Gazette Verbrauchermagazin

Mehr Platz für Bäume

Was braucht das Stadtgrün im Klimawandel?

Der 1897 erstmals angelegte Mierendorffplatz. Heute müssen Denkmalschutz und klimaresiliente Bepflanzung in Einklang gebracht werden.
Der 1897 erstmals angelegte Mierendorffplatz. Heute müssen Denkmalschutz und klimaresiliente Bepflanzung in Einklang gebracht werden.
Erschienen in Gazette Charlottenburg September 2024

Berlins Bäume und Grünanlagen haben es schwer – das zeigt ein Spaziergang auf der Mierendorffinsel mit Jochen Flenker, Leiter des Fachbereichs Grünflächen, Tyco Cote für den Fachbereich Tiefbau sowie Gabriele Bschorr und Markus Guhl vom Bund deutscher Baumschulen. Das Stadtgrün und seine Probleme stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Folgen des Klimawandels mit Hitze und Starkregen, aber auch Abgase und die immer weiter wachsende Stadt machen den Pflanzen zu schaffen.

Denkmalschutz und klimaresiliente Stauden

Start der Betrachtung ist der großzügig angelegte Mierendorffplatz. Mit seiner Fontäne ist er Treffpunkt für Anwohnerinnen und Anwohner. Auch er hat sich bereits sichtbar verändert – wo einst Rosen standen, sind nun Stauden zu sehen, die mit den geänderten Umweltanforderungen besser zurecht kommen. Dabei sind auf dem Gartendenkmal Mierendorffplatz immer auch die Aspekte des Denkmalschutzes zu beachten – so beispielsweise bei geplanten Umbaumaßnahmen, die das Regenwasser besser in der Fläche halten sollen. Auch Ideen wie eine Vernebelung von Wasser für Kühlung an heißen Tagen oder Nutzung von Brunnenwasser für die Bewässerung der Beete stehen im Raum.

Kein Platz für Baumscheiben

Die Platanen am Rand des Platzes haben es nicht leicht, denn sie leiden unter Platzmangel. Ihre Baumscheiben sind zu klein – was an der Aufteilung des Straßenraums liegt. Dieses Schicksal teilen sie mit vielen anderen Stadtbäumen. So gibt es nicht nur den Autoverkehr, parkende Fahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger, die Platz beanspruchen. Auch unter der Erde wird es eng – an manchen Stellen liegen die Versorgungsleitungen nur 40 Zentimeter tief. Für die Passanten unsichtbar konkurrieren die Wurzeln der Bäume mit Leitungen der Wasserwerke, Kabelnetzbetreiber, Gas- und Stromversorgern. Dabei werden als Wurzelraum mindestens 12 Kubikmeter benötigt – eine Forderung, die im Stadtraum kaum zu verwirklichen ist. Einige Meter weiter, in der Kaiserin-Augusta-Allee, ist das Problem noch deutlicher: Hier drücken Baumwurzeln Teile des Radwegs nach oben.

Engagement der Anwohner

Zusätzliche Herausforderungen für die Bäume sind Abgase, aber auch Hundeurin und achtlos weggeworfene Kippen, aus denen beim nächsten Regen die Schadstoffe in den Boden gelangen. Doch auf den Straßen der Mierendorffinsel ist auch ein deutliches Engagement der Anwohnerinnen und Anwohner für die Bäume, die Schatten vor ihrer Haustür bieten, zu erkennen. So spendieren ganze Hausgemeinschaften Bäume für eine Straße. Bei so manchem neu gepflanzten Bäumchen – nicht nur erkennbar an der weißen Farbe des Stamms, sondern auch an der schützenden und stützenden Umrandung mit dem Pflanzdatum, befindet sich Schotter auf der Baumscheibe. Dieser soll vor unerwünschter Konkurrenz durch Unkraut schützen.

Straße als Zukunftsraum

Zu einer „klimaangepassten Straße“ könnte die Ilsenburger Straße werden, deren Baumscheiben erheblich größer angelegt wurden. Das Pflaster der Gehwege lässt das Regenwasser versickern und die Blockrandbebauung ließe es zu, künftig Regenwasser von den Dächern zu gewinnen.Von liebgewonnenen heimischen Bäumen muss man sich wahrscheinlich verabschieden – so leiden Kastanien nicht nur unter der Hitze, sondern werden auch von der Miniermotte befallen, was an den schon im Sommer braunen und gelben Blättern zu erkennen ist. Die Eiche hat den Eichenprozessionsspinner zunehmend als unerwünschten „Gast“, der schwere bis lebensbedrohliche Allergien bei Mensch und Tier auslösen kann. Der Bund deutscher Baumschulen e. V. schlägt „Zukunftsbäume“ vor, die mit den sich verändernden Klimabedingungen besser zurecht kommen. Beispiele sind der Amberbaum und der „Bienenbaum“, auch Honigesche genannt. Der Spaziergang endet am Österreichpark. Am Ufer der Spree gelegen bietet er nicht nur Erholung, sondern ist auch ein wichtiger Begegnungsort für alte und neue Anwohner. So hat das Grün in der Stadt nicht nur eine grüne, sondern auch eine sehr soziale Komponente.

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2024