Gazette Verbrauchermagazin

Notker Schweikhardt und sein Kulturcontainer

Zwischen Tomate und Tagetes im Einsatz für Kultur und Kreativwirtschaft

Natur-Oase mit Beet-Vielfalt.
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Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juni 2018
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„Mehr Kultur für Berlin!“ ist sein Arbeitsmotto. Und so hat der selbst vor Einfällen und guten Ideen sprühende Notker Schweikhardt (MdA, Bündnis 90/Die Grünen), Sprecher für Kulturpolitik und Kreativwirtschaft und Direktkandidat für den Wahlkreis 1 Schöneberg Nord, auch einen ganz besonderen Ort für sein Wahlkreisbüro gewählt: In der Grunewaldstraße 8 / Ecke Elßholzstraße, gleich neben dem denkmalgeschützten und der Kultur verbundenen „Haus am Kleistpark“, öffnet er jeden Mittwoch um 16 Uhr die Tür seines braunen Kulturcontainers für Anwohner, Bürger und Gesprächsbereite, die ihn als Politiker aufsuchen.

Zuvor hatte der Container in der Frobenstraße gestanden, bis auf dem Grundstück mit Bautätigkeiten begonnen worden war.

Auf dem rund 1.000 Quadratmeter großen Gelände vor der Tür des umgewandelten Überseecontainers, das der ursprünglich selbst aus dem Kulturbereich stammende Naturfreund vor gut einem Jahr an der Grunewaldstraße 8 als Zwischennutzer und Privatmann angemietet hat, bietet er jungen und alten Anwohnern noch viel mehr als politischen Rat und offene Ohren für ihre Anliegen:

Auf rund 65 Hochbeeten können sie hier Obst und Gemüse ziehen, Blumen pflanzen und in naturnahen Rückzugsecken chillen oder Kultur auf einer von ihnen selbst oder von Notker organisierten Veranstaltung unverkrampft genießen. So auch am „Tag der offenen Tür“, beim Erntedankfest, zum jährlichen „Kleidertausch“ mit dem BUND und der Grünen Jugend oder beim gemeinsamen Grillen.

Weltverbesserer mit viel Know-how

Politiker wurde Schweikhardt aus der Not heraus: Als Bühnenbildner, Filmdesigner und Art Director fielen dem gebürtigen Frankfurter immer wieder die im Kulturbereich herrschenden unsozialen Verhältnisse auf. Nach Stationen in u. a. in den USA und Österreich kam Notker Schweikhardt 1991 nach Berlin, wo er heute in der Nähe des Schöneberger Nollendorfplatzes lebt. „Ich wollte selbst aktiv werden, um die bestehenden Verhältnisse zu verbessern“, erklärt er seinen Weg in die Politik. Als „Schlüssel zur Stadt“ bezeichnet der die Kulturszene, in der er nach wie vor engagiert ist. Im Wahlkreis-Container ist die Farbe Grün vorherrschend inmitten von gemütlichem Chaos. Auf einem Foto über der Couch räkelt sich Nina Hagen in der Gummizelle der extravaganten „Propeller Island City Lodge“, und gegenüber an der Wand erinnert ein Foto mit Tim Renner in erster Reihe an einen Polit-Spaziergang durch Glienicke.

Über seine politische Arbeit fand Schweikhardt auch Zugang in den Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements und damit dem freiwilligen Einsatz vieler Menschen im Kiez; – unverzichtbar für ein funktionierendes Zusammenleben.

Mit gutem Beispiel geht Schweikhardt auf seiner Naturoase voran: Er ist es, der aus eigenen Mitteln die Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, dass kleine und große Anwohner mitten in der Stadt zu allen Jahreszeiten Naturerlebnis mit Gartenarbeit und gegenseitigem Austausch finden können. Die nötigen zur Verfügung gestellten Utensilien wie Sitzsäcke, Sonnenschirme und Gartenzubehör – natürlich überwiegend in grün und gelb – finden in einem zweiten angemieteten Container Platz.

Mit Europaletten aus unbehandeltem Holz wurden Sitztribüne, Bänke, Tische und Hochbeete errichtet; auch da half die Fachkenntnis Notkers – ehemaliger Architektur-Student der technischen Universität Darmstadt – ein gutes Stück weiter. Und in der gut platzierten Leinwand, die für Filmvorführungen treue Dienste leistet und von der Straße aus nicht zu sehen ist, erkennt man die Handschrift des „Hausherrn“ als erfahrener Bühnen- und Filmgestalter. Da in der Gegend Ensembleschutz besteht, geht Notker äußerst behutsam mit der Geländenutzung um.

Die Natur verstehen, schützen und mit ihr leben

Dass es dabei ökologisch einwandfrei zugeht, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. So sind fast alle Pflänzchen diesen Jahres aus gesammelten Samen des letzten Jahres hervorgegangen. Die Beete, für deren Bewerber es bereits eine lange Warteliste gibt, sind so unterschiedlich gestaltet wie es ihre Gärtner selbst sind: Da stehen die Setzlinge der Lehrerin in Reih und Glied, während es auf dem Beet der Neunjährigen in fröhlichem Durcheinander wächst. Eine farbbegeisterte Familie hat bunte Mini-Gartenzwerge platziert, und künstlerisch gestaltet schmücken Ton-Vögelchen ein anderes Hochbeet.

Bekannt für seine superscharfe Chili-Zucht ist der „Tigertatzen-Schülerladen“, der schon recht professionell auf seinem Hochbeet mit Mini-Gewächshaus agiert. Auf so manchem Fensterbrett in der Umgebung standen vorgezogene Tomatenpflänzchen, die dann in der Frühlingssonne den Weg aufs Hochbeet fanden. Auch Notker Schweikhardt hat seine Hochbeete, auf denen im Sommer aber überwiegend Wicken und Tagetes blühen. – Farblich Notker´s Fraktion entsprechend angepasst wie die rund 250 Sonnenblumen, die unverzichtbar sind…

Miteinander ohne Zwang

An seinen kleinen Rückzugsbereich an der frischen Luft außerhalb des Container-Büros zieht es den Politiker bei schönem Wetter häufig zum Arbeiten und zu Gesprächen, die Wahlkreis und Kulturarbeit betreffen. Gleich nebenan buddeln dann Kleinkinder im weißen Sand, gut beobachtet von einer Rentnerin, die ganz nebenbei Tomaten ihres Beetes gegen den Salat ihrer Nachbarin tauschen möchte. Hier ergänzt man sich. Das macht dieses Miteinander wohl auch so erfolgreich, in dem dennoch jeder als Individuum mit ganz eigenen Bedürfnissen geachtet wird.

Ein ausrangierter Spültisch findet inmitten der Beete Wiederverwendung anstatt auf dem Müll zu landen, und überhaupt beginnt hier für einige beinahe ausrangierte Gegenstände ein zweites, sinnvolles Leben zwischen Pappeln und Hochbeeten. Ansonsten anfallende Materialkosten teilt man sich.

In der Ecke, fern von Auge und Nase, hat die Kompostecke ihren Platz, chemischen Dünger sucht man hier vergebens. Bald wird wieder ein neues Tipi Aufstellung finden, nachdem das alte Zelt beim letzten Sturm davongeflogen ist. Und auch die Voliere für Kanarienvögel aus unüberlegter Haltung ist fast fertig.

An tierischen Gästen fehlt es schon jetzt auf der Anlage nicht: Die Wild-Kaninchen haben in nur kurzer Zeit gelernt, die Hochbeete akrobatisch zu erklimmen. Außerdem stehen hinter dem Container zwei Bio-Bienenstöcke der Imkerei Mädelfleiss, die ihren Sitz in der nahen Eisenacher Straße hat und für ihre ökologische Bienenhaltung bekannt ist. Zum Trinken treffen sich die fleißigen Bio-Bienen am eigens auf dem Areal für sie kreierten Trinkbecken mit Stein „zum Festhalten“. Auch an die anderen Insekten wurde gedacht und so manches Insektenhotel geschaffen.

Einen großen Wunsch haben Notker Schweikhardt und die Anwohner für das grüne Paradies mitten in der Großstadt: Möglichst lange möchten sie es mit Gleichgesinnten weiterentwickeln können und hoffen, dass das Grundstück keiner anderen Nutzung zugeteilt wird…

Jacqueline Lorenz

Notker´s Kulturcontainer

Grunewaldstraße 8/Ecke Elßholzstraße
10823 Berlin-Schöneberg

www.notker-schweikhardt.de

Am 16. Juni 2018 ist „Langer Tag der StadtNatur“. Ab 13 Uhr können sich Besucher ihr eigenes Bild von dieser besonderen grünen Oase an Notker´s Kulturcontainer machen. Neben vielen Überraschungen erwartet junge Gäste ein spannendes Quiz, bei dem es ganz besondere Vögel zu entdecken gibt…

Titelbild

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