Leckeres Bildungsprojekt für Berliner Kitas
Mit kleinen Kindern zu großen Zielen
Erschienen in Gazette Charlottenburg Juni 2024
Beim Kita-Frühstück hat der Apfel eine Beule und die Gurke ist krumm. Deshalb werden beide von den kleinen Leuten links liegen gelassen – ähnlich wie im Supermarkt, wo nicht ganz makellose Früchte häufig ein trauriges Dasein fristen und schließlich im Müll landen. – Damit dies bald der Vergangenheit angehört, hat der gemeinnützige RESTLOS GLÜCKLICH e. V. aus Schöneberg mit „Bis auf den letzten Krümel“ ein weiteres mehrwöchiges, für die Teilnehmenden kostenloses Bildungsprojekt zum neuen Standard unserer Esskultur auf die Beine gestellt, das sich auch noch im nächsten Jahr an Berliner Kitas richten wird. Der Verein engagiert sich seit Jahren für mehr Wertschätzung und einen bewussten Konsum von Lebensmitteln. An dem aktuellen auf 390 Vorschulgruppen in ca. 300 Kitas ausgerichteten Projekt haben in den Jahren 2023 und 2024 nach derzeitigem Stand bereits 180 Vorschulklassen teilgenommen, berlinweit verteilt auf 125 Kitas. Für das Jahr 2025 können sich interessierte Kitas schon jetzt um eine Teilnahme bewerben.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Spielerisch prägt das vom Berliner Senat geförderte Projekt der Berliner Ernährungsstrategie die Essgewohnheiten junger Menschen und ihren Umgang mit Nahrungsmitteln bereits im Kindergartenalter und will damit nachhaltig zu einer Verminderung von Lebensmittelverschwendung beitragen. „Bis auf den letzten Krümel“ unterstützt Kitas bei der Umsetzung des Berliner Bildungsprogramms der Bereiche „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und „Gesunde Ernährung“. Wenke Heuts, Pressereferentin des RESTLOS GLÜCKLICH e. V., erklärt: „Gerade in heutigen Zeiten, in denen Erziehende in Kitas stark beansprucht sind, geben wir ihnen dieses individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse ihrer Kita anpassbare und sehr komplexe Projekt an die Hand.“ Das auf 10 Wochen angesetzte Projekt erlaubt den Kitas eine eigenständige Umsetzung, die fünf- bis sechsjährige Kinder der Vorschulgruppen für die Themen gesundheitsförderliche und klimaverträgliche Ernährung, Lebensmittelverschwendung, Wert der Nahrung und ökologisch nachhaltige Abfall-Entsorgung sensibilisiert.
Materialkiste spart Zeit
Die dazu vom Verein zusammengestellte vielseitige Materialkiste für die teilnehmenden Kitas beinhaltet ein Handbuch, das wertvolles Hintergrundwissen und Tipps für eine einfache und zeitsparende Vorbereitung sowie flexible Umsetzung des Projektes liefert. Daneben findet sich in der Kiste ein Aktionsplan, der für das Begleitprogramm gut in den Kita-Alltag integrierbare Workshop- und Exkursionsvorschläge gibt. Außerdem wird die besonders bei den Kindern beliebte „Krümelkiste“ mitgeliefert, in der spannende Bildungsmaterialien wie Spiele, Memory, Bücher sowie Utensilien und Bastelvorlagen für eine interaktive Entdeckungsreise mit den Vorschulkindern stecken. Die beiliegende Projektmappe gibt den Kindern die Möglichkeit, darin ihre Eindrücke und Gedanken während des Projektverlaufs festzuhalten.
Im Vorfeld können die Kita-Fachkräfte während eines eintägigen Fortbildungs-Workshops und beim gemeinsamen Kochen in Schöneberg das Projekt entspannt näher kennenlernen. Außerdem steckt der angebotene „Krümel-Kit“-Newsletter voller Wissen, Inspiration und Tipps für den Vorschul-Alltag.
– Immer mit dabei ist das vom RESTLOS GLÜCKLICH Verein herausgegebene Kinderbuch und Hörspiel „Benja & Wuse“ von Wenke Heuts als Autorin. Inzwischen gibt es dazu auch das passende Ausmalbuch.
Vier Stationen zum Lebensmittelretter
Ein ganz besonderes Highlight des Projektes ist der jährlich in der wärmeren Jahreszeit in vier Stationen stattfindende und ebenfalls kostenlose Lebensmittelrettungs-Parcours für die Vorschulgruppen: Aufgrund der großen Nachfrage bereits in diesem Jahr für 2025 buchen!
Die rund dreistündige Veranstaltung startet mit Lesung und Bilderbuchkino zu „Benja & Wuse“ und hält an der zweiten Station ein spannendes Bildersuchspiel mit Quiz bereit: Dabei ist auch viel Bewegung im Spiel und wird Lebensmittelwertschätzung den jungen Teilnehmenden spannend nähergebracht. An der nächsten „Tasting“-Station geht’s dann darum, gerettete Lebensmittel mit allen Sinnen näher kennen und schätzen zu lernen; über Aussehen, Riechen und Schmecken, bis hin zu der Information, wie viel Arbeit, Wasser und Liebe auch in einer krummen Gurke steckt. „Wir arbeiten mit einem Bio-Supermarkt zusammen, von dem wir die Äpfel mit Beulen und krummen Gurken als „Lernmaterial“ bekommen“, verrät Wenke Heuts, die seit Jahren aus voller Überzeugung und Wertschätzung für die Vielfalt des Lebens als wichtige Vermittlungspartnerin für den Verein und seine Ziele steht. Nicht zuletzt ihr ist es zu verdanken, dass die gut vorbereiteten und konzeptionell fundierten Vereins-Projekte in Fachkreisen und der Öffentlichkeit auf viel Anerkennung treffen. Und so bekommen die Vorschulkinder ganz nebenbei vermittelt, dass nicht nur unter Früchten, sondern auch unter uns Menschen belebende Vielfalt zu finden ist, die es intensiver zu entdecken gilt.
Pädagogisch gut durchdacht, wird dann auch an der letzten Parcours-Station ein selbstbestücktes Wurmkompostglas auf den Weg zurück zur Kita mitgegeben. – Dort können die fleißigen Kompostwürmer dann vom Glas in Garten oder kitaeigenes Beet umziehen, beobachtet und behütet von vielen kleinen Lebensmittelrettern.
Erfahrung macht klug
Wenke Heuts´ Erfahrung mit dem Projekt beschreibt sie so: „Alle Kinder bringen großes Interesse mit. Manche wissen schon viel zum Thema gesundes Essen, andere haben kaum Zugang zu frischen Lebensmitteln. Alle aber sind offen für neues, für sie unbekanntes Essen und beflügeln sich gegenseitig.“
Sehr gute Projekt-Erfahrungen gesammelt hat auch Katharina Gade, Bildungswissenschaftlerin und Fachberaterin für Nachhaltigkeit, die Kitas im Bildungsbereich begleitet und berät. Über den Leitfaden des Projektes war sie gleich „Feuer und Flamme“. Sie erklärt: „Die Projekteinheiten sind mit Begleitheft und Leitfaden sehr verständlich zusammengestellt und in den Vorschulgruppen ausgesprochen gut umsetzbar.“ Wichtige „Unterstützungsarbeit“ dabei leiste das Fabelwesen Wuse, wenn es mit dem Hörbuch die Mittagsruhe der Kinder begleitet. Beim Parcours war Katharina Gade dabei und ist begeistert, dass die Kindern über den Wurmkompost das Gefühl für die Materie Erde greifbar vermittelt bekommen. Katharinas Lieblingsstation aber ist die Verkostungsstation: „Da lernen die Kinder mit allen Sinnen, dass krumm und schief nicht zwingend schlecht bedeutet.“ So sei bei einem Kita-Spaziergang zum Supermarkt den Verkäufern die Frage gestellt worden, wo denn bitte die krummen Gurken geblieben sind. Und in einigen Kitas sei nun jeden Mittwoch Obsttag, an dem das Ernährungsthema weiter vertieft wird. Auch an Eltern geht da die Empfehlung, nicht nur 1A-Ware zu kaufen – beispielsweise auf dem Markt. In der Kita dann werde das Thema gesunde und nachhaltige Ernährung ganz unterschiedlich behandelt: Beispielsweise über Blindverkostungen mit verbundenen Augen, die alle Sinne sensibilisieren. Was schmeckt süß, was salzig, und wie fühlt sich Essen eigentlich an? Dazu wird der große Lebensmittelbaum gebastelt, der – wie eine Nahrungspyramide für Kinder – zeigt, was viel Energie gibt, um gut durch den Tag zu kommen, und was weniger. – Wobei auch Naschen in Maßen erlaubt ist. Im Blick behält man dabei auch die Bedürfnisse des Baumes, damit er wachsen und gedeihen kann.
Katharina Gade betont: „Bei der Projektumsetzung gibt es für die Kitas keinen Zeitdruck: Die Materialkiste kann beim Verein abgeholt werden, wenn die Zeit es erlaubt. Das Entgegenkommen von Seiten des Vereins ist groß.“ Verständliche Arbeitsbögen als „Nachweis“ beziehen Eltern mit ein, sodass letztendlich alle gemeinsam und unkompliziert im Sinne des Projektziels agieren können.“ Die Bildungswissenschaftlerin lobt auch die stete Weiterentwicklung des Projekts „Bis auf den letzten Krümel“: So liegen die Begleitbroschüren nun auch in weiteren Sprachen wie Türkisch und Arabisch vor.
Die nächsten kostenlosen eintägigen Fortbildungen für Fachkräfte im Vorschulbereich finden am 24. und 25. September 2024 jeweils von 9.30-16.30 Uhr im Coworking Space „Engelnest“ in der Wilhelm-Kabus-Straße 24, 10829 Berlin statt.
Anmeldung und weitere Informationen zum Projekt unter www.restlos-gluecklich.berlin/kitaprojekt/fortbildung
Jacqueline Lorenz