mal Mosaike – und natürlich Bücher. Buchbinden gehört auch zum Programm der Köpenickerin, die es nach Schöneberg gezogen hat. Neu im Angebot: Der Kurs „Intuitives Malen“ mit Jorinde Nisse. Erwachsenen-Kurse wie der Mosaik-Workshop finden eher an den Samstagen statt, Kinderkurse für unterschiedliche Altersklassen Dienstag und Mittwoch. Montag ist das Buchgeschäft geschlossen. Die Mitarbeiterinnen Larissa und Navina unterstützen Jule im Laden. Regelmäßig ist sie unterwegs in Schulen. In ihren Poesie-Workshops, die auf die jeweilige Jahrgangsstufe ausgerichtet sind, geht es bei den Jüngsten auf dem Weg zur Lyrik erst einmal um das Gestalten der Finger ihrer zuvor abgepausten Hand. Für jeden Finger wird ein Wort gesucht, daraus dann ein Satz gebildet. Mehrere Sätze ergeben vielleicht schon ein Gedicht. „Es ist erstaunlich und begeisternd zugleich, welche Wortneuschöpfungen und Sprüche Kinder in ihrer unverkrampften und spontanen Art finden“, erzählt Jule. In höheren Klassen kann dann schon mal Alliteration Thema sein.

Juliane Ziese weiß sehr wohl, dass man Lyrik nicht von heute auf morgen zum Bestseller der Literatur machen kann, doch sie will mit ihrem Konzept und der Gedichte-Manufaktur viele Menschen dafür sensibilisieren – gleichzeitig aber auch für den Einzelhandel, der es durch Online-Foren immer schwerer hat. Dafür will sie mit ihrem so besonderen Buchladen Zeichen setzen.

Was sie sich wünscht? „Mehr Förderung für Lyrik-Projekte und vielleicht einen Buchhandelpreis, der Lyrik auszeichnet“, ist ihre Antwort.

An der Wand über dem Ladentisch steht: Keine Angst, nichts bleibt beim Alten! Und das gilt hoffentlich auch für die Lyrik, die bei Lyrigma ihre große Chance erhält.

Übrigens: Am 13. Juni findet im Lyrigma ein weiterer Abend der Reihe „Lyrik-Atelier“ statt. Diesmal lesen Max Prosa und Fritz Sebastian Konka aus ihren Texten, begleitet von Klavier- und Gitarrenklängen.

Weitere Informationen unter www.buchhandlung-lyrigma.de

Jacqueline Lorenz

Buchhandlung LYRIGMA

Steinmetzstraße 40
10783 Berlin

www.buchhandlung-lyrigma.de

Öffnungszeiten:
Di.-Fr. 13-18 Uhr, Sa. 10-18 Uhr

Titelbild

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