150 Jahre Landgemeinde Friedenau
Jubiläumsfest am 7. Juli auf dem Breslauer Platz
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juli 2024
Auguste Hähnel, Ehefrau von Baumeister Hermann Hähnel, stand vermutlich noch ganz unter dem Eindruck des 1871 beendeten Deutsch-Französischen Kriegs, als sie vorschlug, den neu entstandenen Ort Friedenau zu nennen. Ihr Mann war Direktor des Landerwerb- und Bauvereins auf Actien, der die Ländereien in Friedenau bebaute.
Verkauf nach Gründerkrach
Etwa zehn Kilometer von Berlin-Mitte entfernt entstand auf den früheren Äckern des Ritterguts Wilmersdorf ein neuer Wohnort. Initiator war Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde, der neue Eigentümer der Ländereien. Er hatte erst bei Hamburg und anschließend in Lichterfelde in Villenviertel investiert. Friedenau war sein nächstes Projekt. Doch hier verließ ihn das Investorenglück. 1873 brachte ihn der sogenannte Gründerkrach um einen Großteil seines Vermögens und er verkaufte sein Gelände auf dem sogenannten Wilmersdorfer Oberland weit unter Wert an David Born (1817 – 1879). Dieser griff zu und gründete mit mehreren Mitstreitern den eingangs erwähnten Landerwerb- und Bauverein auf Actien.
Das eigene Haus im Grünen
Mit der neuen Landgemeinde sollten vor allem Berliner angesprochen werden, die sich eigene Häuser samt Gärten leisten konnten. Lärmbelästigung und schlechte Luft durch Industrieansiedlung wurden von den Gründern ausgeschlossen. Aber auch Mietwohnungen für ärmere Menschen waren nicht vorgesehen. Vorgeschrieben waren maximal zwei Stockwerke für die Gebäude. Ein Garten sowie ein Vorgarten mussten zwingend vorhanden sein. Der Ort sollte eine grüne Heimat für gehobene Schichten werden. So begann der Bau der ersten Landhäuser – so manches alte Gebäude ist erhalten geblieben und kann heute noch bewundert werden, beispielsweise die Landhausvilla Niedstraße 13 aus dem Jahr 1881. Die Erreichbarkeit des Ortes war gut – 1877 eröffnete der Bahnhof Wilmersdorf-Friedenau (heute Bundesplatz) und bereits 1874 war der Bahnhof mit Namen „Friedenau“ eröffnet worden, der jedoch bereits im benachbarten Schöneberg lag.
Miethäuser gegen Wohnungsnot
Am 9. November 1874 erklärte Kaiser Wilhelm I. Friedenau zur selbständigen Landgemeinde. Friedenau gehörte zum damaligen Landkreis Teltow. Die Idylle der Landhäuser blieb jedoch nicht lange erhalten. 1887 musste – mal wieder – die Wohnungsnot gelindert werden. Auch in Friedenau wurde nun höher gebaut, die neue preußische Bauordnung sah Miethäuser mit bis zu fünf Stockwerken vor. Die Vorgärten blieben zumeist und auch Gärten findet man – wenn auch verkleinert – noch vor.
Mittelpunkt Friedrich-Wilhelm-Platz
Gut erkennbar ist noch heute die typische Carstenn-Figur, die sich durch eine symmetrische Straßenführung und die Anlage kleiner sowie großer Plätze auszeichnet. In Friedenau bekam der große, im Jahr 1870 angelegte Platz den Namen des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, der unter dem Namen Friedrich III. im Jahr 1888 für 99 Tage Kaiser war, bis er an Kehlkopfkrebs starb. 1887 erfolgte die gärtnerische Gestaltung des Platzes. Eine große bauliche Veränderung folgte 1891. Die evangelische Gemeinde in Friedenau wünschte sich schon länger eine eigene Kirche. Bis dahin mussten die Gottesdienste in einem Gasthaus stattfinden. Der Kirchenbau begann 1892 und im November 1893 wurde die Kirche Zum Guten Hirten auf der Südseite des Platzes eingeweiht. Die ursprüngliche, angerförmige Form des Platzes ging verloren, als die Bundesallee in den 1960er-Jahren ausgebaut wurde.
Rathaus für wenige Jahre
Mit der wachsenden Einwohnerzahl wuchsen auch die Verwaltungsausgaben. Anfang des 20. Jahrhunderts war klar – ein eigenes Rathaus musste her. 1913 wurde der Grundstein gelegt und am 16. Dezember 1915 bezog die Gemeindevertretung ihre Räume. Mit der Eingemeindung von Friedenau als Teil des Bezirks Schöneberg nach Groß-Berlin im Jahr 1920 verlor das Rathaus seine Bedeutung. Hier zogen zunächst Teile der Schöneberger Bezirksverwaltung ein. 2016 wurden in dem Rathaus Flüchtlinge untergebracht.
Elektrizität aus Friedenau
Es werde Licht – die Straßenlaternen in Friedenau wurden mit Petroleum betrieben, bis das ersehnte Elektrizitätswerk, von 1905 bis 1907 nach Plänen des Architekten Johannes Duntz erbaut, ans Netz ging und den Laternen sowie den Haushalten elektrisches Licht bescherte. Das Gebäude ist bis heute an der Rheingaustraße 30 zu sehen. Den Friedenauern diente es jedoch nicht lange. Schon bald reichten die Kapazitäten nicht mehr aus und das Kraftwerk Steglitz übernahm die Versorgung von Friedenau. Das ehemalige Elektrizitätswerk wurde zum Umspannwerk. 1990 wurde auch dieses nicht mehr benötigt.
150-Jahr-Feier auf dem Breslauer Platz
Am Sonntag, dem 7. Juli 2024, feiert Friedenau sein 150-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsfest auf dem Breslauer Platz.
Das Fest bietet Musik- und Tanzvorführungen, darunter Auftritte der Chöre Stimmwerk Friedenau und Chorflakes Friedenau sowie der Musiker der Gemeinde Zum Guten Hirten. Jugendbands wie Firecrackers, Straight Up und The Leava vom Rheingau-Gymnasium und dem Kinder- und Jugendzentrum Burg sorgen ebenfalls für musikalische Unterhaltung.
Zwei Podiumsgespräche beleuchten die Geschichte und Zukunft Friedenaus. Moderiert werden die Gespräche sowie das gesamte Fest von Doreen Herbe, Radiomoderatorin bei rbb 88.8. Friedenauer Organisationen und Vereine präsentieren sich an Marktständen, darunter der Friedenauer TSC 1886 e. V., Nachbarschaftsheim Schöneberg e. V. und die evangelischen Gemeinden Zum Guten Hirten und Philippus-Nathanael.
Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann lädt alle Friedenauer und Anwohner der Nachbarkieze ein, gemeinsam das Jubiläum zu feiern. Weitere Informationen sind auf der offiziellen Website (www.berlin.de/-ii1418668) zu 150 Jahre Friedenau zu finden.
Das Jubiläumsfest findet am 7. Juli 2024 von 12 bis 18 Uhr auf dem Breslauer Platz in Friedenau, 12159 Berlin, statt.