Gazette Verbrauchermagazin

Der historische Winkel

Kleine Reise in die Vergangenheit

Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal Oktober/November 2024
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Altes Schulhaus, Dorfkirche, Friedenseiche: Dieses Ensemble bildet in Zehlendorf den historischen Winkel. Das älteste Gebäude ist die Dorfkirche, Alte Dorfkirche genannt. Der markante, achteckige Bau stammt aus dem Jahr 1768. Der Vorgängerbau aus dem Mittelalter war im Siebenjährigen Krieg beschädigt worden. Eine Geschichte erzählt, dass der preußische König Friedrich II. sich an der schäbigen Kirche störte, die er jedesmal sah, wenn er von Potsdam nach Berlin und zurück fuhr. Er gab 6000 Taler für einen repräsentativen Neubau. Leider verschwand der Baumeister mit 3000 Talern auf Nimmerwiedersehen. Deshalb bekam Zehlendorf die achteckige Kirche. Ein Beleg für die Geschichte und die Zahlung des Königs konnte allerdings nicht gefunden werden.

Alte Dorfkirche Zehlendorf.
Alte Dorfkirche Zehlendorf.

Einmalig ist die achteckige Form auch nicht – die Kirche in Golzow von 1752 in Brandenburg und Weisdin in Mecklenburg (1749) und Geba (1791) in Thüringen sind ebenfalls achteckig und entstammen dem gleichen Zeitraum. Möglicherweise war also nicht ein flüchtiger Baumeister, sondern der Zeitgeist für die Form verantwortlich. Die Zehlendorfer lieben ihre Alte Dorfkirche. Das zeigte sich in vor einigen Jahren, als sie mit viel Herzblut, Aufwand und dank zahlreicher Spender saniert wurde.

Das andere historische Gebäude ist das Schulhaus von 1828. Auch hier gab es einen – deutlich kleineren – Vorgängerbau, über den jedoch wenig bekannt ist. Der Chronist und Lehrer Ernst Ferdinand Schäde unterrichtete noch in dem alten Gebäude, als er 1794 nach Zehlendorf kam. 1812 wurde das alte Schulhaus, in dem Schäde auch mit seiner Familie lebte, erweitert. Nach der Fertigstellung 1828 konnte das neue Schulhaus bezogen werden. Während der Lehrer bei dem Vorgängerbau in seiner Wohnstube unterrichtete, da es kein getrenntes Klassenzimmer gab, war die Lehrerwohnung nun von dem Klassenraum getrennt. Erstaunlich ist die Anzahl der unterrichteten Schüler – anfangs waren es 40 Kinder, später bis zu 120 Kinder, die Schädes Schule besuchten. Zu jener Zeit war es üblich, alle Klassenstufen in einem Raum zu unterrichten. Kein einfaches Unterfangen für einen Lehrer! Es gab allerdings Unterschiede, die sich anhand des Schulgeldes erkennen lassen: „Der Buchstabierer zahlte 6 Pf., der Leser 9 Pf., der Schreiber 1 Sgr (Silbergroschen), der Rechner 1 Sgr. 6 Pf wöchentlich.“ So Schäde in seinen Aufzeichnungen (Quelle: Zehlendorf einst und jetzt von Paul Kunzendorf). Allerdings konnten Lehrer mit ihrem Gehalt kaum eine Familie ernähren. Deshalb hatten sie weitere Berufe. Schäde war zusätzlich Küster. Außerdem züchtete er Seidenraupen, mit denen er einen guten Nebenverdienst erzielte. Ernst Ferdinand Schäde lehrte noch bis 1855 – bis zu seinem 82. Lebensjahr! 1876 wurde das Schulhaus zur Gemeindeverwaltung. Die Schüler besuchten nun die im gleichen Jahr fertiggestellte Gemeindeschule in der Potsdamer Straße. Seit 1973 nutzt der Heimatverein die alte Schule von 1828 als Heimatmuseum.

Vertrauter Anblick für Zehlendorfer und Durchreisende: Das alte Schulhaus – heute Heimatmuseum – mit der Friedenseiche.
Vertrauter Anblick für Zehlendorfer und Durchreisende: Das alte Schulhaus – heute Heimatmuseum – mit der Friedenseiche.

Jüngste im Bunde ist die über 150 Jahre alte Friedenseiche. Sie wurde – wie viele andere – am 2. September 1871 feierlich eingepflanzt. Der 2. September hieß damals auch „Sedantag“, nach der Kapitulation Napoleons III. in Sedan und der darauf folgenden Gründung des deutschen Kaiserreichs. 1906 wurde eine Tafel an dem Baum angebracht, mit einem Eisernen Kreuz im Eichenkranz und der Inschrift

2.9.
Friedenseiche
1871.

Die trockenen Sommer der letzten Jahre machten dem alten Baum zu schaffen, sodass 2021 ein großer Ast abbrach. Daraufhin wurde die Bank um den Baum entfernt, damit die Baumscheibe besser gedüngt und bewässert werden kann. Die schon befürchtete Fällung konnte abgewendet haben und so haben die Zehlendorfer hoffentlich noch lange Freude an dem imposanten Baum.

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