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100. Todestag von Franz Schwechten

Architekt prägte die Wilhelminische Ära

Franz Schwechten um 1895.
Franz Schwechten um 1895.
Erschienen in Gazette Charlottenburg August 2024
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Franz Schwechten (12. August 1841 – 11. August 1924) war der älteste Sohn von Heinrich Schwechten, einem Landgerichtsrat, und Justine Pauline, geborene Herstatt. Er besuchte das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, eine protestantische Schule, in der er im Kunstunterricht vom Dombildhauer Christoph Stephan gefördert wurde. Nach seinem Abitur im Frühjahr 1860 begann er im Herbst desselben Jahres eine Ausbildung im Atelier des späteren Stadtbaumeisters Julius Raschdorff. Ab 1861 studierte er an der Berliner Bauakademie unter Karl Bötticher, August Hermann Spielberg und Friedrich Adler und schloss 1863 mit dem Königlichen Bauführerexamen ab. Anschließend absolvierte er eine zweijährige praktische Ausbildung bei den renommierten Architekten August Stüler und Martin Gropius in Berlin.

Vom Preisgeld nach Italien

1865 kehrte er für zwei Jahre in seine Heimatstadt Köln zurück, um im Atelier des Land- und Garnisonbaumeisters Hermann Otto Pflaume zu arbeiten. Im Wintersemester 1867/68 setzte er sein Studium in Berlin fort und legte 1869 die Prüfungen zum Königlichen Baumeister und zum Regierungsbaumeister ab. Bereits ein Jahr zuvor hatte er den Schinkel-Wettbewerb mit seinem Entwurf für ein Parlamentshaus für Preußen gewonnen. Das Preisgeld ermöglichte ihm eine erste Studienreise nach Italien.

Monumentalwerk Anhalter Bahnhof

Von 1871 bis 1882 arbeitete Schwechten als Leiter der Hochbauabteilung des technischen Zentralbüros für die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft. In dieser Zeit wurde der Neubau des Anhalter Bahnhofs realisiert, der ihn als hervorragenden Monumentalkünstler bekannt machte.

Königlicher Baurat

Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin berief Schwechten 1885 zum Mitglied. Im gleichen Jahr begann er eine Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1888 wurde ihm der Titel eines „Königlichen Baurats“ verliehen und 1889 wurde er zum Mitglied der Berliner Bauakademie ernannt. 1894 erhielt er auf der Großen Berliner Kunstausstellung eine kleine und 1906 eine große Goldmedaille.

Etwa 160 Gebäude

Von Mitte der 1880er-Jahre bis 1907 führte Schwechten den Auf- und Ausbau neuer Produktionsanlagen der Schultheiss-Brauerei in Prenzlauer Berg durch – heute die Kulturbrauerei. Dieses Gebäude gilt neben dem Anhalter Bahnhof (Portal als Ruine erhalten) und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (Turmruine als Mahnmal erhalten) als eines der Hauptwerke Schwechtens. Schwechten entwarf und baute darüber hinaus eine Vielzahl von Gebäuden, darunter die alte Berliner Philharmonie, die AEG-Apparatefabrik und den weithin sichtbaren Grunewaldturm, erbaut als „König-Wilhelm-Turm“. Der AEG-Fabrikeingang, auch Beamtentor genannt, an der Brunnenstraße in Gesundbrunnen und das Kraftwerk Moabit zählen zu seinen Bauten. Insgesamt wurden etwa 160 Gebäude nach seinen Entwürfen errichtet. Auch die Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg, die Kriegsschule auf dem Potsdamer Brauhausberg – bis 2013 Sitz des Landtags – und die Dorfkirche in Gröben/Ludwigsfelde stammen von Franz Schwechten. 1902 übernahm Franz Schwechten die Leitung des Meisterateliers von Hermann Ende und gab von 1915 bis 1918 sein Wissen und seine Erfahrung auch als Präsident der Preußischen Akademie der Künste weiter.

Grunewaldturm – beeindruckende Architektur

Eines der bekanntesten Bauwerke von Franz Schwechten ist der Grunewaldturm: Der Landkreis Teltow, zu dem der Grunewald damals gehörte, beschloss den Bau auf dem höchsten Punkt des 78,5 Meter hohen Karlsbergs anlässlich des 100. Geburtstags von Kaiser Wilhelm I.. Dieser war bereits 1888 verstorben und erlebte den Turmbau zu seinen Ehren nicht mehr. Sein Sohn Wilhelm II. genehmigte den Entwurf des Architekten. Nach der Rodung des Bauplatzes begann der Bau im Sommer 1897 und war im März 1899 abgeschlossen. Am 9. Juni 1899 wurde der Turm feierlich eingeweiht.

Der im Stil der märkischen Backsteingotik errichtete Turm ist mit Türmchen, Giebeln und Spitzbogenfenstern verziert. Zwei Wappen zieren den Turm: der rote Adler Brandenburgs und der schwarze preußische Adler. Inschriften erinnern an die Geehrten und die Initiatoren: „Koenig Wilhelm I. zum Gedaechtniss“ und „Der Kreis Teltow baute mich 1897“. Die Turmspitze befindet sich 86 Meter über dem Wasserspiegel der Havel. Über dem Podest, das ein Restaurant beherbergt, befindet sich die Ehrenhalle mit einem großen Marmorstandbild von Kaiser Wilhelm I. und eisernen Reliefplatten mit den Portraits von Feldherren Roon und Moltke, dem „Eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck und Prinz Friedrich Karl, zu dessen Ehren der Berg „Karlsberg“ genannt wird. Die kunstvollen Mosaike an den Decken stammen von dem Maler und Mosaikkünstler August Oetken (1868-1951). Ursprünglich hieß der Turm im Volksmund auch Kaiserturm oder Wilhelmturm. Seit dem 15. September 1948 trägt er offiziell den Namen Grunewaldturm und steht unter Denkmalschutz.

Für 5 Euro, ermäßigt 3 Euro Eintritt und nach dem Erklimmen von 204 Stufen bis zur Aussichtsplattform können Besucher den atemberaubenden Blick über Fluss und Wald sowie die Silhouette der Stadt genießen. Der Turm an der Havelchaussee 61, 14193 Berlin, ist montags bis donnerstags von 11 bis 19 Uhr und freitags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr geöffnet.

Eine der größten Kirchen Berlins

Was haben die Simeonkirche in Kreuzberg, die Neuköllner Genezarethkirche, die nur noch als Ruine stehende Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und die Schöneberger Apostel-Paulus-Kirche gemeinsam? Die Entwürfe für alle vier Gotteshäuser stammen von Franz Schwechten. Die Apostel-Paulus-Kirche ist sogar die erste von ihnen, die fertiggestellt wurde. Die mit ihrem roten Backsteingewand weithin leuchtende Kirche wurde im neogotischen Stil erbaut. Der Hauptturm ist mit kleinen Fialen geschmückt und die Fenster detailreich eingefasst. Der Backsteinfassade wird durch dunkle Formsteine und viele Einzelheiten zum Hingucker, an denen die Betrachter immer wieder Neues entdecken können. Den Grundriss gestaltete Schwechten in der Form des lateinischen Kreuzes. Der Glockenturm ist 85 Meter hoch.

Die Kirche wurde im Jahr 1894 nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht. Daran erinnern zwei Schrifttafeln in der Vorhalle. Von der Vorhalle gehen zwei Räume ab, die heute als Kirchencafé und für Veranstaltungen genutzt werden. Die Apostel-Paulus-Kirche gehört zu den größten Kirchen in Berlin, was im Inneren auf den ersten Blick nicht so wirkt. Der flache Chor und geschwungene, feingliedrige Emporen lassen den Kirchenraum kleiner aussehen, als er tatsächlich ist. Auch der Blick nach oben lohnt sich, der dort über ein beeindruckendes, hohes Sterngewölbe schweifen kann, ebenso sehenswert sind die vielfältigen Wandbemalungen und den aufwändig gestalteten Kirchenfenster. Die Apostel-Paulus-Kirche im Akazienkiez bietet ein vielfältiges Programm, einzusehen unter www.ev-apg.de

Vortrag am 11. August 2024

Auch sein Grabmal schuf er selbst. Franz Schwechten verstarb am 11. August 1924 in Berlin. Sein Grab ist ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Es befindet sich auf dem evangelischen Alten Kirchhof der Alten Dorfkirche in Schöneberg. Anlässlich des 100. Todestages findet am Sonntag, den 11. August um 14 Uhr ein Vortrag in der Apostel-Paulus-Kirche, Grunewaldstraße, in Schöneberg statt.

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