Vorletzte Station Berlin
Vor 100 Jahren starb Franz Kafka
Erschienen in Gazette Steglitz Juni 2024
Ein schwer Erkrankter suchte Erholung in Berlin: Im August 1923 verlegte der Schriftsteller Franz Kafka (1883 – 1924) seinen Wohnsitz von der damaligen Hauptstadt der Tschechoslowakei nach Berlin um, da seine Tuberkulose in Prag stärker zuschlug als im grünen Steglitz. Er zog mit seiner Lebensgefährtin Dora Diamant (1898 – 1952) zunächst in die Miquelstraße 8, an der Ecke Rothenburgstraße. Die damalige Miquelstraße heißt seit 1929 Muthesiusstraße. Das Haus steht jedoch nicht mehr. Zu dieser Zeit herrschte Hyperinflation, und obwohl die Miete von vier Millionen Reichsmark astronomisch hoch war, konnte Kafka sie noch bezahlen. Seine Vermieterin Clara Hermann sah jedoch, dass der Schriftsteller mehr zahlen könnte, und erhöhte die Miete: Anfang November belief sie sich bereits auf eine halbe Billion Reichsmark. Kafka fühlte sich von seiner Vermieterin ausgenutzt und schrieb später, inspiriert von seinen Erfahrungen mit Clara Hermann, die Erzählung „Eine kleine Frau“. Die Erzählung handelt um eine Frau, die sich ständig und grundlos über Kafka ärgert. Dennoch war er in Steglitz weitgehend glücklich, denn in einem Brief an einen Freund schwärmte er von der grünen Umgebung und dem nahen Botanischen Garten.
Geldmangel und Krankheit
Doch nach nicht einmal acht Wochen hatte sich Frau Hermann wohl genug geärgert. Sie kündigte Kafka und Diamant. Diese fanden nicht weit entfernt eine neue Bleibe in zwei Zimmern in der Grunewaldstraße 13. Aber die neue Wohnmöglichkeit war auf Dauer zu teuer, vermutlich auch wegen der luxuriösen Zentralheizung und elektrischem Licht. Kafka vollendete noch das Werk „Der Bau“, dann stand am 1. Februar 1924 der nächste Umzug an. Es ging nach Zehlendorf in die Heidestraße, heute Busseallee. Dort wohnten Franz Kafka und Dora Diamant jedoch nicht lange, denn schon nach wenigen Wochen zogen der schwerkranke Kafka und seine Lebensgefährtin aus Berlin in ein Sanatorium in Österreich. Dort starb er am 3. Juni 1924, Dora Diamant blieb bis zuletzt an seiner Seite.
Briefe einer Puppe
Aus seiner Steglitzer Zeit stammt eine Geschichte, die sich um den Schriftsteller und ein Mädchen drehte, das seine Puppe verloren hatte. Sie trafen sich im Stadtpark Steglitz, in dem der Künstler oft spazieren ging. Das Mädchen war sehr traurig über den Verlust der Puppe, sodass der Künstler begann, Briefe im Namen der Puppe zu schreiben und ihr die Abenteuer schilderte, die ihre Puppe auf ihren Reisen erlebte. Ob diese Geschichte wahr ist, konnte nie belegt werden. Aber auf jeden Fall ist sie eine schöne, herzwärmende Anekdote über Franz Kafka.
Gedenktafeln in Berlin
Am Haus Grunewaldstraße 13 in Steglitz und an der Busseallee 7 in Zehlendorf wurden Gedenktafeln für Kafka angebracht. Ihre Daten sagen aus, dass Kafka vom 15. November 1923 bis zum 1. Februar 1924 in der Grunewaldstraße und von Dezember 1923 bis März 1924 in der Busseallee wohnte. Aus einem Brief, den Kafka einem Freund schrieb, geht jedoch hervor: „Meine Adresse ist vom 1. Feber ab Berlin-Zehlendorf, Heidestraße 25-26, bei Frau Dr. Busse.“ Daher ist davon auszugehen, dass die Steglitzer Tafel die richtigen Daten enthält. Im Jubiläumsjahr soll die mittlerweile unleserlich gewordene Tafel am Haus in der Grunewaldstraße wieder hergerichtet werden, so ein Antrag der Bezirksverordnetenversammlung.