Razzien, Ermittlungen, Insolvenzen: warum unterstützt Schwarz-Grün die Spree Group beim Bau eines Büroturms?
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juli 2024
Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die SPD-Fraktion das Thema vorgeschlagen.
CDU-Fraktion
Insolvenzen können alle treffen – insbesondere, wenn sich eine wirtschaftliche Marktlage durch gestiegene Zinsen oder Kosten drastisch verändert. Eine Insolvenz ist insofern nichts ehrenrühriges, sondern ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren, um ein Unternehmen zu retten. Und doch missbraucht die SPD-Fraktion, welche dieses Thema vorgeschlagen hat, dieses Instrument, um einen Bauherrn zu verunglimpfen und der schwarz-grünen Zählgemeinschaft unlautere politische Arbeit vorzuwerfen. Damit diskreditiert sich die SPD selbst. Den Ausgangspunkt dieser Diskussion bildet das Bauprojekt Hubertusallee 1 und das vergiftete Versprechen der SPD, jegliche Bebauung dort zu verhindern. Dabei ignoriert die SPD, dass die Entwicklung auf diesem Grundstück bereits seit dem Jahr 2020 unter Einbeziehung aller Fraktionen diskutiert wurde und die Planung, die Grundlage des laufenden Bebauungsplanverfahrens ist, Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbsverfahren ist. Dessen ordnungsgemäße Durchführung, die eine Prüfung aller in Betracht kommenden Nutzungsvarianten umfasst, unterstützen wir als schwarz-grüne Mehrheit. Simon Hertel
B‘90/Grünen-Fraktion
Worum geht es der SPD-Fraktion bei dieser kryptischen Fragestellung? Gemeint ist das Bauvorhaben in der Hubertusallee 1. Der eigentliche Bauherr ist nicht davon betroffen, jedoch Teil des Firmengeflechts. Doch eigentlich geht es der SPD darum, dass sie an dieser Stelle kein Gebäude über acht Geschosse haben will. Doch diese Diskussion will sie hier nicht führen. Der vorliegende Entwurf ist Sieger eines Wettbewerbs mit vier Teilnehmenden. Alle Büros haben Entwürfe vorgelegt, die diese Höhe widerspiegelten. Hätte der Bezirk was anderes gewollt, hätte dieses in den Vorgaben deutlich gemacht werden sollen. Die Planungen des Senats für das naheliegende Westkreuz sehen Hochpunkte bis 90 Meter vor. Im Rahmen des Vorhabens wird ein Durchführungsvertrag mit dem Vorhabenträger abgeschlossen, in dem die finanzielle Leistungsfähigkeit geprüft und eine Baufrist gesetzt wird. Solche Instrumente will die Bundes-SPD mit dem neuen § 246e BauGB aushebeln. Das würde die Problematik um Insolvenzen von Vorhabenträgern in Verbindung mit drohenden Bauruinen sogar befeuern.
Ansgar Gusy
SPD-Fraktion
Im Februar 2024 hat das Schwarz-Grüne Bezirksamt den politischen Beschluss gefällt, dass der Investor Spree Group an der Hubertusallee 1 ein Büro-Hochhaus bauen darf. Wir halten das für unverantwortlich. Der Investor Spree Group ist ein Geflecht von fast 50 Briefkastenfirmen. Firmensitz ist der Storkwinkel 2 in Halensee. Schauen Sie sich den Briefkasten gerne selbst an. Geschäftsführer fast aller Firmen ist der Österreicher Josef Schrattbauer. Im Juni 2023 berichtet das Handelsblatt: Schrattbauer ist Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Die Vorwürfe: Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation im Adler-Group-Skandal. Schrattbauer ist der Schwager von Cevdet Caner, dem Kopf hinter der Adler Group. Im Januar 2024 haben mehrere Firmen der Spree-Group Insolvenz angemeldet. Trotz all dem und trotz des großen Leerstands von Büroflächen in ganz Berlin, hat Schwarz-Grün beschlossen, dass die Spree Group an der Hubertusallee 1 ein Büro-Hochhaus bauen darf – und schenkt ihr damit durch die Wertsteigerung des Grundstücks Millionen von Euro. Wir fragen Schwarz-Grün: Warum?
Nico Kaufmann & Claudia Spielberg
Linksfraktion
Berlin kennt sich mit leeren Versprechungen von Immobilienunternehmen bestens aus, wie die Signa-Pleite zeigt. Doch CDU und Grüne im Bezirk lernen daraus nichts. Obwohl die Spree Group seit Januar 2024 insolvent ist, treibt der CDU-Baustadtrat die geplante Bebauung des Investors an der Hubertusallee in einem beschleunigten Verfahren voran. Das halten wir für rechtswidrig. Der insolvente Investor spekuliert wahrscheinlich auf eine schnelle Baugenehmigung für einen gewinnbringenden Weiterverkauf der Fläche. Darum muss das laufende Planverfahren aus unserer Sicht umgehend gestoppt werden! Die (noch) Eigentümerin des Geländes, die Spree Group, möchte dort einen 60 Meter hohen Büroturm errichten. Wohnungen und soziale Infrastruktur? Fehlanzeige. Eine Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus ergab: Über 5 Prozent der Büroflächen in Berlin stehen leer und trotzdem werden bis 2026 weitere 1,5 Mio. m² neu gebaut. Absurd! Wir fordern: ein neuer Bebauungsplan mit mehr bezahlbarem Wohnraum und Platz für Kitas und soziale Einrichtungen für die Menschen in dieser Stadt!
Frederike-Sophie Gronde-Brunner
FDP-Fraktion
Die Stadt Berlin wächst im bundesweiten Vergleich weiterhin überdurchschnittlich. Aktuell wohnen 3,67 Mio. Menschen in Berlin. Bis zum Jahr 2040 soll die Einwohnerzahl bis auf rd. 3,96 Mio. zunehmen, das ist ein Wachstum von rd. acht Prozent. Neben notwendigem Wohnraum muss auch Raum für Arbeitsplätze geschaffen werden. Immobiliengeschäfte laufen oftmals mit fremdem Geld, insbesondere in der Immobilienentwicklerszene. Die Szene ist anfällig für Korruption und illegale Transaktionen. Inwieweit hier Unregelmäßigkeiten festzustellen sind, wird aktuell durch die Behörden geprüft. Für die FDP als Rechtsstaatspartei gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung. Immobilienentwicklung ist ein langlaufendes Geschäft, welches oft an Interessen der Grundstückseigentümer orientiert ist. Die Entwicklung des Standortes an der Hubertusallee bietet jedoch einen Mehrwert für den Bezirk. Deshalb ist es richtig, an der Entwicklung festzuhalten, auch wenn der Entwickler im Fokus von Untersuchungen steht. Sollten sich die Hintergründe bewahrheiten, so ist die Entwicklung jedoch nicht verloren, sie kann von einem Nachfolger weitergeführt werden.
Johannes Heyne
AfD-Fraktion
Der erhobene Zeigefinger der Spezialdemokraten in der Fragestellung ist scheinheilig. Schließlich wurde erst kürzlich bekannt, dass bei einer groß angelegten Razzia gegen Schleuser, die Ausländern Aufenthaltsgenehmigungen verschafften, auch Politiker von CDU und SPD verhaftet wurden. Der ehemalige SPD-Geschäftsführer Jens Bröker soll 300.000 Euro Bestechungsgeld angenommen haben. Das zum moralischen Standpunkt der SPD. Bezogen auf den geplanten Büroturm in der Hubertusallee hat sich die Position der AfD nicht geändert. Wir sind daran interessiert, dass das Grundstück weiterentwickelt wird. Die zuletzt vorgestellten Pläne erscheinen uns als geeignet. Neben Wohnraum fehlen dem Bezirk auch Büroflächen. Natürlich steht fest, dass wir weiterhin kritisch bleiben und kein Bauprojekt blauäugig bejubeln. Zu einem Fiasko wie der Signa-Pleite darf es nicht kommen – übrigens ebenfalls ein Kapitel, das die Berliner SPD mitzuverantworten hat.
Martin C. T. Kohler