KleinesTheater: Friedhelm Ptok als Mr. Green
67 Jahre auf der Bühne und es geht weiter
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Dezember 2024
Friedhelm Ptok steht aktuell im Zweipersonen-Stück von Jeff Baron „Besuch bei Mr. Green“ auf der Bühne von „KleinesTheater“ am Südwestkorso, als eigenbrötlerischer 90-jähriger Mr. Green, der verwitwet einsam dahinvegetiert – bis der junge Ross auftaucht und seinem freundlosen Leben zu einer nicht einfachen Wende verhilft. Themen wie Einsamkeit, Holocaust und Homosexualität aufgreifend, entwickelt sich das Stück über den schonungslosen Zusammenprall unterschiedlicher Lebensmodelle und Ansichten der Generationen hin zum Grenzen überwindenden und versöhnenden Happy End. Friedhelm Ptok und sein Bühnenpartner Peter Volksdorf spielten „Besuch bei Mr. Green“ bereits erfolgreich ein halbes Jahr En-Suite in Zimmertheater Heidelberg. Nun, im zweiten Anlauf, haben beide Schauspieler auf die Bühne des kleinen, aber feinen Theaters in Friedenau gefunden, wo sie sich spielerisch bestens ergänzen, ohne dass der Eine den Anderen an die Wand spielt. Ptok als eigensinnig in seiner Einsamkeit gefangener Greis, die Peter Volksdorf als junger Mensch einfühlsam aufzubrechen vermag. Ein geistreicher und dabei entspannender Theaterabend ohne überflüssigen Schnörkel, dafür aber mit umso mehr vollendetem schauspielerischem Feingefühl. Das Stück steht aktuell wieder am 28., 29. und 30. Dezember 2024 sowie voraussichtlich am 1. und 2. Februar 2025 auf dem Programm.
Stationen
In schlabberigen Cordhosen gebeugt über die Bühne schlurfend nimmt man Mr. Green die neun gelebten Jahrzehnte durchaus ab. Beim Treffen wenige Tage später aber bekommt man doch Zweifel an Friedhelm Ptok´s wahrem Alter: Modisch gekleidet mit voller weißer Haartolle und jugendlich blitzenden Augen steht er da vor einem und könnte glatt als gut erhaltener zwanzig Jahre Jüngerer durchgehen. Doch seine Geburtsurkunde, die er fürs Theaterbüro an diesem Tag dabei hat, bestätigt schonungslos: Er spielt in dem Stück wahrhaftig einen Gleichaltrigen.
Das Theaterleben war Friedhelm Ptok nicht in die Wiege gelegt: Der gebürtige Hamburger mit schlesischen Wurzeln in Kattowitz wuchs mit seiner Schwester in gutbürgerlichem Haushalt auf. Der Vater hatte eine Buchdruckerei und auch für seinen Sohn diesen Beruf vorgesehen. Als Friedhelm sich Richtung Schauspielschule orientierte, erklärte der Vater bestimmt: „Schauspieler ist kein Beruf, das finanziere ich nicht.“ Also absolvierte der Sohn nach Kriegsjahren und Abitur erst einmal die Buchdruckerlehre im väterlichen Betrieb, den später dann die Schwester weiterführte. Doch Friedhelm´s Liebe zur „brotlosen Kunst“ blieb, und er bestand nach seiner privaten Schauspielausbildung die Abschlussprüfung. 1957 bekam er, der norddeutscher Typ mit Wuschelhaar, sein erstes Engagement an der Niederdeutschen Bühne der Stadt Flensburg. „Niederdeutsch, Platt und Missingsch gehörte als gebürtiger Hamburger ja zu meinem Repertoire“, erinnert sich der Schauspieler schmunzelnd. Er arbeitete von 1959 bis 1962 am Theater Ulm unter Kurt Hübner, danach war er drei Jahre lang Ensemblemitglied des Theaters der freien Hansestadt Bremen. „Mit der Theaterzeitung „Theater heute“ wurde Theater endlich wieder öffentlich. Man redete über große Regisseure wie Peter Zadek und Kurt Hübner“, erzählt Ptok, der nun Klassiker wie „Don Carlos“ spielte, unter Zadeck arbeitete, Martin Walser kennenlernte. „Weiterbildung pur“, wie Friedhelm Ptok heute weiß. An den Münchner Kammerspielen unter Fritz Kortner spielte er und gelangte über ihn an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg zum Intendanten Hans Lietzau. Schließlich stand 1972 die Entscheidung an, nach Bochum zu Peter Zadek zu wechseln oder nach Berlin ans Schillertheater, wo Lietzau Boleslaw Barlog´s Nachfolger war.
Angekommen...
Ptok entschied sich für Berlin und wurde von den Staatlichen Schauspielbühnen unter Vertrag genommen. „Berlin reizte mich als eine Stadt, in der Sozialismus und Kapitalismus so dicht nebeneinander lagen“, begründet er seine Entscheidung, die er nie bereut hat. „Ich bin bis heute gerne hier“, betont er, der am Kaiserdamm wohnt und Erholung vom Stadttrubel als gebürtiger „Hamburger Jung“ beim Segeln findet. Längst ist das Gesicht von Friedhelm Ptok Alt und Jung auch vom Fernsehen her bekannt, sei es aus der „Hafenpolizei“, von „Löwenzahn“ oder „Nord bei Nordwest“. Ptok´s Filmographie ist lang und dürfte noch länger werden: Gerade steht er in Minden vor der Kamera für den Spielfilm „Morgen war Krieg“, in dem es auch wieder um die Verknüpfung von Generationen und ihrer Geschichte geht. Dabei bleibt er der Bühne treu, sagt er doch selbst von sich, dass ihm das Schauspiel am meisten Freude bereite, wobei er daran vor allem den gemeinschaftlichen Aspekt zwischen Ensemblemitgliedern und die Beziehung zwischen Darstellern und Publikum schätze. Dabei wünscht sich der erfahrene Schauspieler heute mehr aufeinander neugierige Schauspieler und Regisseure. „Denn daran hängt der Erfolg“, weiß Ptok und erinnert an den einstigen Rat von Peter Zadek: „Macht es doch einfach mal falsch und spielt es genauso.“ Voneinander lernen und es dann gemeinsam besser machen. – Das Geheimnis zum Theatererfolg?
Einen Namen hat sich Friedhelm Ptok mit seiner angenehmen Bariton-Stimme auch in Hörbüchern und in der Synchronszene gemacht, wo er u. a. die Stimme von Charakter Palpatine in den Animationsserien Star Wars, Clone Wars ist.
...und weiter
In unserem Gespräch über sein Schauspielleben hat Friedhelm Ptok einmal mehr gezeigt, dass die Bühne, mehrere Ehen, fünf Kinder (die jüngste Tochter ist 17) und zwei Enkel durchaus jung halten können. Und so gibt es für ihn wohl kaum einen Grund, sich in absehbarer Zeit von der Bühne zu verabschieden und zur Ruhe zu setzen, würde Ptok doch nur zu gerne den „König Lear“ spielen, wie er mit einem Augenzwinkern verrät. Aber erst einmal ist er weiterhin mit Lesungen, Synchron- und Filmarbeiten unterwegs. Es geht also auch nach 67 Jahren für ihn beruflich weiter. Und vielleicht ist sein Name ja Programm: Ptok heißt aus dem Schlesischen übersetzt „Vogel“. Und der steht als Symbol dafür, seiner kreativen Ader einfach freien Lauf zu lassen.
Übrigens: Ein weiteres Stück, das ebenfalls direkt ins Herz trifft und dabei Demenz und digitale Medien intelligent thematisiert, hat „KleinesTheater“ derzeit ebenfalls im Programm: „Erinnerungen von morgen“ von Francois Archambault mit Martin Gelzer, Gudrun Gabriel, Larissa Grosenick, Matthias Rheinheimer und Lisa Julie Rauen.
Weiterer Spielplan und Informationen unter www.kleines-theater.de
Kartentelefon: 030 821 20 21
Jacqueline Lorenz