Inwiefern schwächt der Ausfall der BVV durch Personalmangel die Demokratie und was kann dagegen getan werden?
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf März 2025
Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die FDP-Fraktion das Thema vorgeschlagen.
CDU-Fraktion
In Charlottenburg-Wilmersdorf tagt die Bezirksverordnetenversammlung elf Mal im Jahr und ist damit Spitzenreiter. Denn im Vergleich finden in den anderen Bezirken durchschnittlich neun bis zehn Sitzungen statt. Nichtsdestotrotz ist es ausgesprochen bedauerlich, dass die Sitzung im Januar entfallen musste. Doch ließ der Krankenstand im BVV-Büro und Bezirksamt keine andere Möglichkeit zu – die Grippewelle macht auch vor der Verwaltung keinen Halt. Und dennoch hatten die Bezirksverordneten durchaus die Gelegenheit, das Bezirksamt hinsichtlich Bürgeranfragen zu kontaktieren oder in den tagenden Ausschüssen Fragen zu stellen. Auch die Stadträte und Abgeordneten im Bezirk waren weiterhin greifbar. In diesem Fall also von einer Schwächung der Demokratie zu sprechen ist schlichtweg populistisch von der FDP. Anzumerken ist zudem, dass dank dem Einsatz der Vorsteherin die Februar-Sitzung der BVV regulär stattfinden kann, und das trotz kritischer Besetzung im Büro. Ihr Notfallplan hat gegriffen und die Demokratie lebt weiter. Zum Glück ist der Wahlkampf nun zu Ende, liebe FDP.
Simon Hertel
B‘90/Grünen-Fraktion
Die BVV im Januar musste ausfallen, weil alle Mitarbeitenden im BVV-Büro krank waren. Das war sehr unbefriedigend, ließ sich aber nicht vermeiden, da weder die Technik noch das Protokoll zur Verfügung standen. Fristsachen, die unbedingt hätten entschieden werden müssen, standen nicht auf der Tagesordnung. Laut Gesetz ist die BVV mindestens alle zwei Monate einzuberufen. Durch die reguläre Sitzung im Februar ist dies gewährleistet. Somit ist die Arbeit der Bezirksverordneten gewährleistet. Sollte eine Fraktion das anders sehen, kann sie eine Sonder-Sitzung beantragen, die dann stattfinden muss. So ist der demokratische Prozess für alle Fraktionen gewährleistet, da auch die Ausschüsse weiterhin regulär getagt haben. Mitte Februar ist es gelungen, die seit Jahren vakante Stelle der Büroleitung wieder zu besetzen. Nun gilt es, mit allen Beschäftigten einen Plan zu entwickeln, den Rückstau aufzuarbeiten und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Dazu gehören gute funktionierende Technik sowie die Besetzung auch der letzten vakanten Stelle. Da sehen wir die BVV auf einem guten Weg.
Dagmar Kempf
SPD-Fraktion
Der Ausfall der BVV-Sitzung im Januar aufgrund von Personalmangel ist ein gravierendes Problem. Ohne die Sitzung können weder Beschlüsse gefasst noch neue Anträge eingebracht oder Anfragen an das Bezirksamt gestellt werden. Dadurch wird die zentrale Funktion der BVV als politisches Entscheidungs- und Kontrollorgan massiv beeinträchtigt. Auch das Fragerecht der Bürgerinnen und Bürger konnte nicht genutzt werden – ein direkter Einschnitt in ihre demokratischen Rechte. Bleibt dieser Zustand über längere Zeit bestehen, wird die Handlungsfähigkeit unserer Politik im Bezirk ernsthaft gefährdet. Um solchen Ausfällen künftig vorzubeugen, müssen die personellen Ressourcen im BVV-Büro gesichert und Abläufe so gestaltet werden, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der BVV immer gewährleistet ist. Die Verantwortung hierfür liegt bei der BVV-Vorsteherin, die in der Vergangenheit nur unzureichend gehandelt hat. Wir fordern nun kurzfristig Fortschritte – denn wir arbeiten für die Menschen im Bezirk, deren demokratische Teilhabe nicht an Personalmangel oder unzureichender Organisation scheitern darf.
Alexander Sempf
Linksfraktion
Erneut musste eine BVV-Sitzung wegen Krankenstand im BVV-Büro ausfallen. SPD, FDP und wir Linke haben nach Lösungen gesucht und personelle Hilfe angeboten, doch die Zählgemeinschaft aus CDU und Grünen sagt lieber ab. Ein von uns geforderter Notfallplan fehlt noch immer. Auch das schwarz-grüne Bezirksamt verweigert personelle Unterstützung. Bezirksdemokratie liegt auf Eis. Wenn man Einwohner:innen ihre Möglichkeit der Fragestunde nimmt, darf man sich über Politikverdrossenheit nicht wundern. Wichtige Anliegen, Anträge und Anfragen der Fraktionen ans Bezirksamt bleiben seit Wochen unbearbeitet – die Vertretung der Interessen der Menschen im Bezirk steht still. Und das in Zeiten massiver Sparmaßnahmen des CDU-SPD Senats. Der Erhalt der Schulsozialarbeit an der Ludwig-Cauer-Grundschule, kommunaler Jugendeinrichtungen, sozialer Dienste oder kultureller Arbeit bleibt gefährdet. Lösungen müssen her, ein Aufschub wegen Sitzungsausfall ist fatal. Langfristig hilft nur mehr Personal und höhere Löhne! Demokratie darf nicht an fehlender Personalplanung scheitern.
Frederike-Sophie Gronde-Brunner
FDP-Fraktion
Der Ausfall von BVV-Sitzungen durch Personalmangel schwächt die Demokratie, da wichtige Entscheidungen verzögert werden und das Vertrauen der Bürger in die Politik leidet. Die FDP-Fraktion fordert daher eine bessere Personalplanung und attraktivere Arbeitsbedingungen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Zudem sollten digitale Verwaltungsprozesse ausgebaut und Ressourcen effizienter genutzt werden. Eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Bezirken könnte Synergien schaffen. Als direkt gewähltes Organ trägt die BVV Verantwortung für die Entwicklung des Bezirks. Ihre Arbeitsfähigkeit ist essenziell, um Bürgeranliegen aufzugreifen und den Bezirk zukunftsfähig zu gestalten.
Dr. Felix Recke-Friedrich
AfD-Fraktion
Dass die BVV ausfallen muss, ist nicht akzeptabel. Die AfD-Fraktion hat gegen den Ausfall umgehend protestiert. Es muss genügend Personal vorgehalten werden, damit die wichtigste demokratische Institution im Bezirk arbeiten kann. Die BVV ist Teil der Verwaltung. Deren Personalverantwortliche haben dies sicherzustellen. Versäumnisse der Vergangenheit sind aufzuarbeiten und dürfen sich nicht wiederholen. Jedoch die Sorge, dass damit die Demokratie gleich als Ganzes geschwächt wird, ist übertrieben. Besonders wenn man sich anschaut, wie die Demokratie in unserem Bezirk sonst bedroht wird. Beispiele gefällig? Angriffe auf Informationsstände von Parteien – nicht nur im Wahlkampf, Attacken auf Parteigeschäftsstellen, Verwüstungen von Gaststätten, die der AfD Räume zur Verfügung stellen, Straßenblockaden durch kriminelle „Aktivisten“, Denunziationsportal „Berliner Register“, Aussetzung des Rechtsstaates und Grundgesetzverletzung durch die Regierung bei der Migrationspolitik, Kundgebungen mit offen antisemitischen Parolen – all dies schwächt die Demokratie mehr als eine ausgefallene BVV-Sitzung.
Michael Seyfert