Gazette Verbrauchermagazin

Der Karrierebus – eine Lösung für die schwierige Personalsituation?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Foto: BA CW
Foto: BA CW
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf November 2024
Anzeige
CDU-Fraktion Charlottenburg-WilmersdorfSPD Charlottenburg-Wilmersdorf

Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die CDU-Fraktion das Thema vorgeschlagen.

CDU-Fraktion

Die CDU-Fraktion unterstützt die Bestrebungen des Bezirksamtes von Charlottenburg-Wilmersdorf, bei der Besetzung von freien Stellen neue und innovative Wege zu gehen. Ausweislich des Personalberichts 2023 ist zwar das Interesse von Nachwuchskräften an einer Beschäftigung in unserer Verwaltung gegenüber dem Vorjahr angestiegen und konnte auch das Stellenbesetzungsverfahren verkürzt werden, aber es braucht weiter mitunter unkonventionelle Lösungen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nutzung des Karrierebusses, wo ein geschultes Recruitingteam Fragen zum Berufseinstieg beantwortet und mit den Bewerberinnen und Bewerbern bereits persönlich ein Bewerbungsgespräch führt. Selbst Online-Eignungstests können vor Ort durchgeführt werden. Um längere Wartezeiten zu vermeiden, kann man vorab einen Termin ausmachen oder aber spontan in den Karrierebus einsteigen. Nicht nur für Berufseinsteiger, sondern auch für Erfahrene mit Ausbildungs- oder Studienabschluss lohnt sich die Karriereberatung dort, der Job-Einstieg schafft gute Aussichten für die individuelle Karriere.

Manuel Sandvoß

B‘90/Grünen-Fraktion

Hochbetrieb war vor dem Charlottenburger Rathaus, als dort im Rahmen eines Modellversuchs der Karrierebus stand. Jugendliche und Erwachsene, die sich umorientieren wollten, konnten sich dort informieren und gleich mit ihren Bewerbungsunterlagen schauen, ob es für sie eine passende Ausbildung gab. Sie haben sofort eine Antwort bekommen. Der Erfolg war absehbar, mehrere Ausbildungsverträge konnten abgeschlossen werden. Mit dieser Ansprache hat der Bezirk die Möglichkeit, direkt auf Ausbildungs- und Jobsuchende zuzugehen, an Orten, wo sich sonst kein Kontakt ergäbe, bei Messen, vielleicht bei Konzerten oder anderen Events. Sicherlich wird sich nicht für jede spezielle Fachstelle dort jemand finden lassen, aber eine breite, direkte Ansprache bringt dem Bezirk einen Vorteil. Denn Fachkräfte wie Auszubildende bekommen heute mehr Stellenangebote. Der Bezirk steht somit in Konkurrenz (nicht nur) zu anderen Behörden. Von daher wollen wir, dass der Bezirk sich beim Senat für die Fortführung des Modells einsetzt und den Karrierebus für Charlottenburg-Wilmersdorf zusätzlich für offene Stellen erfolgreich nutzt.

Alissa Wiemann

SPD-Fraktion

Das Thema „Fachkräftemangel“ betrifft auch den öffentlichen Dienst in Berlin. Auf Landes- und Bezirksebene können offene Stellen in unterschiedlichen Fachbereichen nicht besetzt werden, weil es an qualifizierten Fachkräften mangelt. Dieses betrifft u.a. massiv den Jugend- und Sozialbereich. Oftmals stehen Landes- und Bezirksverwaltungen aber auch in einer Konkurrenzsituation um Bewerber*innen, wenn es um vergleichbar zu besetzende Stellen geht. Dieses hängt unmittelbar mit dem Finanzierungssystem (Globalsumme) im Land Berlin zusammen, die auch die Finanzierung der bezirklichen Personalstellen betrifft. Das Land Berlin und die Bezirke müssen Kreativität zeigen, um Personal und insbesondere auch Nachwuchskräfte zu gewinnen. Der Karrierebus des Landes Berlin ist sicherlich ein kreativer Ansatz, um auf die vielfältigen Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die der öffentliche Dienst bietet, zu informieren. Ob der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf selbst auch von dem Einsatz des Karrierebusses im Bezirk profitiert hat, wird sich erst nach einer entsprechenden Evaluierung des Projektes zeigen.

Constanze Röder

Linksfraktion

Der Karrierebus ist vieles, aber keine Lösung für die katastrophale Personalsituation des Bezirks. Angesichts von mehr als 200 unbesetzten Stellen, die teils wegen fehlender Gelder nach 2025 gestrichen werden, braucht es vor allem Mittel vom Land für die unterbesetzten Ämter, damit das Bezirksamt in Zukunft eine attraktive Arbeitgeberin ist. Dafür unternimmt es einige Bemühungen wie mit dem Gütesiegel als familienfreundliche Arbeitgeberin, Modellversuche für Initiativbewerbungen und letztlich auch den Karrierebus. Solange der CDU-SPD-Senat aber bei den Bezirken den Spardruck hochhält, werden Bürger:innen vor Ort weiter verzweifelt nach Ansprechpartner:innen suchen oder lange auf Termine beim Bürger:innenamt warten müssen. Eine funktionierende Verwaltung ist genauso vielfältig und divers wie Berlin selbst, bietet ihren Beschäftigten für die Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsfürsorge attraktive Arbeitsbedingungen und gute Gehälter. Darum muss die Lohn-Lücke zu Landes- und Bundesbehörden endlich angeglichen werden, bevor mit den Babyboomern weiteres Personal verloren geht.

Annetta Juckel

FDP-Fraktion

In Zeiten des Mangels an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir es mit einem Wettbewerb der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu tun. Da stellt sich natürlich die Frage, wie Recruiting heute funktioniert. Den sog. Karrierebus auch, je nach Standort, für die Angebote der Bezirksämter zu nutzen, ist sinnvoll. Ein zunächst unverbindliches Gespräch eröffnet meist weitere Gelegenheiten. Es geht um die Attraktivität von Arbeitsplätzen. Eine fehlende Kantine im Rathaus, nicht hinreichend Parkplätze für die Mitarbeiter, aber auch fehlende Kinderbetreuung sind das eigentliche Problem unseres Bezirksamts. Dass das Land Berlin noch besser bezahlt als die Bezirksämter, ist weiteres Minus auf der Attraktivitätsskala. Hier erwarten wir deutlich mehr Engagement vom Bezirksamt, diese Missstände zu beseitigen. Ansonsten wird uns der demographische Wandel sehr hart treffen.

Dr. Felix Recke-Friedrich

AfD-Fraktion

Dem Bezirk fehlt es an Mitarbeitern. Solange der Bezirk mit den Gehaltsangeboten des Landes oder gar des Bundes nicht mithalten kann, z.B. bei der Eingruppierung von Tätigkeiten - sprich der Einzelne besser verdient, wenn er sich gegen die Arbeit für das Bezirksamt entscheidet - wird sich das auch nicht ändern. Sicherlich wird der Karrierebus nicht schaden, aber auch die beste Werbung kann nicht über die mangelnde Attraktivität des Bezirksamts als Arbeitgeber hinwegtäuschen. Es muss schon bei der Ausbildung neuer Mitarbeiter angesetzt werden! Wir gehen konform mit dem Positionspapier der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zur Verwaltungsreform. Wir setzen uns für die Einführung von „Musterämtern“ ein, die eine Vereinheitlichung der Ämter vornehmen und dadurch die Personalausbildung wie auch den Personalwechsel zwischen den Bezirken verbessern. Bei Ausbildung und Besetzung muss das Leistungsprinzip wieder Priorität gewinnen. Unsere Fraktion beantragte außerdem, dass Mitarbeiter des Bezirksamtes kostenlos auf den Flächen des Bezirks parken dürfen (DS 0358/6).

Martin C. T. Kohler

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2024