Alleinerziehende Familien akut von Armut betroffen – was tut der Bezirk?
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf August 2024
Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die Linksfraktion das Thema vorgeschlagen.
CDU-Fraktion
Alleinerziehende Familien sind die am stärksten von Armut betroffene Familienform. Hierbei ist entscheidend, dass die Armutsfalle nicht auf mangelnde Erwerbstätigkeit zurückführen ist, sondern an den Umweltfaktoren zu verfestigen ist. Das liegt einerseits an hohen Mieten und Folgekosten, wie aber auch an fehlenden Unterhaltszahlungen. Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nicht wesentlich erleichtert worden. Dazu gehören sowohl die notwendige Infrastruktur in Form guter Kitaplätze und verlässlicher Ganztagsbetreuung, als auch flexiblere Arbeitszeitmodelle. Das sind langwierige Prozesse, die Familien, die von Armut betroffen sind, benötigen jetzt Hilfe. Der Bezirk bietet hier Unterstützung an. Da wäre die Erziehungs- und Familienberatung, die in dem Trennungsprozess zur Verfügung stehen können. Weiterhin verfügt der Bezirk über ein Familienservicebüro, wo unter anderem Fragen der Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtsregelung und weiterführende Anträge begleitet werden. Jede Alleinerziehende Familie sollte sich vertrauensvoll an diese Institutionen wenden.
Christine Schmidt-Statzkowski
B‘90/Grünen-Fraktion
Kein Urlaub, kaum Ersparnisse und viel Verzicht, das ist die Lebenswirklichkeit von vielen alleinerziehenden Familien. In Charlottenburg-Wilmersdorf kümmern sich rund 30 Prozent der Mütter und Väter allein um ihre Kinder. 85 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Obwohl die meisten Elternteile erwerbstätig sind, sind vier von zehn alleinerziehenden Familien armutsgefährdet. Besonders bei Frauen ist das Armutsrisiko im Vergleich zu den alleinerziehenden Vätern noch einmal höher, sodass für viele Kinder und Jugendliche das Aufwachsen von dauerhafter Armut geprägt ist. Die Reform des Unterhaltsrechts und die Einführung der Kindergrundsicherung würde alleinerziehende Eltern entlasten, aber unabhängig davon brauchen sie gute Kitas und Schulen mit einer flexiblen Ganztagsbetreuung sowie Beratungsangebote vor Ort. Dafür setzen wir uns als grüne Fraktion ein und begrüßen, dass die Koordinierungs- und Anlaufstelle für Alleinerziehende des Sozialdienstes Katholischer Frauen e. V. im September im Bezirk eröffnen wird, gefördert vom aus dem Berliner Landesprogramm.
Heike Hüneke
SPD-Fraktion
Alleinerziehend zu sein ist heutzutage kein Problem mehr – aber alleinerziehend zu sein geht mit einigen Herausforderungen einher. Die SPD setzt sich aktiv für die Unterstützung Alleinerziehender ein. Ein zentraler Punkt dabei ist die Verbesserung der finanziellen Situation alleinerziehender Eltern. Wir setzen uns dafür ein, dass das Bezirksamt mehr Unterstützung bereitstellt und dafür sorgt, dass Eltern schneller Zugang zu staatlichen Leistungen erhalten. Eltern sollten nicht monatelang auf die Genehmigung des Wohngeldantrags, Kitagutscheins oder Elterngeldes warten müssen. Beratungsangebote wie vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter müssen ausgebaut werden, genauso wie Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Zudem fordern wir die Beibehaltung von vergünstigten Freizeitangeboten, wie zum Beispiel Kirchvers. Die SPD steht an der Seite alleinerziehender Familien und setzt sich dafür ein, dass sie die Unterstützung erhalten, die sie dringend benötigen. Vor allem aber haben wir Respekt vor den Aufgaben, die alleinerziehende Eltern täglich leisten müssen. Dabei wollen wir sie unterstützen.
Dr. Ann-Kathrin Biewener
Linksfraktion
Vier von zehn Alleinerziehenden sind armutsgefährdet – auch im Bezirk. Sie müssen von max. 781 Euro im Monat leben. 75 Prozent von ihnen sind Frauen! Sie sind häufiger armutsbetroffen als Paarfamilien, leisten den Großteil der Care-Arbeit und Unterhaltszahlungen der Väter bleiben oft aus. Sind die Eltern arm, sind es auch die Kinder – im Bezirk leben über 17 Prozent von ihnen in Bedarfsgemeinschaften. Da vom Bund noch nicht mal die Kindergrundsicherung kommt, müssen wir vor Ort ran. Nach langem Stillstand bietet der Bezirk mit dem Familienservicebüro endlich eine erste Anlaufstelle für Eltern. Die Umsetzung unserer Forderung hat nur über 6 Jahre gedauert. Doch fehlende Kitaplätze und Wartezeiten von 15 Wochen (!) und länger bei der Beantragung von Elterngeld oder Kitagutschein belasten alle Familien enorm. Das Problem: Personalmangel. Wer hat Schuld? Die Sparpolitik von Senat und Bund. Was wirklich gegen Armut hilft? Ein Ende der Schuldenbremse, Reichensteuer und armutsfeste Löhne! Es braucht mehr Gerechtigkeit durch Umverteilung und Investitionen in die Zukunft. Armut muss bekämpft, nicht verwaltet werden!
Anne Zetsche
FDP-Fraktion
Egal, ob gewollt oder nicht gewollt, ein Kind alleine großzuziehen, stellt das betroffene Elternteil vor besondere, oft schwierige Probleme. Obwohl es bereits gute Beratungs- und Hilfsangebote insbesondere für die Zeit kurz vor und nach der Geburt in unserem Bezirk gibt, bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung bzw. die schnelle Rückkehr ins Berufsleben die größte Herausforderung für junge alleinerziehende Mütter und Väter. Nur so kann gewährleistet werden, dass diese nicht über längere Zeit von knappen staatlichen Hilfen abhängig sind, sondern trotz ihrer Situation ein selbstbestimmtes, finanziell unabhängiges Leben führen können. Um dies zu gewährleisten, braucht es nicht nur ein vielfältiges, über den ganzen Bezirk verteiltes Netz an Kita- und Hortplätzen, das bereits die Kleinsten mit einbezieht und Öffnungszeiten an den Bedarfen der Eltern ausrichtet. Es braucht auch endlich eine Besetzung aller Stellen im Jugendamt, die mit der Vergabe von Kita-, Hort- und Förderplätzen befasst sind. Denn es sind die Schwächsten, die unter diesem Zustand am meisten leiden!
Stefanie Beckers
AfD-Fraktion
Es geht um Ressourcen. Und die sind knapp. Für die Unterstützung (nicht nur) Alleinerziehender braucht es personell gut ausgestattete Ämter, die schnell und effizient arbeiten können, ebenso Kitaplätze, Betreuungs-, Bildungsangebote und Beratungsstellen. Jahrzehntelang an Bundes- und Landesregierungen beteiligt, tragen die Altparteien große Schuld an der (Kinder-) Armut von heute. Wer im Weltoffenheitswahn hunderttausende illegal sich im Land befindlicher Versorgungsnomaden aus Afrika und dem Nahen Osten alimentiert und gleichzeitig Armut anprangert, ist heuchlerisch und verlogen. So entstehen z. B. auch in unserem Bezirk horrende Kosten für „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, die oft nur vorgeben, im Kinder- oder Jugendalter zu sein und deren Herkunft, Alter, rechtlicher Status und Bleibeperspektive in sehr vielen Fällen höchst ungewiss sind. Anstatt nicht-bleibeberechtigte Migranten mit Milliarden zu alimentieren und Hunderte Millionen Euro für im Ausland lebende Kinder zu zahlen, fordern wir eine deutliche finanzielle Entlastung aller Familien mit Kindern.
Michael Seyfert