Erschienen in Lichterfelde West Journal Juni/Juli 2017
Die 65 singenden Damen und Herren des Seniorenchor Steglitz beweisen an diesem Freitagvormittag einmal mehr, dass reifere Stimmen mindestens genauso viel Klangkraft besitzen können wie jüngere. Im vom Bezirk gestellten Probenraum im Club Steglitz am Selerweg 18-22 sind die Hobbysänger – eine bunte Mischung aus ehemaligen Musiklehrern, Hobbymusikern und begeisterten Gesangsliebhabern – wie jede Woche zur gemeinsamen Chorprobe zusammengekommen, um zwischen 10 und 12 Uhr mit viel Freude und Konzentration an der Vervollkommnung ihres Gesangsprogrammes zu arbeiten. Vierstimmig, mit Sopran, Alt, Tenor und Bass tönt da Mendelssohns „Frühlingslied“ hell in den trüben Vormittag und vertreibt den Winterblues. Mit jedem Ton des stimmstarken Chores wird deutlicher, wie viel Spaß die zwischen 63 und 87 Lebensjahre zählenden Mitglieder am Singen und Erarbeiten alter und neuer Volkslieder, romantischer Chorsätze, geistlicher Werke, aber auch Musical- und Operettenmelodien haben. Auch der ein oder andere Popsong und Evergreen hat dabei seinen festen Platz im rund 220 Titel umfassenden Repertoire gefunden, von „A la Nanita Nana“ bis „Zur Feier“. Bei dieser Bandbreite ist es kaum verwunderlich, dass um die 18 öffentliche Auftritte pro Jahr keine Seltenheit sind.
Zum Einsingen klang es im Kanon durch den Raum: „Chorsingen ist Diktatur, da ist von Demokratie keine Spur, die Sänger singen immer nur, was der Chorleiter will, ganz stur, ganz stur.“ Doch ganz so streng nimmt es Chorleiterin Maria Grimm dann doch nicht, die Vorschläge neuer Gesangsstücke gerne von den Chormitgliedern annimmt, auch wenn sie dann letztendlich die Entscheidung über die Aufnahme ins Programm trifft. Die Professionalität des Hobby-Chores ist nicht zuletzt ihr zu verdanken, die sie seit 2008 auf einer durch ihren Vorgänger Peter Augst geschaffenen soliden Grundlage aufbauen kann. Die Korrepetitorin, die u. a. durch ihre Leitung des Studiochor Berlin und des Rundfunk-Kinderchor Berlin sowie als Dozentin für Musik an der Berliner Schule für Schauspiel reichlich Erfahrung besitzt, widmet sich mit viel Einfühlungsvermögen den reiferen Stimmen des Seniorenchores, so dass der Spaß neben dem notwendigen Probenernst nicht zu kurz kommt und gute Stimmung garantiert ist. Sie erklärt: „Auch wenn die Mitglieder hobbymäßig singen, etwas Stimmtechnik muss sein und tut den Stimmen im Alter gut. Sie sollen gerne, aber auch richtig singen.“ Maria Grimm bietet den Sängerinnen und Sängern manche Herausforderung, die diese motiviert annehmen: Beispielsweise, wenn es darum geht, spanisch, französisch, englisch, lateinisch oder russisch zu singen und anspruchsvollere Stücke einzustudieren. Auf der alljährlichen Chorfahrt nach Zinnowitz steht daher das intensive Einstudieren neuer Werke für die Sommer- und Weihnachtskonzerte an erster Stelle, etwa acht Titel kommen pro Jahr zum Repertoire dazu, sogar sechs- und acht-stimmig gesungene waren schon darunter. Daraus resultiert das für einen Hobby-Chor recht hohe Niveau des Sängerkreises.
Und so korrigiert die Chorleiterin auch an diesem Vormittag beim „Frühlingslied“, aufmerksam, ohne dabei aber das Loben zu vergessen. „Schöne Linien singen, fließen lassen! Ihr Lieben, die Schöpfung nicht runtersacken lassen! Breite Vokale – ja, so ist es ein schöner Klang. Wie schreibt man „will“ ? – Mit „ü“? “ Alle lachen, finden aber schnell wieder zur konzentrierten Probenarbeit zurück.
„Unsere Chorleiterin hebt auch den ältesten Jahrgang aufs Fahrrad und ist ein Musterbeispiel an Geduld“, betont schmunzelnd Hansjörg Gärtner, Bass sowie langjähriges Chor- und Gründungsmitglied. Als ehemaliger Handelsvertreter unterstützt er mit viel Geschick den Vereinsvorstand in der Akquise, wenn es darum geht, neue Auftritte zu organisieren, Interessierte ins Chor-Boot zu holen und den Seniorenchor in der Öffentlichkeit noch bekannter zu machen. Den Vorstand weiß er mit seinem ehrenamtlichen Vorsitzenden Peter Bubolz und der 2. Vorsitzenden Ruth Radtke engagiert hinter sich. „Es bedarf einer umfangreichen und durchdachten Logistik, um alle Chortermine und –Mitglieder unter einen Hut zu bringen“, erklärt Bubolz, tiefer Bass, der seit acht Jahren dabei ist, die Gemeinschaft und als Betriebswirt auch die Vereinsfinanzen im Auge behält. Aus den Vereinsbeiträgen – der Mitgliedsbeitrag pro Monat liegt bei 10.- Euro – und aus Auftritts-Gagen werden das Honorar für die Chorleiterin, die Zinnowitz-Busanreise und gesponserte Auftritte bestritten.
In Berliner Senioreneinrichtungen, Nachbarschaftstreffs, Zoo, Tierpark, und Britzer Garten hat der Seniorenchor Steglitz seine Stammhörer, und die Sommer- und Weihnachtskonzerte mit ihrem vielseitigen Programm sind inzwischen ein Muss für das musikbegeisterte Publikum.
Der trübe Probenvormittag endet für die Chormitglieder schließlich mit Meeresrauschen: das Chanson „La Mer“ weckt Sommergefühle und begleitet die Chorsängerinnen und –Sänger noch ein gutes Stück auf ihrem Nachhauseweg durch den nasskalten Wintertag.
Auf seinem Weg zu weiteren erfolgreichen Auftritten und hin zu noch größerer Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit sind dem Seniorenchor Steglitz neue Mitglieder herzlich willkommen. Besonders die Männerstimmen und der Alt freuen sich auf Verstärkung.
Wer Freude am Singen hat und den richtigen Ton trifft, ist zur freitäglichen Chorprobe um 10 Uhr im Selerweg 18-22 eingeladen. Es erwartet ihn kein strenges Vorsingen, sondern Gleichgesinnte freuen sich auf ein potentielles neues Chormitglied.
Wer den Chor aber „in Aktion“ erleben möchte, kann dies am 14. Juni 2017 im Britzer Garten sowie am 16. Juli 2017 um 11 Uhr auf der IGA in den „Gärten der Welt“ in Marzahn.
Weitere Termine und Informationen unter www.seniorenchorsteglitz.com .
Jacqueline Lorenz
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