Café Kurve, ein NachbarSchatz
Bühne für alle aus der Nachbarschaft

Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau März 2025
Es ist Mittagszeit, das Café Kurve in der Tempelhofer Friedrich-Wilhelm-Straße 22 bis zum letzten Platz besetzt. In der einstigen Eckkneipe, wo das Bier aus dem Hahn floss, haben jetzt in dem Eckcafé Kaffee und Tee, leckere Kuchen und ein günstiger wechselnder Mittagstisch ihre Zeit. Das Publikum ist eher um die 50+, auch eine jüngere Familie hat sich an diesem Tag zum Mittagessen eingefunden. Wer seine Suppe nicht alleine daheim löffeln will, sucht und findet hier das Gespräch mit netten Leuten aus der Nachbarschaft. Oder mit Michelle von Eigen, Sozialpädagogin und Teamleiterin in diesem inklusiven Café. Hinter dem Café steht die Kurve gGmbH, die auf den 1985 von Psychologen, Sozialarbeitern und Ärzten gegründeten gemeinnützigen Verein Die Kurve zurückgeht. Als Tempelhofer Arbeitskreis für Rehabilitierung psychisch Kranker e. V. engagiert er sich seither in der gemeindenahen sozialpsychiatrischen Versorgung im Bezirk Tempelhof. Die Kurve gGmbH betreut und begleitet dort ca. 240 Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen.
Die Kurve hat vielfältige Projekte im Umfeld der psychiatrischen Betreuung geschaffen, wie Therapeutische Wohngemeinschaften, Therapeutisch Betreutes Einzelwohnen, Betreuungshaus, Appartementwohnen, Kontakt- und Beratungsstellen und Beschäftigungsprojekte. Sie arbeitet hierbei in enger Kooperation mit anderen Einrichtungen und Trägern des Bezirks zusammen und ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband DPW Landesverband Berlin. Beratungen bietet Die Kurve gGmbH und Förderverein Die Kurve e. V. in seiner Kontakt- und Beratungsstelle Tempelhof am Forddamm 1.
„Aus der langjährigen Kooperation von Die Kurve gGmbH mit den Organisationseinheiten Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination im öffentlichen Gesundheitsdienst (QPK) und der Sozialraumorientierten Praxiskoordination (SPK) des Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist das Format NachbarSchatz hervorgegangen“, erklärt Nicole Heger von der SPK. NachbarSchatz ist eine im nächsten Jahr zehnjährige Initiative, die sich der Förderung der Gemeinschaft und des Kulturaustauschs verschrieben hat und damit das Ziel verfolgt, nachbarschaftliche Begegnung lokal zu ermöglichen und zu unterstützen.

Die Kurve kriegen…
Im für alle und alles offenen Café Kurve finden psychisch erkrankte und beeinträchtigte Menschen ab 18 Jahren die Möglichkeit zum in Berlin teilweise öffentlich finanzierten Zuverdienst. Pro Arbeitsstunde erhalten sie 1,53 Euro Motivationszuwendung. In erster Linie aber finden diese Menschen hier eine niedrigschwellige Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeit, auch wenn sie im Sinne des SGB II nicht erwerbsfähig sind. „Ziel ist es, diesen Menschen positive Arbeitserfahrung zu vermitteln und sie darüber vielleicht sogar fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen“, erklärt Michelle von Eigen, deren Team derzeit 32 Menschen mit Zuverdienst zählt, überwiegend im Alter 40+, wobei Frauen und Männer prozentual etwa gleichermaßen vertreten sind. Die Arbeit im Café Kurve-Gastronomiebereich – je nach Leistungsfähigkeit bis zu 15 Stunden pro Woche – erfordert ein gewisses Maß an körperlicher Fitness, Pflegebedarf sollte nicht bestehen. Jeder kann sich nach Absprache mit flexibel gestaltbaren täglichen Arbeitszeiten in verschiedenen Betätigungsfeldern erproben. Aus allen Gesellschaftsschichten und Arbeitsbereichen kommen die Zuverdienenden. Die Zahl der Jüngeren ist niedrig, kommen sie doch häufig aus Arbeitsverhältnissen, in denen zerstörerisches Mobbing herrschte. Erfahrungen, die tief sitzen und den Schritt hin zu einem neuen Arbeitsantritt schwer machen; selbst wenn die Arbeit, wie im Café Kurve, von Rücksichtnahme, Verständnis und Toleranz geprägt ist und positive Arbeitserfahrung vermittelt wird. Im Rahmen der staatlichen Finanzierungskürzungen fürchten die Beteiligten um die Zukunft dieses unverzichtbaren Erfolgsformats für Menschen, die nicht wissen, was mit ihnen los sind und sich selbst finden müssen. – Ist doch zu bedenken, dass über die Jahre etliche der Zuverdienenden „die Kurve gekriegt“ haben und darüber zu unverzichtbaren Arbeitskräften nicht nur für das Café Kurve geworden sind. – Die finanzielle Lücke zu schließen, werden Spenden und Ehrenamt immer wichtiger.
...und Schätze entdecken, heben und präsentieren
Zum engagierten Schatzsucher-Team, das hinter NachbarSchatz steht, gehören in erster Reihe Michelle von Eigen, Nicole Heger (SPK) sowie die QPK-Mitarbeiterinnen aus dem Bezirk Hannah Marcus (zust. f.Jugendbereich) und Katja Wohner (zust. f. Seniorenbereich). Jede von ihnen hat ihren sozialen Fachbereich und ihr Steckenpferd, aus dem sie Know-how und Erfahrung mitbringt, das den NachbarSchatz erst richtig zum Strahlen bringt. Gemeinsames Ziel ist es, nachbarschaftliche Begegnungen und interkulturellen Austausch zu fördern und die Schätze der Gemeinschaft im öffentlichen Tempelhofer Raum sichtbar zu machen. Dabei sollen die lokalen Nachbarn selbst auf Entdeckungsreise nach noch verborgenen Schätzen gehen und sie anderen präsentieren, sei es im Kunst- und Kulturbereich, als Ausstellung, Vortrag oder Geschichte. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie die Menschen, die im Café Kurve arbeiten, und die Gäste, die es besuchen. Egal ob Jung oder Alt, jeder ist aufgefordert, sich mit Herz, Idee und seinen ganz besonderen Schätzen einzubringen, um Nachbarschaft und Zusammenhalt in Tempelhof damit nachhaltig zu fördern. Das Angebot ist kostenfrei und erschwinglich für alle, die Interesse haben, sich zu engagieren. Regelmäßige kostenfreie Veranstaltungen wie Lesungen Verköstigungen, Konzerte und Erkundungen finden im Café Kurve statt, das in der wärmeren Jahreszeit dann zusätzlich mit seinem Außenbereich punktet. Aber auch andere Orte wie Parks und Grünanlagen eignen sich gut, und für Vorschläge ist NachbarSchatz immer offen. Kontakt für Rückfragen zu NachbarSchatz über Nicole Heger (OE SPK) Telefon: 030 90277-67 59 oder über Café Kurve Friedrich-Wilhelm-Straße 22 in 12103 Berlin, Telefon 030 765 86 342. Öffnungszeiten Mo. – Fr. 12 – 16 Uhr
Jacqueline Lorenz